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die bank 08 // 2017

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

BERUF & KARRIERE AT THE

BERUF & KARRIERE AT THE TOP [ THOMAS A. LANGE ] Der Engagierte Das Treffen mit Thomas A. Lange findet in der Düsseldorfer Filiale der National- Bank statt, in Wurfweite der weltberühmten Königsallee. Der Vorstandschef dieser im Jahr 1921 von der Christlichen Gewerkschaftsbewegung und dem Zentrumspolitiker Adam Stegerwald in Berlin gegründeten und heute in Essen – dem Zentrum der Christlichen Gewerkschaften in der Weimarer Republik – beheimateten Bank strahlt viel Ruhe und Gelassenheit aus. Lange hat in den vergangenen Jahren ein gerüttelt Maß Anteil daran gehabt, dass aus der früheren Bank für „die kleinen Leute“ mit einer wohl einmaligen Geschichte ein inzwischen auf anspruchsvolle private und mittelständische Kunden fokussiertes Finanzinstitut geworden ist. Jahresabschlüsse und Reputation des Instituts lassen so manchen Konkurrenten vor Neid erblassen. Thomas Lange hält auch nicht hinter dem Berg, als er über Stabilität und Solidität der Bank spricht. Sein hervorragendes Wissen und seine hohe fachliche Kompetenz sind in der Branche sehr geschätzt. Das ist auch daran zu erkennen, dass Lange neben der Aufgabe als Vorstandschef seit 2008, dem Beginn der Finanzkrise, durch den Bundesverband deutscher Banken in die Rettungsarbeiten einer Reihe von Instituten mit einbezogen worden ist. „Thomas Lange ist ein Feuerwehrmann der deutschen Bankenszene“, sagt einer seiner Kollegen mit Hochachtung. So war Lange von 2008 bis 2010 Vorsitzender des Aufsichtsrats der seinerzeit fallierten Düsseldorfer Hypothekenbank und bekleidet dieses Amt seit 2015 zum zweiten Mal. Seit 2013 steht er dem Aufsichtsrat der Valovis Bank vor und überwacht den geordneten Rückbau. Insofern überrascht es nicht, dass Lange auch stellvertretender Vorsitzender des Beirats der EIS Einlagensicherungsbank ist. Karriere wie aus dem Bilderbuch Der am 20. April 1963 im hessischen Gießen geborene Thomas Lange studierte u. a. in Kiel und London Rechtswissenschaften. Bereits parallel zum Rechtsreferendariat wurde er zum „Dr. jur.“ promoviert und begann mit Bestehen des Zweiten Staatsexamens 1992 im Corporate Banking der Deutschen Bank im Ruhrgebiet. Zwei Jahre später folgte der Ruf als Vorstandsassistent in die Zentrale, eine Zeit, von der er sagt, sie habe ihn stark geprägt. Nach Führungsfunktionen in Rostock und Singapur – dort als Chief Country Officer des Deutsche Bank-Konzerns sowie General Manager der Deutsche Bank AG – wurde Lange 2001 zum Mitglied der Geschäftsleitung berufen. Lange verhehlt nicht, dass einer seiner Gründe für den Berufseinstieg bei den „Blauen“ der frühere Vorstandssprecher Alfred Herrhausen gewesen ist. „Viele seiner Gedanken haben bis heute unverändert Gültigkeit“, so Lange. 2007 erhielt Lange das Angebot, die Leitung der National-Bank als Sprecher des Vorstands zu übernehmen. In Anerkennung seiner Verdienste wurde er 2011 zum Vorstandsvorsitzenden ernannt. „Wir sind die letzte konzernunabhängige Regionalbank in Deutschland für anspruchsvolle Privat- und Firmenkunden sowie mittelständische Investoren bei einem breit gestreuten Aktionariat“, erläutert er das Geschäftsmodell. Es macht Spaß, mit dem verheirateten Top-Banker und Vater zweier Töchter über die aktuellen Störfaktoren in der Welt zu diskutieren. Beim Versuch, die teils abrupten globalen Veränderungen – sowohl ökonomisch, politisch als auch auf gesellschaftlicher Ebene – einzuordnen, hat Thomas Lange logisch klingende Erklärungen parat: Der Mensch begehe nicht selten den Fehler, Entwicklungen zu kurzfristig einzuschätzen und die Historie bei der Betrachtung und Analyse außer Acht zu lassen. Der Banker rät hingegen zu einer längerfristigen Sicht der Dinge. Über die Jahrhunderte hinweg habe es ähnliche Entwicklungen gegeben. Schwierige politische Situationen seien häufig die Folge vorausgegangener Wohlstandsgewinne gewesen. „Was wir in der Welt heute erleben, sind Ausprägungen dieser Effekte.“ Als Beispiel nennt er die aktuellen Herausforderungen in Europa. Dem Versuch, Europa zu vereinen, seien Risse im Gebälk gefolgt. Diese gelte es zu schließen und ein neues Zielbild zu entwerfen, das neben anderen Bedingungen auch ein nachhaltiges und inklusives ökonomisches Wachstum verspricht. 84 08 // 2017

BERUF & KARRIERE Thomas A. Lange kam 1963 in Gießen zur Welt. Nach einem Studium der Rechtswissenschaften startete er seine Karriere im Corporate Banking der Deutschen Bank im Ruhrgebiet, stieg zum Vorstandsassistenten auf und übernahm Führungsfunktionen in Rostock und Singapur, bevor er 2001 zum Mitglied der Geschäftsleitung berufen wurde. 2007 wechselte Lange als Sprecher des Vorstands zur National-Bank, seit 2011 ist er dort Vorstandsvorsitzender. Thomas Lange ist darüber hinaus als Honorarprofessor an der Universität Rostock tätig, ist Mitglied des Präsidiums des Bundesverbands deutscher Banken und Vorsitzender diverser Aufsichtsräte. Ungeachtet dessen hält er es mit Blick auf die Wirtschaft und die Finanzmärkte für bemerkenswert, dass sich die politischen Entwicklungen auf der einen Seite und die ökonomischen Entwicklungen auf der anderen Seite teilweise voneinander entkoppelt haben. „Die Börsen und Finanzmärkte zeigen sich in diesem Umfeld erstaunlicherweise recht widerstandsfähig.“ Anscheinend ließen sich die Akteure an den Finanzmärkten durch politische Entwicklungen nicht mehr in Schockzustand versetzen. Beispielhaft erwähnt Lange den Brexit, der auf die Kursentwicklung britischer Aktien zuletzt keinen nennenswerten Einfluss mehr gehabt hat. Und dass der Medienhype um Emmanuel Macron die Akteure am Pariser Finanzplatz weitgehend kalt lasse, sei ein weiteres Indiz für diese zu beobachtende Entkoppelung. Thomas Lange ist ein guter und geduldiger Zuhörer. Die Sorgen vor einer neuen Finanzkrise hält er zwar für überzogen, doch weiß er auch, dass es aufseiten der Banken bei der Risikobereitschaft in der Vergangenheit eine eindeutige Übersteuerung gegeben habe. Aus Sicht des Bankers sind das Risikoniveau und die Risikobereitschaft mancher Institute unverändert zu hoch und gleichzeitig die Risikokontrolle und Sicherheitsvorsorge zu niedrig. Einigen seiner Bankkollegen dürften solche und ähnliche Aussagen nicht gefallen. Aber Thomas Lange ist keiner, der, wenn gefragt, nur diplomatische Antworten gibt. Offenheit und Ehrlichkeit sind für ihn nicht nur berufsbedingte Charakteristika, sondern typische Wesensmerkmale. „Die strengere Regulierung der Finanzwirtschaft durch die Aufsichtsbehörden ist vor diesem Hintergrund prinzipiell gut und wichtig“, spricht er sich dafür aus, die Institute weiter „an der kurzen Leine der Vernunft“ zu halten. Das gelte jedoch auch für den Sektor der Schattenbanken. Mehr denn je sei gerade hier eine Regulierung notwendig. Es werde immer deutlicher, dass vieles, was im Rahmen der Globalisierung erreicht wurde, wieder aufgegeben werde, weil national geprägte Egoismen hier und da die Oberhand gewännen. Das gelte nicht nur für die ökologische Sicht mit Blick auf die Frage des Klimawandels, sondern auch für einige Bereiche der Weltwirtschaft und der Finanzmärkte. „Die USA werden hinsichtlich der Finanzmarktregulierung wohl ihren eigenen Weg gehen“, erwartet Lange. Aber auch mit Blick auf die für die Menschheit großen Fragen sei aus dem Fürund Miteinander vergangener Jahre in Teilbereichen ein Gegeneinander geworden. Und wieder warnt Lange vor einer zu kurzfristig angelegten Analyse, weil diese mitunter Defizite aufweise. So sehe sich die Weltbevölkerung seit Jahrhunderten Wanderungsbewegungen ausgesetzt, die in der Zeit des Kalten Kriegs lediglich vorübergehend zum Stillstand kamen. Seit dem Fall des Eisernen Vor- hangs, der politischen Neuordnung Europas sowie einer globalisierten, digital gestützten Informationsbeschaffung und -verbreitung haben die Wanderungsbewegungen – insbesondere aus Afrika – zugenommen. Loyalität und gelebte Verantwortung Verlässlichkeit und Loyalität sind einige seiner Stärken. Es wird deutlich, dass Lange seine Verantwortung lebt. Das gilt auch für sein Führungsverständnis und -verhalten. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass zahlreiche Mitarbeiter von einem positiven Innenverhältnis über die verschiedenen Hierarchiestufen der Bank hinweg sprechen. Der Umgang mit seinen Mitarbeitern zeugt von Achtung, Respekt und Menschlichkeit, das beweist auch der kurze Aufenthalt in der Filiale Düsseldorf. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die Bank ihre Aufgabe nicht nur in der finanziellen Beratung ihrer Kunden und Aktionäre sieht, sondern auch ein starkes kulturelles und gesellschaftliches Engagement pflegt. Dass Thomas Lange keiner der in der Öffentlichkeit regelmäßig für Furore sorgenden „Digi-Banker“ ist, stellt sich im Gespräch rasch heraus. „Wo bleibt denn dann die konkret bedarfsgerechte Beratung der Kunden?“, fragt er, als das Gespräch auf die inzwischen weit verbreitete Ansicht kommt, wonach es möglicherweise früher als erwartet keine Bankfilialen mehr geben und der Berater 08 // 2017 85

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