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die bank 09 // 2015

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die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

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ó BANKING Von der Nische in der Breite BANKSTRATEGIE Vor 50 Jahren ging der Vorgänger der ING-DiBa an den Start. Die Kunden: Bauarbeiter, die bei keinem anderen Institut ihre vermögenswirksamen Sparkonten eröffnen konnten. Aus der gewerkschaftseigenen Nischenbank entstand in fünf Jahrzehnten eine der größten deutschen Privatkundenbanken mit rund 8,5 Millionen Kunden und einer stark ausgeprägten Marke. Ein Rückblick auf eine ungewöhnliche Karriere. Ulrich Ott Keywords: Bankgeschichte, Direktbanken, Geschäftsmodelle, Retailbanking Es ist zugegebenermaßen ein verwegenes Gedankenspiel, dennoch hat es seine Berechtigung: Möglicherweise gäbe es die ING-DiBa heute gar nicht, hätten damals, in den 1960er Jahren, die etablierten Banken und Sparkassen in einer bestimmten Situation anders reagiert. Tatsächlich wurde das Vorgänger-Institut der später führenden Direktbank vor 50 Jahren gleichsam in der Not geboren. Nach zähen Verhandlungen mit den Arbeitgebervertretern hatte die Gewerkschaft Bau-Steine-Erden mit ihrem populären Chef Georg Leber an der Spitze Mitte der 1960er Jahre den ersten Tarifvertrag zur Vermögensbildung im Baugewerbe durchgesetzt. Damit wurde das bereits 1961 vom Deutschen Bundestag beschlossenene sogenannte 312-DM-Gesetz erstmals ganz praktisch angewandt und zum Bestandteil eines Tarifvertrags. Die Regelung sah vor, dass der Arbeitgeber fortan neun Pfennig pro Stunde für die Vermögensbildung des Arbeitnehmers zahlte. Dieser wiederum musste von seinem Lohn oder Gehalt zwei Pfennig drauflegen. Nur dadurch sicherte er sich die zusätzliche Leistung seines Chefs. In der Not geboren Was manche als Durchbruch in sozialpolitisches Neuland bezeichneten, war für andere nicht mehr als Pfennigfuchserei. Mit ein paar Pfennigen ließen sich doch keine Vermögen aufbauen, höhnten die Kritiker. Und für die Banken und Sparkassen schien das Geschäft mit den Pfennigen der Bauarbeiter auch nicht sonderlich attraktiv zu sein. Georg Leber, der 2012 verstorbene ehemalige Verkehrsund Verteidigungsminister, versuchte die Kritiker mit einem simplen Gesetz aus der Mathematik zu überzeugen: Bei einer Multiplikation kommt es vor allem auf den Multiplikator an, also auf den Vervielfältiger. Anders ausgedrückt: Gespart wurden zwar nur ein paar Pfennige pro Stunde, doch angesichts der Milliarden von Stunden, die in einem großen Gewerbe wie der Bauwirtschaft zusammenkamen, ergab sich schnell ein Sparvolumen von jährlich über 200 Millionen D-Mark. Die etablierten Banken und Sparkassen überzeugte dies nicht, sie waren an dem Geschäft mit den vermögenswirksamen Leistungen zunächst nicht interessiert. Außerdem: Manchem Bankvorstand war wohl nicht ganz wohl bei der Vorstellung, dass plötzlich Bauarbeiter im „Blaumann“ in den feinen Hallen ihrer Geldinstitute aufkreuzen könnten. Klar war aber: Ohne Konten ließ sich das 312-D-Mark-Gesetz nicht umsetzen. Kreditbank Hagen lieferte den „Mantel“ Die Lösung dieses Dilemmas war eine Herausforderung der besonderen Art: Georg Leber und Walter Hesselbach, der Chef der gewerkschaftseigenen Bank für Gemeinwirtschaft (BfG), gaben Mitte Oktober 1965 im Frankfurter Hotel Intercontinental offiziell die Gründung einer neuen Bank bekannt. Ihr Name: Bank für Sparanlagen und Vermögensbildung, oder kurz: BSV. Bei diesem anfangs noch reichlich „hemdsärmelig“ geführten Institut konnten die Bauarbeiter Konten für ihre vermögenswirksamen Sparverträge eröffnen. Hesselbach, in Frankfurt wegen seiner SPD-Mitgliedschaft bisweilen als „der rote Abs“ bezeichnet, erkannte das Potenzial: Zunächst waren es nur die Bauarbeiter, die in den Genuss der vermögenswirksamen Leistungen kamen. Doch sobald sich andere Branchen anschlössen, könnte daraus schnell ein wirklich lukratives Geschäft für die neue BfG- Tochter BSV werden. Und genauso sollte es kommen. Als juristischer Mantel dieser neuen Bank diente die ebenfalls zur BfG gehörende Kreditbank Hagen, die in Bank für Sparanlagen und Vermögensbildung umbenannt wurde. Das neue Institut bezog zunächst einen Seitenflügel in der Frankfurter BfG-Zentrale. Um den erwarteten Ansturm zu bewältigen, setzte die Bank schon früh auf EDV und ließ eine Computeranlage von Honeywell installieren. Das, was vor 50 Jahren derart unkonventionell und milde belächelt von den großen Wettbewerbern begann, war nicht mehr und nicht weniger als die Keimzelle der ING-DiBa. Dass die BSV bis heute als eine der ersten Direktbanken gilt, ist ebenfalls einer 24 diebank 9.2015

BANKING ó in der Not getroffenen Entscheidung geschuldet. Das neue Geldinstitut verfügte über keine Filialen. Die Kommunikation mit seinen Kunden erfolgte überwiegend per Brief, was nicht weiter verwundern kann, schließlich galt der eigene Telefonanschluss in den 1960er Jahren noch als Luxus. Zwar kamen viele Kunden persönlich zur BSV nach Frankfurt, vor deren Geschäftsräumen sich dann lange Schlagen bildeten, doch wurden die einfachen Bankgeschäfte in erster Linie durch die Post abgewickelt: Wer über seine Ersparnisse verfügen wollte oder einen Kleinkredit beantragt hatte, erhielt sein Geld vom Postboten zugestellt. Bald vergab die Frankfurter Briefbank auch größere Darlehen. So ist wenig bekannt, dass die BSV bereits im Jahr 1969 in die Baufinanzierung einstieg. Zwischen 1969 und 1976 vergab die Bank rund 25.000 Bau-Darlehen in einem Gesamtvolumen von circa zwei Milliarden D-Mark. Heute ist die ING-DiBa einer der größten Baufinanzierer in Deutschland. Bankgeschäfte durch die Post abwickeln In der Geschichte der Bank und ihrer Vorgänger-Institute spiegelt sich denn auch die rasante Fortentwicklung der Kommunikationsformen wider, derer sich die Bank bediente. Dem Briefbanking folgte das Telefonbanking, dann Btx, dem nur mäßiger Erfolg beschieden war, schließlich Internet Banking und nun in zunehmendem Maße Mobile Banking. Nach einem äußerst erfolgreichen Start und deutlichem Wachstum in den 1970er Jahren - vor allem dank der Lancierung neuer Kredit- und Vorsorgeprodukte - kämpfte die BSV in den 1980er Jahren ums Überleben. Die Bank, die damals nur noch zu 51 Prozent der BfG und zu 49 Prozent der BSV Vermögensverwaltung gehörte, geriet in die Turbulenzen rund um das gewerkschaftseigene Wohnungsunternehmen Neue Heimat. Dessen Scheitern hatte eine Existenzkrise und Ulrich Ott ist Generalbevollmächtigter und Leiter der Unternehmenskommunikation bei der ING-DiBa. Der 1960 in Koblenz geborene Ott hat Komparatistik, Germanistik und Philosophie studiert und war unter anderem als Wirtschaftsberater und Consultant tätig. letztlich den Verkauf der BfG zur Folge. Mit der Übernahme durch die Gewerkschaftsholding BGAG blieb die BSV aber im Besitz der Gewerkschaften. Klar war jedoch: Um langfristig zu überleben, brauchte die Bank einen neuen Partner. Den fand die BSV schließlich in der niederländischen Finanzgruppe ING, die zu einem Kaufpreis von 270 Mio. D-Mark zum 1. April 1998 49 Prozent der Allgemeinen Deutschen Direktbank übernahm, wie die BSV mittlerweile hieß. Knapp vier Jahre später stockte die ING ihren Anteil um 21 Prozent auf, 2003 trennte sich die BGAG von ihren letzten Anteilen. Seither ist die ING Groep alleiniger Eigentümer der Bank, die seit Juli 2005 als ING-DiBa firmiert. Akquisitionen als Wachstumsbeschleuniger Auf dem Weg zur größten Direktbank Europas übernahm die ING-DiBa (damals noch DiBa) 1999 von der Bankgesellschaft Berlin deren Direktbankentochter GiroTel mit Sitz in Hannover. Anfang 2003 folgte dann die Übernahme des Mitbewerbers Entrium Direct Bankers (ehemalige Quelle Bank). Diese Akquisitionen erwiesen sich nicht nur als Wachstumsmotoren, vielmehr verfügte die Bank, die bis dahin nur in Frankfurt am Main vertreten war, über zwei weitere Standorte in Hannover und Nürnberg. Mit der Übernahme von Entrium kam zusätzlich die heutige ING DiBa Austria mit Sitz in Wien hinzu. Die Jahre nach dem Einstieg der ING waren von einem zum Teil stürmischen Wachstum geprägt. Ende 2001 wies die Bank in ihrem Geschäftsbericht noch etwa 800.000 Kunden aus. Bis zum Jubiläumsjahr 2015 hatte sich diese Zahl mehr als verzehnfacht. Schritt für Schritt verließ die Bank im Laufe der Zeit die Nische, in der sie vor einem halben Jahrhundert gegründet worden war. Die seinerzeitige Briefbank für vermögenswirksame Sparkonten und einfache Kreditangebote entwickelte sich allmählich zu ei- 9.2015 diebank 25

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