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die bank 08 // 2015

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

ó BERUF & KARRIERE

ó BERUF & KARRIERE INGRID HENGSTER Bankerin aus Überzeugung fi AT THE TOP „Atemberaubend“ – dieser Begriff beschreibt am ehesten den Eindruck, der beim Blick aus den Bürofenstern von Ingrid Hengster aufkommt. Auf der einen Seite schweben die Augen des Betrachters über die satten Baumgipfel im Westen Frankfurts bis weit hinüber zum Taunus, aber der Blick aus dem anderen Bürofenster in Richtung Norden ist nicht minder beeindruckend: Er geht aus den Höhen des Bürogebäudes direkt hinunter zum in bunter Blütenpracht stehenden Palmengarten, einer der populären Sehenswürdigkeiten der Stadt am Main. Für die 1961 im österreichischen Linz geborene Bankerin ist das wohl so etwas wie der ideale Ort für kreatives Schaffen. Beim Blick aus den Fenstern nebenan rückt das vollständig durch Solarenergie versorgte Hochhaus der zur KfW-Banken- Die gebürtige Linzerin Ingrid Hengster hat Jura studiert und wurde 1983 an der Universität Salzburg promoviert. Gleich danach stieg sie ins Bankwesen ein. Stationen bei der Österreichischen Kontrollbank und der Commerzbank AG folgten Engagements bei der UBS, der CSFB, der ABN Amro und der Royal Bank of Scotland, bevor sie im April 2014 zur Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) stieß, wo sie seither Mitglied des Vorstands ist und unter anderem die Inlandsförderung verantwortet. gruppe gehörenden KfW-Ipex in den Blick des Betrachters. „Das ist das energieeffizienteste Bürogebäude Deutschlands“, sagt Hengster mit erkennbarem Stolz. Die promovierte Juristin wählt im Gespräch immer wieder Begriffe wie Verantwortung, Ökologie, Natur, Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Auch daran erkennt man, dass die KfW eine „völlig andere Bank“ ist. Ingrid Hengster wartet mit Charme, Charisma und einer ganzen Menge Fachwissen auf. Sie weicht keiner Frage aus, gibt klare und oft auch unerwartete Antworten. Wenn sie bei kritisch erscheinenden Fragen kein Blatt vor den Mund nimmt, dann spricht das für ihre Persönlichkeit und Stärke. So gibt sie frank und frei zu, dass im globalen Banking in den vergangenen Jahren nicht alles nach den ehrbaren Grundsätzen hanseatischer Kaufleute abgelaufen ist. „Es gab zu viele Exzesse“, sagt sie und will die Ursache dafür nicht allein in fehlenden Kontrollsystemen sehen. Banken sind nach den Auswüchsen der Vergangenheit heute wieder auf einem guten Weg. Dies zum einen, weil die vielfältigen Regulierungsbemühungen und Kontrollpläne greifen, aber auch, weil die Banken selbst in die Offensive gegangen sind und dadurch insgesamt mehr Transparenz geschaffen wird. „Der von den Banken eingeschlagene Weg macht Mut“, sagt Hengster. Auch beim Thema Geldsystem ist sie voll in ihrem Element. „Die Notenbanken haben mit ihrer üppigen Geldversorgung Zeit gewonnen und so die volkswirtschaftlichen Strukturen zur Lösung der Probleme unterstützt“, lobt sie die derzeit von vielen Seiten kritisierte „Handlanger-Politik“ der Zentralbanken. Das zur Verfügung gestellte billige Geld komme inzwischen dort an, wo es zur Lösung der Probleme beitragen könne. Das Deflations-Risiko nehme ab und es seien bereits mehrere positive Konjunktur-Signale zu erkennen. Was die Bankerin auszeichnet, ist die Offenheit, mit der sie zum Beispiel das Gegenargument annimmt, wonach im süßen Gift des billigen Geldes die explosive Gefahr einer Blasenbildung stecke. Sie rät dazu, all die kritischen und destabilisierenden Entwicklungen genau und sehr intensiv zu beobachten: „Ich glaube aber, dass die Notenbanken auf dem richtigem Weg sind“, zieht sie schließlich ein Fazit. Ob dieses eine aus Überzeugung oder aus der Hoffnung getroffene Aussage ist, wird wohl erst die Zukunft zeigen. Dass sich das Banking in den kommenden Jahren weiter verändern wird, steht für die Ehefrau und Mutter zweifelsfrei fest. Es sei davon auszugehen, dass die Welt erst 76 diebank 8.2015

BERUF & KARRIERE ó am Beginn der Digitalisierung des Wirtschafts- und Geldsystems stehe. Zum einen spreche beim Aufreger-Thema „Abschaffung des Bargelds“ sehr viel dafür, dass Artifical Money zum Megatrend werde. Und auch beim Mobile Banking stehe das Bankensystem erst am Anfang. Maßstab für die digitalisierte Welt seien die „Milleniums“, jene Menschen, die etwa zur Jahrtausendwende geboren wurden. Kein Wunder also, dass sich dieses Thema auch bei der KfW ganz oben auf der To-do-Liste befindet. Die Förderbank treibt unter dem Titel „Bankdurchleitung 2.0“ die Digitalisierung des Fördergeschäfts voran. Bis zum Jahr 2017 will das staatliche Finanzinstitut die wesentlichen Förderprogramme auf die neue Plattform gehoben haben. Aber auch beim Megatrend Digitalisierung lässt die Bankerin das Gegenargument der Gefahr „einer totaler Kontrolle durch den Staat“ und des „Risikos eines Bank-Runs durch die Sparer“ zu. Sie betont daher die Notwendigkeit zu einem Spagat zwischen Datenschutz und dem, was der Mensch will. Die KfW unterscheidet sich von anderen Banken u. a. auch durch ihre per Gesetz verankerte Subsidarität und unter anderem ihr Engagement im ökologischen Umfeld. Bei der Energiewende in Deutschland hat die Bank im privaten Bereich jährlich neun bis zehn Mrd. € an Finanzmitteln zur Verfügung gestellt. Doch auf diesen ökologischen Lorbeeren will sich das Institut nicht ausruhen. „Als Förderbank wollen wir jetzt auch gemeinsam mit dem BMWi im gewerblichen Klimaschutz unseren Beitrag leisten, weil 40 Prozent des Energieverbrauchs auf den gewerblichen Sektor entfallen“, sagt sie mit leuchtenden Augen. Man spürt, dass ihr dieses Thema besonders am Herzen liegt, wenn sie von ihren jüngsten Reisen nach China berichtet, wo man Deutschlands Energiewende als eine Art Vorbild sehe und ähnliche Wege beschreiten wolle. Eine der Stärken von Ingrid Hengster liegt im offenen Ansprechen von Schwächen. „Wenn nur rund 7 Prozent der Deutschen ihr Geld in Aktien investieren, wird ein riesiges Finanzierungspotenzial verschenkt“, kritisiert sie die hierzulande bestehende Lücke zwischen Fremd- und Eigenkapital. Diese Sicht der Dinge passt auch in eine der wesentlichen Aufgaben der KfW, die in der Finanzierung des Mittelstands liegt. Sie spricht diesen Punkt offen an: „Hier muss mehr getan werden.“ Ingrid Hengster ist eine der wenigen Frauen, die Top-Positionen in deutschen Unternehmen besetzen – und das mit großem Erfolg. „Hätten wir mehr Frauen in Führungspositionen gehabt, hätte es die Finanzkrise nicht gegeben“, hat der Gießener Psychoanalytiker Horst-Eberhardt Richter kurz nach dem Ausbruch der Krise im Jahr 2008 betont. „Frauen gehen bedachter vor und sind weniger bereit, schwer kontrollierbare Risiken einzugehen“, ergänzt Ingrid Hengster, die sich für mehr geschlechtlich gemischte Teams in allen Bereichen der Wirtschaft ausspricht. Grundsätzlich ist sie für die gesetzliche Frauenquote – so lange, bis dieses Ziel erreicht sei. „Bei der KfW stehen wir kurz davor, unsere freiwillig auferlegte Quote von 33 Prozent weiblicher Führungskräfte zu erlangen“, erklärt sie und betont die Notwendigkeit einer flexiblen Personalpolitik. „Wir müssen Frauen flexible Möglichkeiten bieten, Beruf und Familie stärker zu koordinieren.“ Sie selbst hat es geschafft, ihre Aufgaben als Ehefrau, Mutter und Bank-Vorstand bestens miteinander zu verbinden. „Sie ist ein wahres Organisations- Wunder“, sagt einer ihrer Kollegen. Wenn die Bankerin in diesem Kontext auf eingeschränkte Freizeit-Möglichkeiten hinweist, liegt das nicht zuletzt auch an den zahlreichen Mandaten und Ehrenämtern, die sie mit Überzeugung und Herzblut wahrnimmt. Sie ist nicht nur AR-Mitglied bei Thyssen-Krupp und der Deutschen Bahn, Verwaltungsrats-Mitglied bei der EIB, sondern auch Vorstandsmitglied bei der Atlantik-Brücke e.V. und nimmt darüber hinaus Aufgaben im Bundesverband öffentlicher Banken wahr. ó Jonas Dowen Kurz nachgefragt Gab es einen Auslöser für Ihren Berufsweg im Banking? Nein, nicht wirklich. Es ist wohl eher die Summe kleinerer Ereignisse und Auslöser. Haben Sie den Einstieg in die globale Finanzszene jemals bedauert? Nein! Was würden Sie bisher als ihre größte einzelne Leistung bezeichnen? Hier will ich keine Einzelleistung nennen. Um Führungspositionen ausfüllen zu können, sind unter anderem Neugierde, Beharrlichkeit, Flexibilität, Spaß und die Liebe zum Job notwendig. Und sehr wichtig ist es auch, wieder aufzustehen, wenn man einmal hinfällt. Wer hat Sie besonders geprägt? Es gab auf allen Entwicklungsebenen Menschen, die es gut mit mir meinten. Interessant erscheint mir in diesem Kontext, dass es meist weibliche Menschen waren, die mich geprägt haben. Was tun Sie in Ihrer Freizeit? Die Familie steht natürlich immer im Vordergrund. In der Freizeit zieht es mich in die Natur, zum Wandern und zum Sport. Darüber hinaus bin ich sehr stark kulturell interessiert. Sind Sie sportlich oder musisch aktiv? Ich habe früher Tennis gespielt und wandere heute noch sehr gerne. Darüber hinaus liebe ich Musik und gehe gern zu Konzerten oder ins Theater. Das scheine ich vererbt zu haben, denn auch mein Sohn ist sehr musikalisch. Welches große Ziel haben Sie sich für den Rest Ihres Lebens gesetzt? Ich habe großen Spaß daran, Dinge voranzutreiben und neue Akzente zu setzen. Ich will im Beruf etwas bewegen, indem ich das Inlandsgeschäft der Bank vorantreibe. Das bereitet mir eine Riesenfreude. 8.2015 diebank 77

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