ó FINANZMARKT Gründungswelle in den 1850er-Jahren – rund 30 weitere, teilweise sehr kleine Notenbanken, einige davon auch in Preußen. Doch seit der Umwandlung 1846 dominierte die Preußische Bank mit großem Abstand. Der Anteil ihres Notenumlaufs am gesamten deutschen Banknotenumlauf betrug in den 1860er-Jahren etwa 65 bis 70 Prozent. 5 Ihr Notenumlauf war also doppelt so groß wie der aller übrigen Notenbanken in Deutschland zusammengenommen. Die solide Geschäftspolitik der Preußischen Bank dürfte dazu beigetragen haben, dass sich die Banknote (von Zeitgenossen oft als „Zettel“ bezeichnet) in Deutschland als Zahlungsmittel einbürgerte. Der liberale Reichstagsabgeordnete und Finanzfachmann Ludwig Bamberger äußerte damals, dass „in ganz Deutschland jeder Verkäufer einer Waare dieselbe mit Vergnügen ausliefert, wenn ihm der fl Nach der Gründung des deutschen Nationalstaats 1870/71 ging die Preußische Bank in einer neu zu errichtenden deutschen Zentralbank, der Reichsbank, auf. Preis in Zetteln bezahlt wird, auf welchen die Unterschrift der Preußischen Bank steht.“ 6 Es war deshalb nur folgerichtig, dass nach der Gründung des deutschen Nationalstaats 1870/71 die Preußische Bank in eine neu zu errichtende deutsche Zentralbank, der Reichsbank, aufging. Nach dem Bankgesetz vom 14. März 1875 übernahm die Reichsbank die Aktiva und Passiva der Preußischen Bank zum 1. Januar 1876. Der Präsident der Reichsbank und die Mitglieder des Direktoriums sollten laut Bankgesetz auf Vorschlag des „Bundesraths“ vom Kaiser auf Lebenszeit ernannt werden. Wie die Preußische Bank besaß auch die Reichsbank zahlreiche private Anteilseigner. Ende 1876 waren es etwas mehr als 8.000, davon knapp 1.400 aus dem Ausland. 7 Bis 1914 stieg die Zahl der inländischen Anteilseigner auf über 16.600, die der ausländischen auf gut 2.100. Eine Beilage zum Bankgesetz von 1875 listete neben der Reichsbank 32 weitere Banken auf, die im Deutschen Reich das Recht zur Banknotenemission besaßen. Die Reichsbank war jedoch von Beginn an ebenso vorherrschend wie es ihre Vorgängerin gewesen war. Der Umlauf der Reichsbanknoten betrug von Anfang an mehr als das Doppelte des Notenumlaufs aller übrigen 32 Privatnotenbanken. In den folgenden Jahren gaben nach und nach immer mehr Notenbanken das Banknotengeschäft auf, sodass der Anteil der Reichsbanknoten ständig weiter zunahm und ab 1902 auf über 90 Prozent, 1912 auf gut 94 Prozent des gesamten deutschen Banknotenumlaufs stieg. 8 Nach dem Bankgesetz von 1875 war die Reichsbank für die Regelung des Geldumlaufs „im gesammten Reichsgebiete“ verantwortlich. Gemäß den Regeln der vom Deutschen Reich eingeführten Goldwährung sollte sie Barrengold zum festen Preis von 1.392 Mark für ein Pfund Feingold gegen ihre Bank- Reichsbank, 100 Mark vom 3. September 1883 (160 x 105 mm) Die Reichsbank war die erste gesamtdeutsche Zentralnotenbank und somit Vorläuferin der Deutschen Bundesbank. Sie entstand durch Umwandlung der Preußischen Bank 1875. Ihre Glanzzeit war die Goldwährung bis 1914, in der sie Banknoten auf Verlangen des Inhabers in Gold einlöste. Zunächst gab es nur Reichsbanknoten zu 100 und 1.000 Mark. Erst 1906 kamen kleinere Stückelungen zu 50 und 20 Mark hinzu. 28 diebank 08.2016
FINANZMARKT ó Reichsbank, 1000 Reichsmark vom 11. Oktober 1924 (190 x 95 mm) Aufgrund der Währungsgesetze vom 30. August 1924 gab die Reichsbank nach der verheerenden Hyperinflation neue Banknoten in neuer Währung von 10 bis 1.000 Reichsmark aus. Trotz offizieller Gold-Devisen-Deckung war ein Eintausch der Banknoten in Gold nicht mehr möglich. Die Reichsbanknote zu 1.000 Reichsmark entsprach dem mehrfachen durchschnittlichen Monatseinkommen eines Angestellten oder Beamten. noten umtauschen und „nach Bedürfnis ihres Verkehrs“ Banknoten ausgeben. Zugleich war auch sie verpflichtet, ihre Banknoten zum vollen Nennwert einzutauschen und für mindestens ein Drittel der ausgegebenen Reichsbanknoten im Wesentlichen Gold vorzuhalten. Der Rest musste durch diskontierte Wechsel, für die „in der Regel drei, mindestens aber zwei als zahlungsfähig bekannte Verpflichtete haften“ mit höchstens drei Monaten Laufzeit gedeckt werden. „Das wichtigste Aktivgeschäft der Notenbanken ist die Wechseldiskontirung“, heißt es dementsprechend auch in dem von der Reichsbank aus Anlass ihres 25-jährigen Bestehens herausgegebenen Jubiläumsband. Dem Diskontsatz kam große geldpolitische Bedeutung als Leitzins zu. Er schwankte im Zeitalter der Goldwährung in Deutschland (1876 bis 1914) zwischen 3,0 und 7,5 Prozent. Selbst in der Deflationsphase 1882 bis 1886, als die Verbraucherpreise in Deutschland um gut zehn Prozent fielen, sank der Diskontsatz nicht unter drei Prozent. 9 Die deutsche Wirtschaft geriet dennoch in keine Depression. Trotz des Preisverfalls wuchs das Sozialprodukt in den Jahren 1882 bis 1886 um insgesamt mehr als zehn Prozent. 10 Ihre eigene Rolle und ihr Aufgabengebiet sah die Führung der Reichsbank wie folgt: „Die Reichsbank ist der letzte Rückhalt des inneren deutschen Geldverkehrs. Sie befriedigt jede Steigerung des an sie herantretenden Geldbedarfs aus eigenen Mitteln durch eine Vermehrung ihrer Notenausgabe, (…) während sie auf der anderen Seite durch die Festsetzung ihres Diskontsatzes den Geldbegehr regulirt und einer allzu starken Ausdehnung ihres Notenumlaufs entgegenwirkt.“ 11 Geldwertstabilität als Ziel geldpolitischer Maßnahmen oder ein Anstreben einer Inflationsrate von knapp unter zwei Prozent, wie es Politik der EZB ist, wäre der Reichsbank fremd gewesen. Gesetzliche Zahlungsmittel Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren Banknoten in Deutschland keine gesetzlichen Zahlungsmittel. Sie wurden es erst 1910, und das galt auch nur für die Reichsbanknoten. Grundsätzlich mussten Banknoten jedoch weiterhin auf Verlangen des Inhabers von der Notenbank in Gold eingelöst werden. Die Deutschen schätzten ihre Goldmünzen, die bis zum Ersten Weltkrieg den Zahlungsverkehr bestimmten. Während im Schnitt der Bevölkerung pro Kopf im Jahr 1913 weniger als eine einzige Banknote zur Verfügung stand, waren es immerhin vier Goldmünzen (Zehn- und Zwanzigmarkstücke). 12 fl Nach dem Bankgesetz von 1875 war die Reichsbank für die Regelung des Geldumlaufs „im gesammten Reichsgebiete“ verantwortlich. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Sommer 1914 bedeutete eine Zäsur für die Zentralbank. Die Einlösungspflicht für Banknoten in Gold wurde direkt zu Kriegsbeginn aufgehoben. Was als vorübergehende Maßnahme gedacht war – wie 1870/71 erhofften die Deutschen einen schnellen Sieg – geriet zur Abkehr vom klassischen Goldstandard. Die Goldmünzen verschwanden für immer aus dem deutschen Zahlungsverkehr. Das Deutsche Reich finanzierte nun einen immer größer werdenden Teil des Staatshaushalts über Kreditaufnahmen. 08.2016 diebank 29
ó BERUF & KARRIERE CAMILLE N. FOHL
ó PERSONALIEN fi PERSONALIEN AUFSI
ó CARTOON Die nächste Ausgabe die
INTRADAY LIQUIDITY RISK ERKENNEN, A
Laden...
Laden...
Laden...