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die bank 08 // 2017

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

DIGITALISIERUNG Auch

DIGITALISIERUNG Auch die deutsche Wirtschaft positioniert sich: der „Generalschlüssel“ – eine Initiative von Daimler, Allianz, Deutsche Bank & Co. – soll dem Nutzer einen rechtssicheren Zugriff im Internet ermöglichen. Ernst zu nehmende Wettbewerber an der Kundenschnittstelle und damit auch beim Single Sign-on zu den digitalen Ökosystemen sind die „Data Giants“ Google, Apple, Facebook und Amazon („GAFA“) sowie Paypal. Schon heute können z. B. die Profile von Amazon und Paypal in E-Shops außerhalb der originären Plattformen zur Identifizierung genutzt werden. Die Ausweitung der bestehenden IDs zu vollwertigen digitalen IDs ist nur eine Frage der Zeit. Sprachsteuerung wird dabei neue Zugangswege eröffnen. Interhyp ist in Deutschland der erste Finanzdienstleister, der über den digitalen Amazon- Assistenten Alexa einen Zinsrechner für Hypothekendarlehen angebunden hat. „Alexa, wie ist mein Liquiditätsstand auf allen meinen Konten?“ und „Siri, investiere 10.000 € von meinem Konto in ETFs bei meinem Robo Advisor!“ – schon in Kürze werden diese Szenarien mit PSD2 und Open Banking Realität sein. Hier können Finanzdienstleister nur über Kooperationen den Zugang zum Kunden sichern – dieser Zugang wird allergen neben Zahlungsabwicklung und Kontozugang führen. Schon heute existieren Angebote zum automatisierten Wechsel des Kontos, die den bis dato aufwändigen Prozess mit sehr geringem Zeitaufwand möglich machen. Die Funktion des Kontos als Ankerprodukt der Bankbranche verliert damit schrittweise an Bedeutung. Im Universum digitaler Ökosysteme könnte die digitale ID zu einem zukünftigen Ankerprodukt werden. Über die Authentifizierung ihrer Kunden können Dienstleister für ihre Kunden digitale ID-Profile („Avatare“ oder „Personas“) verwalten, bei denen der Nutzer entscheiden kann, welche Informationen je Profil an welche Dienstleister weitergegeben werden sollen. Dies gilt auch für die heute zentrale Funktion des Kontos als Quelle für das Bonitätsprofil des Kunden, das in Zukunft als ein weiterer Informationsbestandteil der digitalen ID – möglicherweise qualitätsgesichert durch ein externes Scoring – verwaltet werden kann. Die zentrale Positionierung an der digitalen ID und die Auswertung der aus der Nutzung resultierenden Daten eröffnet auch die Möglichkeit, individualisierte und wett- bewerbsfähige Ökosysteme zu errichten. Der Kunde wird selbst entscheiden können, ob er die Nutzung seiner Daten zulässt und damit neue Wertschöpfungspotenziale für Finanzdienstleister erschließt, oder ob er weiterhin für Finanzdienstleistungen eine Gebühr entrichten möchte. Daten werden damit zur neuen Währung. Ohne wirkungsvolle Schutzmechanismen für die hinterlegten Daten werden Finanzdienstleister ihren Vertrauensvorschuss aus der Welt vor der Digitalisierung nicht in die neue Zeit hinüberretten können. Kritische personenbezogene Daten, genau wie geschäftskritische Daten von Unternehmen müssen einen hinreichenden Schutz genießen. Cyber-Security wird damit zu einem zentralen Differenzierungsmerkmal für Dienstleister in digitalen Finanz-Ökosystemen. Erste Beispiele für eine digitale ID finden sich auch im Banksektor. So bieten die schwedischen Banken seit 2003 die BankID an, die neben dem Online-Zugang zu Finanzprodukten auch in anderen Bereichen zur Authentifizierung genutzt werden kann (z. B. zur Abgabe der Steuererklärung). Bis heute wurden 7,5 Millionen aktive BankIDs ausgegeben. 78 08 // 2017

DIGITALISIERUNG dings seinen Preis haben. Zukünftige digitale Finanz-Ökosysteme werden nach den o.g. Konstruktionsprinzipien ausgestaltet. Das „Financial Home“ als der Eingangspunkt zu allen Bedürfnissen, die der Kunde im Thema Finanzdienstleistungen hat, ergänzt z. B. um Funktionen aus dem Bereich Lifestyle zur Erhöhung der Kundenbindung, wird zum Dreh- und Angelpunkt der digitalen Finanzdienstleistungs-Angebote der Zukunft. Erste digitale Ökosysteme im Finanzdienstleistungsbereich Bereits heute existieren digitale Finanz- Ökosysteme, die als Vorreiter der Entwicklung gelten können. Ein Beispiel hierfür ist das Start-up N26, das ein eigenes digitales Ökosystem kreiert hat. Anfänglich noch ohne Banklizenz gestartet, hat N26 mittlerweile eine eigene Banklizenz und kooperiert mit anderen Dienstleistern wie Vaamo, Raisin oder Transferwise, die ihre Produkte den Kunden von N26 auf der durch das Start-up gestalteten Plattform anbieten können. Ein weiteres Beispiel – diesmal eines etablierten Finanzdienstleisters – ist das Produkt „MobilePay“ der Danske Bank. Mobile Pay wurde 2013 zunächst mit einer P2P-Payments-Funktionalität gestartet. Die App wurde kostenfrei in den etablierten Mobilplattformen angeboten. Seitdem wurden Funktionalitäten der App in agiler Vorgehensweise kontinuierlich in kurzen Releasezyklen erweitert. MobilePay-Nutzer können Rechnungen auf ihrem Mobiltelefon bezahlen, gemeinsam mit anderen Nutzern Events planen und dabei zu zahlende Beträge untereinander aufteilen und Loyalty-Programme nutzen. Mittlerweile wurden auch Händler in das System integriert. Mit diesem Vorgehen konnte die Danske Bank innerhalb von nur drei Jahren 3,4 Millionen registrierte Nutzer in Dänemark für MobilePay gewinnen – mehr als 50 Prozent der dänischen Bevölkerung. Nur 30 Prozent der Nutzer von MobilePay sind tatsächlich Kunden der Danske Bank. Auch deutsche etablierte Banken arbeiten an ihren Finanz-Ökosystemen. Die Sparkassen Finanzgruppe positioniert „Yomo“ als Ökosystem für junge Kunden, und die Reisebank aus dem genossenschaftlichen Finanz- Verbund hat angekündigt, mit dem Smartphone Banking „Bankomo“ ebenfalls ein digitales Ökosystem für die mobile Workforce und Migranten auf den Markt bringen zu wollen – zielgruppen-gerecht vom Start an zweisprachig in Deutsch und Englisch. Rolle der Banken in digitalen Ökosystemen: Erfolgsfaktoren und Bedrohungspotenzial Finanzdienstleister werden auch in digitalen Ökosystemen weiterhin wesentliche Grundfunktionen wahrnehmen. Hierzu gehören regulierte Funktionen wie die Übernahme und das Management von Risiken, die Entgegennahme von Einnahmen, die Anlage von Kundengeldern und die Gewährung von Krediten. Nicht alle Finanzdienstleistungen werden in Zukunft aus eigener Produktion angeboten; der Mehrwert für den Kunden und die beste Customer Experience determinieren die Kooperation mit anderen Dienstleistern (Fintechs, etablierte Marktteilnehmer) in der Wertschöpfungskette. Wo ehemals noch spezifische Infrastrukturen Eintrittsbarrieren errichteten, reduzieren in Zukunft kostengünstigere Infrastrukturen basierend auf offenen Schnittstellen und Asset-Transfernetzen (z. B. Distributed Ledger Architekturen/ Blockchain, open APIs etc.) den Aufwand von Integration und Abwicklung. Finanzdienstleister werden mit Wettbewerbern aus ihren eigenen Reihen, mit einigen innovationsstarken FinTechs, voraussichtlich aber auch mit neuen Wettbewerbern aus dem Bereich digitaler Marktplätze, um die zukünftigen digitalaffinen Kunden der Generation Y ringen. Finanzdienstleister werden im Wettbewerb um die Kundenschnittstelle hier nur mithalten können, wenn sie ihre eigenen Ökosysteme nach den genannten Prinzipien hinreichend attraktiv gestalten. Erste Schritte werden aktuell bereits vollzogen: Mobil-Apps mit neuer Customer Experience werden positioniert, P2P-Payments-Funktionalität wird hinzugefügt, Inkubatoren, Accelerators, Tech Labs und digital Factories wurden eröffnet. Auf die Rolle der vielen entstehenden Ökosysteme außerhalb der Finanzdienstleistungsbranche haben die Finanzdienstleister allerdings noch keine überzeugende Antwort gefunden. Sei es im Rahmen von zukünftiger Car Mobility, im digitalen Gesundheitswesen oder im Internet of Things: die Betreiber der neuen Ökosysteme etablieren z. B. Zahlungsfunktionen aktuell eher selbst als mit etablierten Spielern der Finanzdienstleistungsbranche eine Partnerschaft einzugehen. FAZIT Um zu den ausgefeilten Ökosystemen der Internet-Giganten aufzuschließen, muss ein hoher Innovationssprung und ein tief greifender Kulturwandel gelingen. Flexibilität in der Positionierung, auch in Kooperation mit den Ökosystemen der GAFAs, kann ein Schlüssel zum Erfolg in der digitalen Welt sein. Der Blick über den Tellerrand in entstehende Ökosysteme anderer Branchen ist dabei ebenso notwendig wie die Entwicklung von Finanz-Ökosystemen in den angestammten Märkten. Finanzdienstleister, die die Transformation aktiv gestalten und neue Wachstumspotenziale der digitalen Welt nutzen, indem sie sich unter Fokussierung auf ihre bestehenden Stärken zu wettbewerbsfähigen Spielern der digitalen Ökonomie weiterentwickeln, haben gute Chancen, auch nach der digitalen Transformation noch erfolgreich dazustehen. Autoren: Christopher Schmitz und Jan-Erik Behrens sind Partner bei EY. 08 // 2017 79

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