DIGITALISIERUNG 1 | Der Komplettabwickler als Produktentwickler, Bereitsteller sowie als Transaktionsabwickler Produkt Intermediär Kunde Beratung Vertriebsbank, Digitale Vollbank, Finanzportale, Internetkonzern Transaktion Quelle: Auge-Dickhut, S., Koye, B. et al., (2014), Client Value Generation, S. 108. Der Endkundenvertrieb wird durch den fokalen Netzwerkpartner an der Kundenschnittstelle, der Vertriebsbank, wahrgenommen. Dieser verfügt über effizientes Beratungs-Know-how und über hohe Markenreputation. Der Produktspezialist fokussiert sich auf die Produktentwicklung und -herstellung und profiliert sich durch Unabhängigkeit und Streben nach der Best-in-Class-Positionierung seines Produkts. Die Netzwerkfähigkeit der Produkte ist eine notwendige Voraussetzung für diese Strategie. Der Transaktionsspezialist konzentriert sich auf die Kostenführerschaft in der Abwicklung der Transaktionen. Dieses Geschäftsmodell realisiert Skalen- und Verbundeffekte durch Übernahme und Durchführung der entsprechenden Prozesskomponenten von den auf die Kundenschnittstellen orientierten Vermögensverwaltern, die im Pricing an die Kunden weitergegeben werden können. Der Komplettabwickler positioniert sich als Produktentwickler und -bereitsteller sowie als Transaktionsabwickler. ÿ 1 In der zweiten Phase werden die Branchengrenzen im Rahmen der Spezialisierung immer weiter aufgeweicht, und es bilden sich neue technologiegetriebene und kundenorientierte Ökosysteme. Diese bündeln Angebote verschiedenster Unternehmen zu kundenorientierten Lösungen. Dies ist zunächst noch innerhalb der Bankbranche erfolgt, es zweigen sich aber erste Schritte hin zu einer Branchenöffnung. So haben im Bereich des Bedürfnisses „Mobilität“ die Automobilkonzerne eigene Banken, um auch den Bereich Finanzierung integral abzudecken. Die Kundenschnittstelle liegt dabei zukünftig nicht zwingend bei den Banken, wie die Kooperation zwischen der Fidor-Bank und Telefónica zeigt. Die Kontoeröffnung und die Vertragsbeziehung erfolgen hier über den Telekommunikationsanbieter, und die einzelnen Produktkomponenten werden kombiniert. Als „Verzinsung“ werden höhere Datenvolumina ermöglicht. Die Besetzung der Kundenschnittstelle wird also künftig mit den unterschiedlichsten Partnern erfolgen können. ÿ 2 In einer wahrscheinlichen dritten Phase der Entwicklung könnten Kunden ihre Finanzbedürfnisse auch mit modernen Systemen wie Watson von IBM unter Zuhilfenahme von Spracherkennung besprechen und lösen. Dabei sind diese AI (Artificial Intelligence)-Systeme vermutlich künftig in der Lage, die modularen Elemente zur Realisierung der Lösungen selbstständig zu identifizieren und auszuwählen. Erfolgsfaktoren in digitalen Ökosystemen Digitale Ökosysteme oder Netzwerke sind eine notwendige Reaktion auf die immer transparenteren Märkte, die höhere Verhandlungsmacht der Kunden und die immer schnelleren Produktlebenszyklen. Das Züricher- Modell bietet dabei einen Orientierungsrahmen für die Analyse der notwendigen Transformation. Netzwerkfähige Unternehmen zeichnen sich durch die folgenden Charakteristika aus: Eine stringente Kundenzentrierung mit einem für die Netzwerkpartner attraktiven USP ist entscheidend für das Überleben. Nur wer langfristig die jeweiligen Kundenbedürfnisse am besten befriedigt und dabei das notwendige Innovationstempo aufrechterhalten kann, wird überleben. Strategisch und kulturell gilt es, sich in einer permanenten Dualität von operativem Geschäftsgang und strategischer Anpassung an die Entwicklungen bewegen zu können. Resilienz und Agilität sind strukturell und kulturell entscheidende Kernfähigkeiten für diese Transformation. Resiliente Unternehmen können ihre Strukturen und Aktivitäten unter langfristigem Stress, 72 08 // 2017
DIGITALISIERUNG 2 | Das Züricher-Modell als Orientierungsrahmen Leitplanken Strategie Zielbild Kunde Struktur Trends IST- Zustand Vertrieb Produktion Steuerung Umwelt Kultur Quelle: Auge-Dickhut, S., Koye, B., Client Value Generation - Digitale Geschäftsmodelle aus Kundensicht neu designen. Handelsblatt Journal, 2015. hohem Veränderungsdruck und Unsicherheit in Richtung zukunftsfähiger Geschäftsmodelle transformieren und disruptive Veränderungen und Schocks so absorbieren. Ihre Prozesse sind durch klare Verantwortlichkeiten und flexible modulare Verzahnung gekennzeichnet. So wird Agilität möglich – die Fähigkeit einer Organisation, flexibel, anpassungsfähig und initiativ zu agieren. Kulturell sind Mitarbeitende und Führungskräfte von netzwerkfähigen Unternehmen in der Lage, über das eigene Bereichs- oder Unternehmenssilo hinweg, verzahnt und schnell entlang der Wertschöpfungskette im Gesamtzusammenhang zu denken und zu handeln. Es gilt daher, die Instrumente zur Verzahnung zwischen den Mitarbeitenden, wie interne Wissensplattformen und agile Projektarbeitstools, nutzbar zu machen. Marktfähigkeit für Individuen und Organisationen hängt in immer größerem Ausmaß von relevantem Know-how und persönlichen Wertbeiträgen ab. Nur Arbeitgeber, die vernetztes und eigenverantwortliches Arbeiten ermöglichen, bleiben attraktiv. Daher wird die Innovationskompetenz zum zentralen Schlüsselfaktor. Sie hat sich dabei von der technologiegetriebenen Innovationskompetenz, sozusagen der Version 1.0, über die kundenorientierte (Version 2.0) hin zu einer netzwerkbasierten Innovationskompetenz mit Partnern (Version 3.0) entwickelt, wobei in der letztgenannten Variante ein grenzüberschreitendes Zusammenspiel verschiedener Organisationen ohne zentrale Steuerung stattfindet. 1 Bis heute waren Innovationen stets technologisch geprägt. Im digitalen Zeitalter ist der Blick auf die Kundenbedürfnisse und die Ableitung der entscheidenden kleinen Unterschiede der zentrale Faktor, um den Effekt der kritischen Masse an Usern zu erzielen. Methoden wie Design Thinking und Customer Experience ermöglichen ein permanentes Monitoring der Entwicklung der Bedürfnisse. Sie stammen aus der Konsumgüterindustrie, die schon lange von extrem kurzen Zyklen geprägt ist und in der daher die Fähigkeit zur unmittelbaren Reaktion auf veränderte Kundenbedürfnisse eine entscheidende Kernkompetenz war. Die Kundenbedürfnisse werden aber teilweise erst – wie im Fall einiger Apple-Produkte – durch die Entwicklung dieser Produkte geweckt. Nun gilt es, die Verbund-Lernfähigkeit aufzubauen – Kooperation und Austausch in den Netzwerken werden über das Überleben entscheiden. FAZIT Das Züricher-Modell ist ein Analysemodell, das die Kundenbedürfnisse in den Mittelpunkt der strategischen, strukturellen und kulturellen Analysen stellt und so einen Orientierungsrahmen für die agile Veränderung der Geschäftsmodelle bietet. Netzwerkfähigkeit wird dabei zum zentralen Erfolgsfaktor in der digitalisierten Bankenwelt. Die Entwicklung zukunftsfähiger USPs geht dabei stringent vom Kunden aus. Die Planung erfolgt nicht langfristig, sondern ist ein permanenter Iterationsprozess. Die Strukturen sind agil und netzwerkfähig, Führung und Kooperation geschehen durch Verzahnung von Sichtweisen und Argumenten sowohl innerhalb der Banken als auch vermehrt im Rahmen von digitalen Ökosystemen. Autoren: Prof. Dr. Bernhard Koye ist Institutsleiter, Prof. Dr. Stefanie Auge-Dickhut ist Forschungsleiterin am Schweizerischen Institut für Finanzausbildung (SIF), Kalaidos Fachhochschule, Zürich. 1 Vgl. „Muss das sein?“, Zillner & Krusche, 2012, S. 29. 08 // 2017 73
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