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die bank 08 // 2016

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die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

ó BETRIEBSWIRTSCHAFT

ó BETRIEBSWIRTSCHAFT PRIIPs setzt Produktanbieter unter Zugzwang MARKTINFRASTRUKTUR Die Umsetzung der europäischen PRIIPs-Verordnung ist eine der drängendsten Aufgaben, die die Finanzbranche derzeit zu bewältigen hat. Anbieter von verpackten Anlageprodukten für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukten (PRIIPs) müssen ab dem 1. Januar 2017 Basisinformationsblätter (Key Information Documents, KIDs) nach einheitlichen Vorgaben erstellen und veröffentlichen. Davon sind vor allem Emittenten von Investmentfonds und strukturierten Produkten betroffen. Besonders herausfordernd ist die Berechnung neuer Risikokennzahlen und Performance-Szenarien. Sie sollen das Risikoprofil eines Produkts auf wenige Zahlen verdichten. Der Berechnungsaufwand ist insbesondere für strukturierte Produkte jedoch alles andere als trivial – der Nutzen für Anleger nicht garantiert. Simon Ullrich Keywords: Finanzmarkt, Regulierung, Anlegerschutz Die Veröffentlichung von KIDs ist für Fonds- und Zertifikate-Emittenten kein Novum. Bereits seit mehreren Jahren veröffentlichen sie Produktinformationsblätter (PIB), die dem gleichen Zweck dienen wie die neuen KIDs – nämlich der kompakten und verständlichen Information des Anlegers über das jeweilige Produkt und die damit verbundenen Risiken. Neu und dementsprechend aufwändig in der Umsetzung ist jedoch der Ausweis des sogenannten Gesamtrisikoindikators (Summary Risk Indicator, SRI) und mehrerer Performance-Szenarien auf Grundlage einer einheitlichen vom Regulierer vorgeschriebenen Berechnungsmethodik. Hinzu kommt, dass die Kennzahlen nicht nur einmal bei Emission, sondern vielmehr fortlaufend – mindestens einmal täglich – berechnet werden müssen. Dies sorgt vor allem bei strukturierten Produkten, von denen es in Deutschland aktuell mehr als eine Million gibt, für beachtlichen Rechenaufwand. Berechnungsaufwand für neue Kennzahlen erheblich Wie sehen die Berechnungen nun konkret aus? Die PRIIPs-Verordnung schreibt vor, auf Basis historischer Performance-Daten des Fonds bzw. des Basiswerts eine Verteilungsfunktion künftiger Auszahlungen zu erzeugen. Bei Zertifikaten wird dies über eine Forward-Simulation des Basiswerts realisiert – bei Investmentfonds über die sogenannte Cornish-Fisher-Methode. Bei beiden Verfahren gibt es eine Drift-Korrektur, die historische Kurs-Trends neutralisiert. Damit spiegelt die Verteilungsfunktion einzig die dem Basiswert in den vergangenen fünf Jahren innewohnende Volatilität wider. Anhand der erzeugten Verteilungsfunktion lässt sich zum einen der Valueat-Risk (VaR) ermitteln. Es ist jener Wert auf der Verteilungsfunktion, der nur in 2,5 Prozent der Fälle unterschritten wird und der zur Bestimmung des Gesamtrisikoindikators (SRI) dient. Zum anderen lassen sich damit auch die drei geforderten Performance-Szenarien errechnen. Sie stehen für das 10 Prozent-, 50 Prozent- und das 90 Prozent-Quantil der Verteilungsfunktion – und werden als „ungünstiges“, „moderates“ und „vorteilhaftes“ Szenario ausgewiesen. Ein Novum in diesem Kontext ist, dass die drei Szenarien nicht nur für die empfohlene Haltedauer – bei Zertifikaten in der Regel das Laufzeitende –, sondern auch für Zwischenzeitpunkte (Intermediate Holding Periods) gebildet werden müssen. Ein Beispiel: Für ein Produkt mit einer Restlaufzeit bzw. einer empfohlenen Haltedauer von vier Jahren müssen zusätzlich zum Laufzeitende Szenarien für ein und zwei Jahre Haltedauer dargestellt werden. Dies erhöht den Aufwand deutlich – vor allem für strukturierte Produkte. Nutzen versus Aufwand Die Berechnung der Kennzahlen und Performance-Szenarien erfolgt europaweit auf Grundlage des gleichen methodischen Fundaments. Das erhöht die Vergleichbarkeit für Anleger – sowohl in Bezug auf Produkte verschiedener Anbieter als auch zwischen verschiedenen Produkten. Dies ist ein Fortschritt im Vergleich 62 diebank 08.2016

BETRIEBSWIRTSCHAFT ó zur gegenwärtigen Heterogenität der Risikoklassifizierungssysteme und -kennzahlen. Die Hauptnachteile, die die PRIIPs-Verordnung mit sich bringt, sind der Aufwand und die damit verbundenen Kosten, die in letzter Konsequenz immer auch die Rendite des Anlegers schmälern. Die Kosten werden vor allem von den technologischen Anforderungen geprägt, die zur Erfüllung der PRIIPs-Verordnung nötig sind. Ein wesentlicher Aspekt dabei ist die schiere Anzahl und Vielfalt vor allem strukturierter Produkte. Einige Emittenten bieten Anlegern hunderte von verschiedenen Zertifikate-Profilen auf mindestens ebenso vielen Basiswerten an. Für jede Kombination aus Basiswert und Auszahlungsprofil müssen Berechnungsalgorithmen geschaffen und mit Marktdaten verknüpft werden. Eine weitere Herausforderung sind On-Demand- bzw. Real-Time-Emissionen. Einige Emittenten bieten Anlegern maßgeschneiderte Zertifikate an. Das Produkt wird den Vorstellungen des Anlegers entsprechend geschaffen und dann emittiert. Dies geschieht innerhalb weniger Augenblicke. Die Erstellung des KIDs und die Berechnung der Kennzahlen und Performance- Szenarien müssen selbstverständlich im gleichen Zeitfenster erfolgen. Ein ähnliches Vorgehen gilt für OTC- Derivate. Für Kunden, die beispielsweise ein Währungsabsicherungsgeschäft in Form eines Swaps tätigen, würde ein KID angefertigt, das die individuellen Merkmale ihres Kontrakts abbildet. Ein solches KID könnte zusammen mit den Kennzahl-Berechnungen allerdings erst in dem Augenblick erzeugt werden, in dem der Kontrakt geschlossen wird. Fazit Ab Anfang 2017 erhalten Verbraucher in der EU für alle verpackten Finanzprodukte wie Investmentfonds, kapitalbildende Lebensversicherungen und Zertifikate ein einheitliches Basisinformationsblatt nach dem Vorbild der wesentlichen Anlegerinformationen. Letztere sind für Publikumsfonds auf Grundlage der OGAW-Richtlinie bereits seit Mitte 2011 vorgeschrieben. Die Informationen für die Anleger umfassen die wichtigsten Merkmale der jeweiligen Produkte, insbesondere deren Risiken und Kosten. Für zertifizierte Riester-Produkte hat der nationale Gesetzgeber 2013 die Voraussetzungen für ein einheitliches Produktinformationsblatt geschaffen. Sie sind daher von den Anforderungen der Verordnung ausgenommen. Die fortbestehenden Unsicherheiten über die Berechnungsmethoden sowie das komplexe Gesetzgebungsverfahren für die Technischen Regulierungsstandards lassen die Verabschiedung der Level-2-Vorgaben frühestens im Herbst 2016 erwarten. Damit blieben den Produktanbietern nur wenige Monate, um PRIIPs-Basisinformationsblätter für alle im Vertrieb befindlichen Produkte zu erstellen. Die Auswirkungen der PRIIPs- Verordnung lassen erahnen, dass die prozessuale und technologische Komplexität alle Fonds- und Zertifikate-Anbieter in den kommenden Monaten in Atem halten wird. Ob der ganze Aufwand lohnt und die neuen Kennzahlen Anlegern ein deutlich besseres Verständnis der Risiken ihrer Investments ermöglichen, ist keineswegs ausgemacht. Dies wird sich in den kommenden Jahren zeigen müssen. Fraglich ist auch, ob der Fahrplan zu halten sein wird. Für viele Unternehmen in der Finanzbranche ist die Frist zur Erstellung dieser Informationen äußerst knapp. ó Autor: Simon Ullrich ist Geschäftsführer der SmartTrade GmbH, Berlin. 08.2016 diebank 63

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