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die bank 07 // 2023

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die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

MARKT

MARKT Immobiliengeschäft bricht ein Es sind jedoch nicht nur die gestiegenen Immobilienpreise, die den Interessenten zu schaffen machen. Auch die Kosten für Baumaterialien stiegen im Zug von Lieferengpässen und Rohstoffknappheiten sowie sanktionierten und reduzierten Importen für Baustoffe aus Russland und Belarus stark an. Hinzu kommt, dass infolge der Inflation die gesamten Lebenshaltungskosten quasi explodieren und das Geld für Baukredite immer knapper wird. In der medialen Berichterstattung wird die Lage angehender Immobilienbesitzer deshalb regelmäßig kommentiert. Zu lesen ist von Projektträgern, die ihre Bauprojekte auf Eis gelegt haben, und von Familien, für die die Neubaufinanzierung zu einem unlösbaren Kraftakt oder gar zum Alptraum wird. Aber auch der Kauf von Bestandsgebäuden gestaltet sich momentan zu einem fast unerschwinglichen Unterfangen. Zu dem Mix aus Zinswende, hohen Inflationsraten und drastisch gestiegenen Immobilien- und Baupreisen kommen nämlich noch die geplanten und wenig kalkulierbaren gesetzgeberischen Klimaschutzvorschriften hinzu, die im Ergebnis für eine weitere Unsicherheit am Immobilienmarkt sorgen. Wie sehr die Zinswende die monatliche Finanzierungsrate in die Höhe getrieben hat, veranschaulicht ein Rechenbeispiel der Online- Plattform Immoscout24. Danach musste ein Darlehensnehmer, der im Oktober 2017 eine Finanzierung zu einem Zinssatz von 1,7 Prozent und einem Tilgungssatz von 2 Prozent mit einer Zinsbindung von fünf Jahren abgeschlossen hat, für ein Darlehen in Höhe von 400.000 Euro eine monatliche Rate von rund 1.233 Euro zahlen. Für die gleiche Finanzierung legt der Darlehensnehmer bei einem Zinssatz von 4 Prozent nun knapp 2.000 Euro im Monat hin, das entspricht einem Plus von 767 Euro oder 62 Prozent. In Anbetracht dieser Umstände kann auch die Tatsache, dass die Zinsen im historischen Vergleich immer noch niedrig sind, nur wenig trösten. Zwar mussten in den 1990er-Jahren Bauherren und Immobilienkäufer noch 9 Prozent und mehr an Zinsen zahlen. Allerdings benötigten sie damals auch deutlich weniger Eigenkapital, um die Kaufpreise und die vergleichsweise niedrigen Kaufnebenkosten zu stemmen. Für viele angehende Immobilienbesitzer ist deshalb „watch and wait“ die einzig sinnvolle Strategie, um sich finanziell nicht zu übernehmen. Die Kreditinstitute haben die Zurückhaltung der Verbraucher bereits zu spüren bekommen. Laut den Daten des Verbands Deutscher Pfandbriefbanken brach das Neugeschäft für Wohnimmobilienfinanzierungen im ersten Quartal 2023 gegenüber dem Vergleichszeitraum 2022 drastisch um 49,2 Prozent ein. Bei den Gewerbeimmobilienfinanzierungen sieht es ähnlich düster aus. Im Vergleich zum ersten Quartal 2022 ging das Volumen an Gewerbeimmobilien-Finanzierungen in den ersten drei Monaten des Jahres 2023 um 45 Prozent zurück. 28 07 | 2023

MARKT 1 | Effektivzinssatz für Kredite (Neugeschäft) an private Haushalte 6,0 5,0 4,0 3,0 2,0 1,0 0,0 2003-01 2003-05 2003-09 2004-01 2004-05 2004-09 2005-01 2005-05 2005-09 2006-01 2006-05 2006-09 2007-01 2007-05 2007-09 2008-01 2008-05 2008-09 2009-01 2009-05 2009-09 2010-01 2010-05 2010-09 2011-01 2011-05 2011-09 2012-01 2012-05 2012-09 2013-01 2013-05 2013-09 2014-01 2014-05 2014-09 2015-01 2015-05 2015-09 2016-01 2016-05 2016-09 2017-01 2017-05 2017-09 2018-01 2018-05 2018-09 2019-01 2019-05 2019-09 2020-01 2020-05 2020-09 2021-01 2021-05 2021-09 2022-01 2022-05 2022-09 2023-01 2023-05 Quelle: Deutsche Bundesbank. Leitzinssenkungen für 2024 erwartet Die Zinswende hat auch zu deutlich mehr Risiken bei der Anschlussfinanzierung geführt. Diese Tatsache findet jedoch weitaus weniger Beachtung als das Neugeschäft. Baufinanzierungen werden üblicherweise als annuitätische Darlehen mit einer Zinsbindung von zehn, 15 oder mehr Jahren abgeschlossen. Diese Zeit reicht allerdings oftmals nicht aus, um den Immobilienkredit komplett zurückzuführen. Daher ist eine Anschlussfinanzierung durch Umschuldung oder Prolongation zwingend notwendig. Die Möglichkeit, den gestiegenen Zinskosten auszuweichen, besteht so gut wie nicht. Wie aus der Zinsstatistik der Deutschen Bundesbank hervorgeht, sind Kunden, die in den Jahren 2008 bis 2011 Darlehen für 15 Jahre abgeschlossen haben, aktuell nicht betroffen, denn damals lagen die Bauzinsen ähnlich hoch wie heute. Ebenso wenig sind Kunden betroffen, die für ihre Anschlussfinanzierung noch in den Genuss der Niedrigzinsphase gekommen sind und den neuen Anschlusskredit dann ausreichend lange festgezurrt haben. Die steigenden Zinsen stellen aktuell vielmehr ein Risiko vor allem für solche Immobilienbesitzer dar, die Ende 2014 einen Darlehensvertrag unter Einsatz eines grenzwertig hohen Haushaltsnettoeinkommens abgeschlossen ha- 07 | 2023 29

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