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die bank 07 // 2018

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

MANAGEMENT

MANAGEMENT KOMPENSIERENDE WIRKUNG ZWISCHEN KONDITIONS- UND FRISTENTRANSFORMATIONSMARGE? Die Illusion im Bilanzstrukturmanagement Im klassischen Bilanzstrukturmanagement der Banken wird im Zinsgeschäft häufig von einer kompensierenden Wirkung zwischen dem Kundengeschäft (der Konditionsmarge) und dem Kapitalmarktgeschäft (der Strukturmarge aus Fristentransformation) ausgegangen. Eine solche könnte sich jedoch bei der nächsten Zinswende als eine illusorische Korrelation herausstellen. Das Bilanzstrukturmanagement (Asset Liability Management, ALM) der Banken zielt unter anderem auf eine Optimierung der erwarteten Rendite unter Unsicherheit. Im Zinsgeschäft setzt sich die Rendite aus der sich im Kundengeschäft ergebenden Konditionsmarge und der durch Kapitalmarktgeschäfte implementierten Strukturmarge (Fristeninkongruenz zwischen Aktiva und Passiva) zusammen. Dabei erwecken die Auswertungen von historischen Zeitreihen den Eindruck, dass es eine negative Korrelation zwischen Konditions- und Strukturmarge gibt, die es erlaubt, einen optimalen Mix zwischen Kundengeschäft und Fristentransformation zu finden, welcher – gemessen an einer reinen Kundengeschäftsbank – den erwarteten Ertrag erhöht und gleichzeitig das Risiko (die Volatilität) senkt.Während es keinen kausalen Zusammenhang zwischen Konditions- und Strukturmarge gibt, basiert die vermutete Korrelation auf dem nachfolgend dargestellten intuitiven Gedankenmodell. Erstens: Konditionsmargen werden von dem generellen Zinsniveau beeinflusst. Wenn die Zinsen hoch sind, können gemäß dieser Logik Banken eine höhere Marge im Kundengeschäft durchsetzen. Zweitens: Auch die Strukturmarge ist abhängig von Zinsen, allerdings primär von der Steilheit der Zinskurve und weniger von dem absoluten Zinsniveau. Eine steile Zinskurve impliziert hohe Fristentransformationsmargen. Um einen unabdingbaren Zusammenhang zwischen Konditionsund Strukturmarge zu sehen, ist es ferner notwendig, zwingend ein Abflachen der Zinskurve bei steigenden Zinsen (und umgekehrt) zu erwarten. Ob es bei der nächsten Zinswende zu einer kompensierenden Wirkung zwischen Konditions- und Strukturmarge kommen wird, hängt also letztendlich davon ab, ob die postulierte Korrelation Bestand hat oder sich nur als illusorisch herausstellt. Um diese Frage zu beleuchten, sollen im Folgenden zwei Annahmen kritisch hinterfragt werden. Erste Annahme: Ist es wirklich so, dass sich die Zinskurve bei steigenden Zinsen abflacht und bei sinkenden Zinsen steigt? Wenn ja, würde dies steigende (sinkende) Fristentransformationsbeiträge bei sinkenden (steigenden) Zinsen implizieren. Die zweite Annahme: Steht die Konditionsmarge tatsächlich im prozentualen Verhältnis zu dem Marktzinssatz? Wenn ja, würde dies sinkende (steigende) Konditionsmargen bei sinkenden (steigenden) Zinsen erwarten lassen. Zinskurvenabflachung bei steigenden Zinsen Die erste zu hinterfragende Annahme (Zinskurvenabflachung bei steigenden Zinsen) basiert auf der Beobachtung, dass langfristige Zinssätze sich aus einem volkswirtschaftlichen Gleichgewichtsmodell herleiten und somit kurzfristig nur wenig volatil sind, während kurzfristige Zinsen dem Einfluss der klassischen Zentralbanksteuerung unterliegen. Überhitzt die Wirtschaft, wird eine Zentralbank die kurzfristigen Zinsen erhöhen, bei einer schwächelnden Wirtschaftssituation wird sie hingegen kurzfristige Zinsen senken. Daraus ließ sich in der Vergangenheit beobachten, dass kurzfristige Zinsen im stärkeren Maß steigen und fallen als langfristige. Ein Blick auf die Euro-Swapkurve vor der Bankenkrise bestätigt das. Zwischen Januar 1991 und Mai 1999 sind die zehnjährigen Zinsen von 9,1 auf 4,3 Prozent, also um 520bp gefallen, während zweijährige Zinsen im selben Zeitraum von 9,7 auf 2,8 Prozent (also um 690bp) fielen. Auch in der Zinswende zwischen Juni 2005 und Juni 2008, in der die Zinsen anzogen, stiegen die zweijährigen Zinsen mit ca. 325bp signifikant stärker als die zehnjährigen Zinsen mit etwa 180bp. Selbst während der ersten Zinsreduktion nach der Bankenkrise, primär angestoßen durch klassische Zentralbankpolitik (Senkung des EZB-Zinssatzes für die Einlagefazilität von 3,25 auf 0,25 Prozent zwischen Juli 2008 und April 2009) sanken zweijährige Zinsen mehr als doppelt so stark wie zehnjährige (330bp vs. 140bp). Mit dem Übergang von der klassischen Geldpolitik zur Quantitativen Lockerung, bei der die Zentralbanken langfristige Zinssätze beeinflussen, hat sich die Zinsdynamik hingegen grundsätzlich geändert. Seither sind langfristige Zinsen volatiler als kurzfristige. Als die zweijährigen Zinsen zwischen 2011 und 2015 um ca. 230bp fielen, sanken die zehnjährigen Zinsen deutlich mehr, nämlich um 320bp. Seitdem ist der Wirkungszusammenhang noch unklarer geworden: Zweijährige Zinsen sanken um weitere 25bp, während zehnjährige Zinsen um 37bp stiegen. Da in einer Zinswende eine Umkehrung der Quantitativen Lockerung zu erwarten wäre, müssten wir von wei- 34 07 // 2018

MANAGEMENT terhin volatileren langfristigen Zinssätzen ausgehen und damit die Annahme einer Abflachung der Zinskurve bei steigenden Zinsen verwerfen. Übrigens deuten implizite Volatilitäten von Swaptionen gegenwärtig (Stand Mitte Juli) ebenfalls auf eine Umkehrung der Markterwartungen hin: sechsmonatige Optionen auf zweijährige Swaps werden mit einer Volatilität von 18,9bp/Jahr bepreist, während selbige auf zehnjährige Swaps mit 38,7bp/Jahr im Markt handeln. Direktionalität der Konditionsmarge Die zweite Annahme (Direktionalität der Konditionsmarge) ist ebenfalls fragwürdig. Richtig ist, dass seit den 1990er-Jahren die Zinsen gefallen und die Margen im Finanzsektor geschrumpft sind. Jedoch sind die auslösenden Faktoren ganz unterschiedlicher Natur. Fallende Zinsen sind wohl auf verbesserte Inflationsbekämpfung der Zentralbanken, den durch das Internet hervorgerufenen Preiskampf und die sich daraus ergebenden Preis- und Inflationsreduktionen oder die demografischen Veränderungen vieler entwickelter Nationen (generelle Alterung und die sich daraus ergebende höhere Nachfrage nach langfristigen Zinsprodukten) zurückzuführen. Sinkende Margen im Finanzsektor resultieren hingegen primär aus der Finanzmarktliberalisierung, der erhöhten Konkurrenz im Banking und den technologischen Errungenschaften (Internet, mobile Endgeräte, rechenstarke Computer, FinTechs usw.). Es wäre geradezu naiv zu erwarten, dass mit steigenden Zinsen diese Trends in umgekehrter Richtung wirken und den Banken erneut höhere Margen bescheren würden. Vielmehr fanden die Inflationsbekämpfung und die Konditionsmargenkompression nur zufällig im selben Zeitraum statt. Selbst, wenn sich die Zinsen nach einer Zinswende wieder im zweistelligen Bereich einpendeln sollten, werden Endkunden auch weiterhin auf ihrem Handy die kompetitivsten Bankangebote vergleichen können und so eine signifikante Erhöhung von Konditionsmargen unwahrscheinlich erscheinen lassen. FAZIT Die nächste Zinswende wird sich zweifelsohne auf die Konditions- und Strukturmargen der Banken im Zinsgeschäft auswirken. Die vermutete Korrelation zwischen den beiden Margen erscheint jedoch illusorisch und wird nicht die erhoffte kompensierende Wirkung entfalten. Statt Wunschdenken wäre eine realistische Negierung des kausalen Zusammenhangs zu empfehlen. Autor Dr. Fidelio Tata ist Professor für Finanzwirtschaft an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin. 07 // 2018 35

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