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die bank 07 // 2018

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

BERUF & KARRIERE 1 |

BERUF & KARRIERE 1 | Jeder Mensch durchläuft im Rahmen der Veränderung die sogenannte Change-Curve y = Motivation/Performance Vorahnung Verneinung Integration Ärger Neugier Schock Krise "Tal der Tränen" x = Zeit Quelle: BLC. te Richtung verändern, wenn das angestrebte Verhalten vorgelebt wird. Oder, wie Gandhi sagte: „Be the change you wish to see in the world.“ Die durch die Führungskräfte eingeforderte Veränderung beginnt eben bei diesen Entscheidungsträgern selbst. Demonstriert die Führungsebene glaubhaft Veränderungskompetenz und -bereitschaft, kann dieses Verhalten auch von den Mitarbeitern erwartet und eingefordert werden. Dabei muss sich die Führungskraft immer wieder selbst hinterfragen: Kommuniziere ich das Zielbild glaubhaft? Stehen meine Entscheidungen im Einklang mit diesem Zielbild? Ist meine eigene Verhaltensänderung spürbar und sichtbar für meine Mitarbeiter? Letztlich gilt: Ist die Führungskraft selbst Teil der Veränderung, werden die Mitarbeiter das Verhalten beobachten, nachahmen und in die Organisation weitertragen. Anstelle des Lippenbekenntnisses tritt eine echte Verhaltensänderung – und über den Zeitablauf auch eine Veränderung der Unternehmenskultur. Nichts geschieht über Nacht Teil der Veränderung sein, das eigene Verhalten anpassen und Mitarbeiter motivieren – das ist leichter gesagt als getan. An dieser Stelle wird häufig das Bild der Change Curve hinzugezogen, in der die Emotionen im Veränderungsprozess beschrieben werden. ÿ 1 Dabei beginnt die erste Phase mit einer Vorahnung, einem unguten Gefühl, bevor die Vermutung zur Realität wird – die Leistungskurve fällt ab. Nachdem der erste Schock verdaut ist, zieht das Mantra „Es ist doch alles gar nicht so schlimm“ durch die Köpfe, die Produktivitätskurve zeigt wieder nach oben. Letztlich sickert aber doch die Botschaft „Es gibt keinen Weg zurück“ durch. Der vormals positive Geist „Wir schaffen das schon“ kehrt sich in Ärger und Abwehr um. Der Weg ins „Tal der Tränen“ hat begonnen. Mit Angeboten zur Beteiligung und zur Erprobung der Veränderung im Rahmen von Change-Management-Maßnahmen wird die Neugier geweckt. Mit der gewonnenen Neugier steigt die Leistungskurve wieder nach oben und kann durch kontinuierliches Ausprobieren und Anwenden weiter verstetigt werden bis die Neuausrichtung akzeptiert und im Alltag verankert ist. Ein wichtiger Punkt: Jeder Mensch durchläuft diese Change Curve abhängig von Persönlichkeit und Situation mal schneller, mal langsamer – selbst wenn er Veränderungsprofi ist. Effektives Change-Management kann den Verlauf dabei lediglich beschleunigen und die Ausprägungen der Kurve reduzieren, den Eintritt in das sogenannte „Tal der Tränen“ kann auch der beste Change-Manager nicht verhindern. Unter diesen Annahmen durchlaufen alle Teilnehmer einer Organisation bei jeder angestoßenen Reform die Change Curve – nur eben zeitversetzt. Während das Top-Management mit dem Aufsatz eines Projekts die angestoßene Veränderung gedanklich bereits in das Tagesgeschäft integriert hat, befinden sich die Führungskräfte noch im Tal der Tränen. Sie haben sich zeitlich deutlich später mit der Thematik befasst und stehen erst auf der Hälfte der Change Curve. Die Mitarbeiter sind zu diesem Zeitpunkt noch ganz am Anfang – und bleiben mit ihrem unguten Gefühl auch häufig allein. Die Führungskraft im Sandwich Führungskräfte befinden sich in einer Phase der Transformation und mit Blick auf die Change Curve immer in einer undankbaren Sandwichposition zwischen ihrem Vorgesetzten und den eigenen Mitarbeitern. Für das 68 07 // 2018

BERUF & KARRIERE Z Z Aufgabenprofil einer Führungskraft bedeutet das ein extremes Spannungsfeld: Auf der einen Seite sind sie aktiver Change-Manager für ihre Mitarbeiter, die phasenabhängig einen Ansprechpartner, ein Ventil oder einen Motivator einfordern. Auf der anderen Seite fordert der Vorgesetzte eine schnelle und erfolgreiche Umsetzung des Veränderungsvorhabens ein. Gleichzeitig muss der Spagat zwischen dem Projekt- und dem Tagesgeschäft gelingen: Während das Tagesgeschäft weiter reibungslos und stabil laufen muss, sind im Projektgeschäft Mitgestaltung und Verantwortungsübernahme gefragt. Die eigene Auseinandersetzung mit der Neuerung erfolgt on top. Damit ein nachhaltiger Wandel und der Weg hin zu einer veränderungsförderlichen Organisation gelingen kann, braucht es deshalb starke Führungskräfte: Als Mitgestalter in der Projektarbeit, als Motivatoren und Stimmungsfänger für die Mitarbeiter, als verlässlicher Partner für die darüber liegende Führungsetage und als ruhiger Steuermann im Tagesgeschäft. Die Ausübung vieler verschiedener Rollen führt schnell zur Überlastung – und bremst im Zweifel den Veränderungsprozess schneller aus als er begonnen hat. Damit eine Führungskraft ihre zentrale Rolle im Transformationsprozess einnehmen kann, braucht sie Unterstützung: Z Rückendeckung durch den eigenen Chef: Diese kann situationsabhängig Entscheidungskonsequenz oder Entscheidungsfreude des Vorgesetzten bedeuten. Gleichzeitig braucht auch die Führungskraft eine Orientierung und ein Vorbild, an dem sie das eigene Verhalten ausrichten kann. Z Wissensaufbau Change-Management: Die Handhabung von Widerständen will gelernt sein, ebenso die Change-Kommunikation. Frustration, Demotivation und Spannungen im Team sind im Transformationsprozess programmiert und schlagen in der Regel zunächst bei der Führungskraft auf. Symptome des Widerstands zu erkennen, zu adressieren und den Widerstand in positive Energie umzuwandeln, ist für viele Mitarbeiter in Leitungspositionen eine Herausforderung. Schulungsangebote im Rahmen der Führungskräfteentwicklung sind dabei eine wesentliche Ressource. Klares Anforderungsprofil für die Projektarbeit: Mitgestaltung bei der Umsetzung einer angestrebten Veränderung ist einer der Klassiker im Changemangement. Darüber hinaus sind Führungskräfte als Experten der Praxis unverzichtbar. Eine effektive Meetingkultur, Klarheit zur eigenen Rolle und der damit verbundenen Rolle im Projekt und Verfügbarkeit von fachlicher Unterstützung geben Orientierung und ermöglichen die Priorisierung von Aufgaben. Mit eindeutigen Anforderungsprofilen und einem klar kommunizierten Zeitplan können Projektverantwortliche eingebundene Führungskräfte sinnvoll unterstützen. Unterstützung im Arbeitsalltag: Ein reibungslos laufendes Tagesgeschäft ist die notwendige Bedingung dafür, dass sich eine Führungskraft nicht nur fachlich, sondern auch mit der entsprechenden Zeit in die Projektarbeit einbringen kann. Einige Aufgaben aus dem Tagesgeschäft können nicht delegiert werden, andere schon. Und häufig gibt es Mitarbeiter in der eigenen Abteilung, die gerne mehr Verantwortung tragen möchten und sich über eine temporäre Übernahme von Aufgabe für mehr empfehlen möchten. Das Loslassen und die Delegation von Aufgaben liegen in den Händen der Führungskraft selbst. Auch dabei hilft die Rückendeckung des eigenen Vorgesetzten. FAZIT Die Veränderungsdynamik in Banken wird eher zu- als abnehmen. Digitalisierung, Ergebnisdruck, ein anderes Kundenverhalten und ein sich immer schneller veränderndes Marktumfeld mit ständig neuen Produkten und Akteuren fordern Flexibilität, Agilität und Umdenken von allen Mitarbeitern eines Kreditinstituts. In der Vergangenheit wenig relevant, wird die Fähigkeit zum Umgang mit Veränderungen ein entscheidender Erfolgsfaktor für Banken – nicht nur im Umgang mit dem Wandel selber, auch im Ringen um qualifiziertes Fachpersonal. Trotz des erheblichen Stellhebels der Organisationskultur gibt es in den wenigsten Häusern eine echte Diskussion – weder zur Ist-Kultur noch zur Soll-Kultur. Wer den Weg jedoch einschlägt, braucht Ausdauer und starke Führungskräfte. Diese Entscheider wiederum brauchen Training und verlässliche Partner bei ihren vielseitigen Aufgaben – ein klarer Auftrag für das Management, die HR-Abteilung, Projektverantwortliche und nicht zuletzt die Führungskraft selbst. Autorin Anna-Lena Kuhlmann ist Manager bei Berg Lund & Company tätig. Neben der Beratung von Finanzdienstleistern bei vertriebsstrategischen Fragestellungen, Digitalisierungsprojekten und dem analytischen CRM begleitet sie als zentrale Change-Managerin auch den Transformationsprozess von Banken. 1 BLC-Studie: Unternehmenssteuerung 2016. 07 // 2018 69

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