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die bank 07 // 2017

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

MANAGEMENT INTERVIEW

MANAGEMENT INTERVIEW FinTechs stellen keine Gefahr für Banken dar „Ich bin begeistert von Philosophie: Verstehe die Vergangenheit, um die Zukunft gestalten zu können. Stelle die richtigen Fragen: Von wo? Warum? Wozu? Finde die Antworten für Zahlungen, FinTechs, Innovation.“ Sven Korschinowskis Leitspruch bei Xing klingt schon sehr ambitioniert. Seit 2008 beschäftigt sich der Partner bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG mit Financial Services. Er sitzt in der Jury von „The FinTech50“, die jährlich die 50 vielversprechendsten FinTechs Europas kürt. die bank: Die weltweiten Investitionen in FinTechs sind im vergangenen Jahr gegenüber 2015 um knapp die Hälfte im Wert gesunken. Ist der Boom vorbei? Korschinowski: In diesem Zusammenhang muss man wissen, dass die Investitionen im Jahr 2015 – im Vergleich zu den Vorjahren – mit rund 47 Mrd. US-$ überdurchschnittlich hoch waren. Investoren haben deshalb vergangenes Jahr hohe Erwartungen in den noch relativ jungen Markt gesteckt. Dass es jedoch irgendwann zu einem „Einbruch“ bei den Investitionssummen kommen musste, war absehbar, denn viele Investoren warten jetzt ganz einfach erst einmal darauf, ob sich ihre bereits getätigten Investitionen auszahlen. Zusätzlich haben sich möglicherweise auch die politischen Veränderungen auf neue Investitionsvorhaben ausgewirkt. Der Brexit, die Neuwahlen in Frankreich und vielen weiteren europäischen Ländern sowie der politische Wechsel in den USA haben zu erhöhter Unsicherheit geführt, und damit zu geringeren Investitionen. Übrigens sind in Asien derzeit hohe und steigende Investitionen in FinTechs zu beobachten. Wir können also stark von einem neuen Innovationsboom im asiatischen Raum ausgehen. diebank: Wie sieht die Situation in Europa und speziell in Deutschland aus? Korschinowski: Auch in Europa ist ein Rückgang der Investitionssummen zu verzeichnen. Wurden im Jahr 2014 noch ca. 12 Milliarden und im Jahr 2015 10,9 Mrd. US-$ investiert, flossen im Jahr 2016 nur noch 2,3 Mrd. US-$ in den europäischen FinTech-Markt. Das Thema wird trotz allem weiter relevant bleiben. Deutschland schneidet im europaweiten Vergleich mit einem zweiten Platz sehr stark ab. Auch im globalen Vergleich hat Deutschland in den vergangenen Jahren zunehmend aufgeholt und wird immer häufiger als interessanter Marktplatz für FinTechs gehandelt. Insgesamt sehen wir eine Reifephase – es wird nicht mehr in viele ähnliche Geschäftsmodelle investiert, sondern selektiver. Das spricht perspektivisch dafür, dass sich Investoren mehr auf Qualität als auf Quantität fokussieren. diebank: Lange war prophezeit worden, dass traditionelle Banken einen – eventuell sogar großen – Teil ihres Geschäfts an FinTechs verlieren könnten oder diese teuer aufkaufen würden. Wie beurteilen Sie heute diese Gefahr? Korschinowski: FinTechs stellen meines Erachtens keine Gefahr für Banken dar, sondern sie sorgen vielmehr für eine positive Entwicklung auf dem Bankenmarkt. Schon allein aufgrund geringerer Regulierungsanforderungen können sie schneller, flexibler und innovativer agieren. Häufig haben sie dank ihrer schlanken IT-Architekturen sehr effiziente Möglichkeiten, bei der Erstellung ihrer Produkte und Dienstleistungen neue Technologien zu nutzen. Die etablierten Banken können da wegen der Komplexität technischer und regulatorischer Anforderungen sowie wegen des Alters ihrer IT in der Regel nicht mithalten. Zusätzlich verfügen FinTechs oftmals über eine deutlich weniger komplexe Organisationsstruktur und können auch damit agiler auf Marktreaktionen und -trends reagieren. diebank: Wie werden sich beide Gruppen mittelfristig am Markt positionieren? Korschinowski: Interessant ist, dass viele Banken schon zu Beginn des FinTech- Trends eigene Akzeleratoren- und Förderprogramme entwickelt und „Hackathons“ sowie andere Wettbewerbe ins Leben gerufen haben. Das zeigt, dass sie eher auf Kooperation setzen als auf Konkurrenz. Und das ist für beide Seiten ein wichtiges Signal. Banken können von der Technologieaffinität, Flexibilität und Innovations- 32 07 // 2017

MANAGEMENT kraft der FinTechs profitieren. FinTechs hingegen profitieren vor allem von der großen Erfahrung der Banken. Vor allem im Bereich der langfristigen Kundenbindung, aber auch durch ihre Stärke im Umgang mit regulatorischen Umsetzungen, der Skalierbarkeit und Nachhaltigkeit. Daher bin ich der festen Überzeugung, dass hier ein Ökosystem entsteht, in dem Banken, FinTechs, Technologieanbieter, Kunden und noch andere Player ihren Platz finden werden. diebank: Viele FinTechs sind auch wieder in der Versenkung verschwunden. Welche Voraussetzungen muss ein FinTech mitbringen, um künftig überhaupt erfolgreich am Markt agieren zu können? Korschinowski: Mit einem soliden Geschäftsmodell und einer auf die Zukunft ausgerichteten Strategie können Fin- Techs den ersten Schritt zu einer erfolgreichen Marktpositionierung machen. Wichtig ist, dass sie ein Problem oder einen Bedarf am Markt adressieren, das sich auch mittel- oder unmittelbar monetarisieren lässt. Und natürlich müssen sie über eine ausreichende Finanzierung verfügen. Wichtig ist aber auch, skalierbare Lösungen zu garantieren und entsprechende Go-to-Market-Strategien aufzubauen. Ohne entsprechende Strategien werden sich FinTechs schwertun, langfristig Fuß zu fassen, Umsätze und Wachstum zu generieren und neues Kapital einzusammeln. Helfen können auch Partnerschaften mit bereits eta blierten Marktteilnehmern oder anderen Fin- Techs. Am wichtigsten ist aber, dass man den Kundennutzen deutlich machen kann. diebank: Welche Rolle wird künftig die zunehmende Regulierung spielen? Korschinowski: Die erweiterte Zahlungsdienste-Richtlinie PSD 2, die Banken vorschreibt, Drittparteien einen sicheren Zugang zur Verfügung zu stellen, um Kontodaten einzusehen und Zahlungen zu veranlassen, erhöht sowohl für FinTechs als auch für Banken den Druck, Produktinnovationen zu realisieren. In diesem Kontext gewinnt der angesprochene Gedanke des „Ökosystems“ an Bedeutung, in dem es auch zu vermehrten Kooperationen kommt. diebank: Wenn Sie eine Million Euro gewinnen würden und diese ausschließlich in einem Segment investieren müssten, wofür würden Sie sich entscheiden: Aktien, Immobilien oder FinTechs? Korschinowski: Ich würde der alten Börsenweisheit folgen und Risiken (wie Chancen) streuen. diebank: Herr Korschinowski, vielen Dank für das Gespräch. Die Fragen stellte Eli Hamacher. 07 // 2017 33

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