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die bank 09 // 2015

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die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

ó BETRIEBSWIRTSCHAFT

ó BETRIEBSWIRTSCHAFT Wertorientierte Kennzahlen im Firmenkundenrating RISIKOMANAGEMENT In klassischen Ratingverfahren spielen wertorientierte Kennzahlen keine Rolle. Unternehmen werden auf Basis traditioneller Finanzkennzahlen in Risikoklassen eingruppiert, um die Bonität zu ermitteln. Eine wesentliche Aufgabe des Ratings sollte die Risikofrüherkennung sein. Diese kann durch wertorientierte Kennzahlen realitätsnäher erfolgen. Der Beitrag beschäftigt sich mit den Voraussetzungen und Argumenten für eine Integration von wertorientierten Kennzahlen in das Firmenkundenrating. Karl-Heinz Prieß Keywords: Rating, Unternehmenswert, Kennzahlen Erhöhung der Kundenzufriedenheit, Sicherung der Unternehmensexistenz, langfristige Steigerung des Unternehmenswerts – das waren vor der Finanzkrise die zentralen unternehmenspolitischen Ziele. Danach hat sich das Bild gewandelt. Heute geben die Unternehmen die Sicherung des Unternehmensbestands als wichtigstes Ziel an. Nach wie vor findet sich aber die langfristige Steigerung des Unternehmenswerts auf Platz drei. Dabei ist zu beachten, dass Unternehmenssicherung und Unternehmenswert lediglich zwei Seiten derselben Medaille sind. Neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge ist der Unternehmenswert wichtiger als eher traditionelle Ziele wie Umsatzund Gewinnmaximierung. Auch wird der Unternehmenswert vielfach als zentraler Erfolgsfaktor für Unternehmen genannt. 1 So geben Erfolgsunternehmen signifikant häufiger die langfristige Steigerung des Unternehmenswerts als Ziel von sehr hoher Bedeutung an. Geringe Rolle des Unternehmenswerts in der Kreditanalyse Der Unternehmenswert wird in der Praxis vielfältig eingesetzt, insbesondere in der Restrukturierung von Geschäftsbereichen, bei Unternehmenskäufen und der Einführung wertorientierter Controlling- Systeme. Er ist dabei für Share- und Stakeholder gleichermaßen von Interesse. Im klassischen Firmenkundenrating spielen Unternehmenswert und wertorientierte Kennzahlen als Indikator für den Unternehmenswert aktuell jedoch kaum eine Rolle. Im Vordergrund stehen klassische Kennzahlen, z. B. der Return on Investment (RoI) oder die Eigenkapitalquote. Insbesondere Kreditprüfungen sind jedoch häufig Anlass einer Unternehmensbewertung. Vor diesem Hintergrund fallen unter die Kreditierungsunterstützungsfunktion vor allem jene Unternehmensbewertungen, die unter anderem durch Kreditinstitute als Bewertungssubjekt im Zusammenhang mit der Zuführung von Fremdkapital und somit im Rahmen der Kreditwürdigkeitsprüfung durchgeführt werden. 2 Dies lässt den Rückschluss zu, dass eine Kreditrückzahlung umso sicherer bzw. die Ausfallwahrscheinlichkeit (Propability of Default, PD), die sich in der Ratingnote ausdrückt, umso geringer ist, je höher der Unternehmenswert ist. Auf Basis der Erkenntnisse aus der Optionspreistheorie ist dieser Zusammenhang ebenfalls bekannt. 3 Hier stehen nicht die klassischen Ratingkriterien zur Bonitätsanalyse im Vordergrund, sondern die künftigen Cashflows des Unternehmens. Die Annahme ist, dass das Unternehmen ausfällt, wenn der Wert der Unternehmensaktiva zum Fälligkeitszeitpunkt des Darlehens unter dem Rückzahlungsbetrag des Kredits liegt. Es ist also insolvenzgefährdet, wenn der Unternehmenswert unter den Wert des Fremdkapitals fällt. ” 1 verdeutlicht, dass der Unternehmenswert zum Zeitpunkt der Kreditvergabe t0 in der Regel über dem Rückzahlungsbetrag des Fremdkapitals liegt. Im positiven Szenario wächst der Unternehmenswert während der Rückzahlungsdauer des Kredits an. Je mehr der Unternehmenswert den Wert des Fremdkapitals (Default Point, DPT) übersteigt, umso größer ist entsprechend die sogenannte Distance-to-Default (DD). Bei größer werdender DD nimmt die Ausfallwahrscheinlichkeit ab. 4 Akzeptiert man diese Aussage, kann die Entwicklung eines Unternehmenswerts als guter Indikator für die langfristige Kreditrückzahlungsfähigkeit des Unternehmers interpretiert und verstanden werden. Der einfache Rückschluss lautet: Im Firmenkundenrating sollte der Unternehmenswert eine zentrale Rolle spielen, 42 diebank 9.2015

BETRIEBSWIRTSCHAFT ó da er eine höhere Prognosefähigkeit für Unternehmensentwicklungen aufweisen kann als die klassischen Finanzkennzahlen. Es wäre demnach zielführend, den Unternehmenswert als Frühindikator der Bonität der Kreditnehmer zu akzeptieren bzw. weiterzuentwickeln. Die Umsetzung scheitert in der Praxis häufig am finanziellen und zeitlichen Aufwand für die Ermittlung des Unternehmenswerts. Hinzu kommen eine hohe Komplexität der Verfahren zur Ermittlung des Werts insgesamt, fehlendes Know-how und fehlende Bereitschaft bei den Kreditanalysten im Hinblick auf die Interpretation des Werts. Demzufolge zeigen Kreditinstitute und Unternehmen nur ein geringes Interesse daran, Ressourcen für die Ermittlung des Unternehmenswerts im Rahmen des Firmenkundenratings zur Verfügung zu stellen, obwohl sie die Bedeutung des Werts durchaus erkennen. Finanzkennzahlen im Vordergrund des Firmenkundenratings Ziel eines Ratingverfahrens ist es bekanntlich, alle ausfallrelevanten Informationen zu berücksichtigen, um die Bonität des Unternehmens einzustufen und Kreditrisiken frühzeitig zu erkennen. Klassische interne Ratingsysteme bestehen aus einem Bonitätsrating (Finanzrating) zur Ermittlung der Ausfallwahrscheinlichkeit (PD) und einem Transaktionsrating zur Berechnung des Verlusts bei Ausfall (Loss Given Default, LGD). Aus der Kombination von PD und LGD erhält man den erwarteten Verlust (Expected Loss, EL). Je höher die Risikoklasse, in die das Unternehmen eingruppiert wurde, umso höher ist die statistische Ausfallwahrscheinlichkeit und umso schlechter ist das Rating. Die Daten für die Bonität, mit deren Hilfe der Kreditnehmer eingruppiert wird, resultieren aus quantitativen Faktoren (Daten zur Vermögens-, Finanz- und Ertragslage aus Bilanz, GuV-Rechnung und Anhang sowie finanzielle Plandaten) und qualitativen Faktoren (Führung und Management, Markt, Kunden, Produkte, Finanzen und Technologie) – ausgedrückt im qualitativen Rating – sowie aus Länderund Branchenfaktoren. Bei den qualitativen Daten stellen z. B. Überziehungen, eine fehlende Nachfolgeregelung, das Alter der Kundenbeziehung oder der Einsatz von Planungssystemen „harte“ Faktoren dar. „Weiche“ qualitative Faktoren sind Erkenntnisse aus der Unternehmensführung, der Planung und Steuerung, der Situation am Markt bzw. des Produkts und der Wertschöpfungskette. Im Rahmen der Datenerfassung und -aufbereitung werden zusätzlich Sicherheiten, Financial Covenants und Abbzw. Aussonderungsrechte berücksichtigt. Mögliche Warnhinweise bzw. -signale (z. B. Scheck- und Lastschriftrückgaben, Nichteinhaltung wesentlicher Absprachen) führen in diesem Schritt zu Ratingabstufungen. Verbundeffekte (Haftungsverbünde) können im Konzernrating positiv berücksichtigt werden. 1 Unternehmenswert und Insolvenzwahrscheinlichkeit aktueller Unternehmenswert zwei potenzielle Unternehmensentwicklungen erwartete Wachstumsrate des Unternehmenswerts Distance-to-Default Fasst man die Ergebnisse von Finanzrating und qualitativen Faktoren (qualitatives Rating) zusammen, spricht man vom Basisrating, das weiter zum Einzelkundenrating bzw. integrierten Kundenrating entwickelt wird. ” 2 zeigt diesen Zusammenhang auf. Empfehlung für wertorientierte Kennzahlen Wertorientierte Kennzahlen als Indikator für den Unternehmenswert sollten beim Finanzrating zumindest ergänzend berücksichtigt werden. Unter der Vielzahl der Kennzahlen, die in Kombination wirken, erscheinen insbesondere diejenigen bedeutsam, die sich auf die Bewertung der Kapitalkosten und damit den Unternehmenswert beziehen und so Grundlage des Shareholder-Value-Konzepts sind. 5 All diesen Kennzahlen ist gemein, dass sie nur dann eine positive Bewertung aufzeigen, wenn die erforderlichen Kapitalkosten erwirtschaftet werden. Beispielhaft sollen hier der gewichtete durchschnittliche Kapitalkostensatz (Weighted Average Cost of Capital, WACC) und der Unternehmenswert Wahrscheinlichkeitsdichteverteilung zukünftiger Unternehmenswerte Volatilität des Unternehmenswerts Rückzahlungsbetrag des Ausfallwahrscheinlichkeit Fremdkapitals Kreditlaufzeit (t) t 0 t 1 9.2015 diebank 43

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