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die bank 07 // 2021

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die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

MARKT 2 | Eine Welt ist

MARKT 2 | Eine Welt ist nicht genug Benötigte Erden, wenn die Lebensgewohheiten weltweit so wären wie in folgenden Ländern USA 5,03 Australien 4,55 Österreich 3,77 Russland 3,43 Deutschland Frankreich 2,94 2,88 UK 2,63 China 2,32 Indien 0,75 Welt 1,75 Quelle: Global Footprint Network. aus. Dies ist der Tag, an dem die Menschheit ihr Budget an natürlichen Ressourcen für das Jahr aufgebraucht hat. Er fiel 2020 auf den 22. August. In diesem Jahr waren die nachhaltig nutzbaren Ressourcen der Erde bereits am 29. Juli aufgebraucht, sodass ab diesem Tag rein rechnerisch die Ausbeutung des Planeten beginnt. ÿ 2 Neue Ära für Kreditinstitute Auch wenn die Abkehr von einer pronatalistischen Bevölkerungspolitik momentan noch eine Vision ist, so sollte sie bereits jetzt auf der strategischen Agenda der Kreditinstitute stehen. Schließlich gehört nicht viel Fantasie dazu, dass ein gewollter Bevölkerungsrückgang auch einen Schrumpfungsprozess des Bankensektors in Gang setzen würde. Denn auch Bankenwachstum funktioniert nur, wenn ausreichend KundInnen vorhanden sind, die Bankdienstleistungen und -produkte nachfragen und darüber hinaus bereit sind, für diese einen angemessenen Preis zu zahlen. Nicht sonderlich überraschend ist auch, dass der Prozess des Schrumpfens nicht ad hoc eintreten wird, sondern sich langfristig vollziehen und sich zunächst in einer Überalterung der Bevölkerung manifestieren wird. Dementsprechend wird der Bedarf an Altersvorsorge- und speziellen Versicherungsprodukten zunächst steigen, ebenso die Nachfrage nach nachhaltigen Investmentprodukten. Erhöhen dürfte sich auch das Interesse an Beratungsleistungen, die sich mit der Nachfolgeplanung und der Stiftungsgründung befassen, weil Firmengründer und Stifter weniger Nachfolger und natürliche Erben haben. Im Gegenzug ist aber auch abzusehen, dass das Kreditneugeschäft sinken wird, weil Unternehmen weniger investieren und auch Verbraucher aus Altersgründen weniger Kredite nachfragen werden. Unter den Banken selbst wird es zu einem verstärkten Wettbewerb kommen, denn weiter sinkende Margen werden das Geschäft zunehmend gefährden. Klar ist auch, dass die privaten Banken die Auswirkungen dieses speziellen demografischen Wandels besser abfedern können als die Sparkassen, da sie eben nicht dem Regionalprinzip verpflichtet sind, das Präsenz und Geschäftstätigkeit auf eine angestammte Heimatregion konzentriert. Alle diese Erkenntnisse sind nicht neu, schließlich haben sich Experten u. a. bei der EZB schon vor Jahren mit den Auswirkungen demografischer Effekte wie Alterung und Abwanderung auf den Bankensektor befasst. Wirklich neu ist hingegen die Fragestellung, was passieren würde, wenn eine antinatalistische Demografie-Strategie zur gelebten Normalität würde, es also irgendwann flächendeckend deutlich weniger Menschen als heutzutage gäbe. Die Antwort lautet, dass sich ein neues Gleichgewicht mit weniger Banken und weniger KundInnen einstellen wird. Die Herausforderung für Kreditinstitute würde daher lauten, diesen bewusst herbeigeführten Schrumpfungsprozess aktiv zu gestalten und sich in ihm neu zu erfinden. Zeitgeist und Richtungswechsel erkennen In den obersten Führungsetagen der großen Geldhäuser ist der fühlbare Veränderungsdruck und dessen Tragweite auf die Bankenlandschaft noch nicht angekommen. Denn für viele Vorstände und Top-Entscheider in Bankhäusern dürfte ein solches Szenario noch völlig abwegig sein. So teilten die Deutsche Bank sowie auch die Commerzbank auf Anfrage mit, dass sie zum Thema „bankinterner Anpassungsprozesse an einen visionären globalen Bevölkerungsrückgang“ nicht weiterhelfen können. Die Commerzbank verwies in diesem Zusammenhang allerdings auf ihre Nachhaltigkeits- 12 07 // 2021

strategie: „Bis spätestens 2050 soll unser Kredit- und Investmentportfolio auf einen CO2- Ausstoß von netto 0 gestellt sein. Für unseren eigenen Bankbetrieb haben wir uns dieses Ziel bereits für 2040 gesetzt, inklusive klimaneutralem Lieferantenportfolio. Hinzu kommen 300 Mrd. € für nachhaltige Produkte bis spätestens 2025.“ FAZIT Bevölkerungswachstum hinterfragen Dennoch gibt es sie, die Menschen, die mit einem anderen Blick auf die Erde schauen und die die negativen Auswirkungen des Bevölkerungswachstums grundsätzlich hinterfragen. Für die Gesetze zum Kohleausstieg, zum Umbau der Mobilität und einer zunehmenden CO2-Bepreisung nur sinnlose Makulatur sind, die nur Symptome behandeln, statt an der Ursache anzusetzen. Das gilt ebenso für die gut gemeinten Bemühungen um Klima- und Tierschutz bis hin zum Klimafasten. Die angloamerikanische Bewegung VHEMT nimmt hier eine Vorreiterfunktion ein. Die Abkürzung VHEMT steht für Voluntary Human Extinction Movement und bedeutet die freiwillige Selbstverpflichtung, sich nicht mehr fortzupflanzen, um wieder einen gesunden Zustand der Erde zu erreichen. Der erstarrten Klimadebatte Gestalt zu geben, versucht auch eine von der European Strategy and Policy Analysis System (ESPAS) veröffentlichte Studie mit dem Titel „Global Trends to 2030: Challenges and Choices for Europe“, die die vorherrschenden Megatrends Klimawandel, Demografie, Urbanisierung, Wirtschaftswachstum, Energieverbrauch, Konnektivität und Geopolitik untersucht. Danach ist der lang bekannte Klimawandel das drängendste politische Thema der Gegenwart. Die Studienautoren zeichnen ein nahezu apokalyptisches Zukunftsbild: Sie schätzen, dass die Welt im Jahr 2030 um 1,5 Grad wärmer sein wird als in vorindustriellen Zeiten. Heißere Sommer in ganz Europa, in den Vereinigten Staaten, den südlichen Nachbarländern und Asien werden die Norm sein und zu einem vermehrten Auftreten von Dürren und Waldbränden führen, die wiederum die Gesundheitskos- Das Jahr 2021 droht zu einem Jahr der Extremwetterereignisse zu werden. Ob diese Vorfälle nur Zufall oder dem Klimawandel ten pro Hitzewelle geschuldet sind, sei vorerst dahingestellt. Grund zur Sorge besteht dennoch, denn die Dinge laufen zusehends aus dem Ru- und auch die Armut in vielen Ländern der, wie aktuelle Studien und auch die Faktenlage zeigen. Wer steigen lassen. immer noch nicht begriffen hat, dass nur eine auf Schrumpfung Klimatologen, ausgerichtete Bevölkerungspolitik den ökologischen Kippmoment zu verhindern vermag, der sollte sich einmal vorstellen, wie Biologen, Philosophen, Ethiker und die Welt von morgen aussehen wird, die elf Milliarden Menschen Epidemiologen machen ferner darauf Kreditinstitute sollten die Aufbruchstimmung und die Tatsa- ernähren und beherbergen muss. aufmerksam, dass che, dass der Geist der Zeit gerade dabei ist, die Gesellschaft ein Zusammenhang radikal zu verändern, als Chance sehen und diese zum Anlass zwischen der Corona-Pandemie und ihre momentane strategische Ausrichtung neu zu justieren. nehmen, ihre Aufgaben und Rollen neu zu überdenken und dem ökologischen Vorrangige Aufgabe wird es sein, Szenarien zu entwickeln, die Zustand der Erde die Tragweite eines globalen Bevölkerungsrückgangs auf die besteht. Manche Bankenlandschaft abschätzen und in denen sich das Kreditinstitut wettbewerbs- und renditefähig aufstellen kann. Natürlich sprechen gar von einer „ökologischen braucht ein solcher radikaler Richtungswechsel auch starke Verbundkrise“, bei und besondere Führungspersönlichkeiten, die sich von tradierten Denkmustern lösen können und offen für ein Umdenken der die momentane virale Pandemie als sind. ein „End-of-Pipe- Phänomen“ aufgefasst werden kann, bei dem sich die negativen Faktoren wie Bevölkerungsdichte, Verschwendung und ein fehlerhafter Umgang mit Naturressourcen zu einer komplexen Wirkungskette verdichten und gegenseitig kumulieren. 1 Angesichts der aus dem Takt gekommenen Ökosysteme könnte die Corona-Pandemie somit durchaus der Anfang weiterer tödlicher Viruserkrankungen oder unbekannter pathogener Keime sein. Autorin Carmen Mausbach. Die Diplom- Kauffrau ist seit 2002 als freie Wirtschaftsjournalistin tätig. Ein weiterer Schwerpunkt ihrer Tätigkeit ist die redaktionelle Mitarbeit im Bus-Netzwerk für betriebswirtschaftliche und steuerliche Fachinformationen. 1 Vgl. dazu etwa Wanner, Heinz, Corona – Ausdruck einer ökologischen Verbundkrise, Infosperber, 10. April 2020; Interview mit Gertraud Schüpbach, Professorin für Veterinary Public Health an der Universität Bern, NZZ, 8. April 2020. 07 // 2021 13

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