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die bank 07 // 2017

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

MANAGEMENT

MANAGEMENT GESCHÄFTSMODELLE Die Smartphone-Bank Statt eine Filiale aufzusuchen, zum Telefonhörer zu greifen oder auf eine Website zu gehen, erledigen die Kunden der N26 Bank alle Bankgeschäfte mit einer einzigen App. „Sicher, simpel und schnell“, so das Versprechen des Berliner Start-ups. Mehr als 300.000 Kunden hat die Smartphone-Bank binnen zwei Jahren gewonnen. „Schon in den nächsten Jahren werden wir auf einige Millionen Kunden wachsen“, gibt Gründer Valentin Stalf das ehrgeizige Ziel vor. Sicherheitslecks und die massenweise Kündigung von Kunden durch N26 haben indes gezeigt, dass das Tagesgeschäft nicht frei von Tücken ist. Wer den ehemaligen DDR-Bunker in der Berliner Klosterstraße 26 aufsucht, sollte keine schwachen Nerven haben. In halbdunklen Räumen müssen Teams beim Fluchtspiel „Exit – Live Adventure“ gemeinsam knifflige Aufgaben lösen, um in maximal 66 Minuten der „Gefangenschaft“ entkommen zu können. „Mal haben wir es geschafft, mal aber auch nicht“, erzählt Markus Gunter, der sich schon einige Male mit seinen Kollegen der Herausforderung gestellt und den Nervenkitzel sichtlich genossen hat. Ängstlich sollten die Mitarbeiter, die einige Etagen höher mit dem Geschäftsführer von N26, der ersten Smartphone-Bank Deutschlands, zusammenarbeiten, definitiv nicht sein. Wer es schafft, in den turbulentesten Zeiten, die die Finanzbranche jemals erlebt hat, eine Vollbanklizenz zu erwerben und zügig mehr als Achtungserfolge zu erzielen, der braucht nicht nur ein tragfähiges Geschäftsmodell, sondern auch Mitarbeiter, die sich durch Wissen, Wagemut und Widerstandskraft auszeichnen. Daran scheint es vor allem Valentin Stalf, dem Gründer und Aufsichtsratsvorsitzenden der Bank, nicht zu mangeln. Gerade einmal 31 Jahre alt, kann er schon von einer Erfolgsgeschichte berichten, die ihn schnell zu einem beliebten Gesprächspartner der Presse gemacht hat. „Bankenschreck“ nannte ihn die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, „Mister Lässig“ titelte das Boulevardblatt Bild. Dass er nicht im typischen Banker-Outfit, sondern in Jeans oder auch schon mal in kurzer Hose und Sneakern auftritt, verwundert in der Start-up-Hauptstadt zwar nicht. Doch wie schnell der gebürtige Wiener seine Idee von der voll digitalisierten Smartphone-Bank in ein Geschäftsmodell verwandelt, für die Finanzierung namhafte Investoren und schließlich eine ansehnliche Zahl an Kunden gewonnen hat, überrascht schon. Entsprechend selbstbewusst tritt Stalf auf. „Du willst eine Bank gründen? Just do it“, lautet einer der flott formulierten Sätze, die man wahrscheinlich lernt, wenn man für seinen ersten Job ein Umfeld wählt, in dem markige Sprüche und hoch gesteckte Ziele an der Tagesordnung sind. Ein Jahr lang hatte Stalf in der Beteiligungsfirma Rocket Internet der Samwer- Brüder Start-up-Luft geschnuppert und war in dieser Zeit eher durch Zufall mit FinTechs in Berührung gekommen. „Die haben sich aber vor allem auf B2B-Anwendungen konzentriert. Im B2C-Bereich gab es kaum Ansätze“, erinnert sich der Betriebswirt. Schnell reifte in ihm der Entschluss, sich selbstständig machen zu wollen. Und musste erst einmal lernen, dass die Sache doch nicht ganz so einfach ist. Unter dem originellen Namen „Papayer“ wollten Stalf und sein Freund Maximilian Tayenthal eine Prepaid-Kreditkarte für Kinder auf den Markt bringen. Damit sollten Söhne und Töchter flüssig sein, während die Eltern die Ausgaben über eine Konto-App im Blick behalten konnten. Der Haken: In ihrer Heimatstadt Wien gab es kaum IT-Experten, die solch eine App entwickeln konnten. Im gut 600 Kilometer entfernten Berlin fand das Duo schließlich, wonach es suchte: fähige und bezahlbare Mitarbeiter, vergleichsweise günstige Mieten und ein fruchtbares Start-up-Klima. Doch die Rechnung ging nicht auf. Statt der Kids nutzten die Erwachsenen die Karte. Als Basis für ein erfolgreiches Geschäftsmodell reichte das kaum. Eine deutlich aufwendigere Konto-App für Erwachsene sollte deshalb den Traum von der Selbstständigkeit retten. Dafür mussten die Gründer neue Investoren gewinnen, denn das Startkapital der Business Angel war fast aufgebraucht. Dass es ihnen relativ zügig gelang, namhafte Geldgeber an Bord zu holen, spricht für die Überzeugungskraft der Gründer, aber vor allem für deren Geschäftsmodell. Für den FinTech-Experten Sven Korschinowski vom Wirtschaftsprüfer KPMG kommt es vor allem darauf an, dass die jungen Finanzfirmen „ein Problem oder einen Bedarf am Markt adressieren, das sich auch mittel- oder unmittelbar monetarisieren lässt. Und natürlich müssen sie über eine ausreichende Finanzierung verfügen“. (siehe Interview). Neben dem Wagniskapitalfinanzierer Earlybird Venture Capital stellten unter anderem der amerikanische Paypal-Gründer und Internet-Milliardär Peter Thiel sowie Li Ka-shing, einer der reichsten Chinesen, N26 bis Ende 2016 mehr als 55 Mio. US-$ zur Verfügung und schafften damit vor allem die Kapitalbasis, um bei der EZB eine europäische Vollbanklizenz beantragen zu können. Gut ein Jahr brauchte N26, bevor es im Sommer 2016 den aufwendigen Prozess abschließen konnte. Neben der Berliner Solaris Bank gehört die N26 Bank damit zu den wenigen FinTechs, die eine eigene Banklizenz besitzen. Seitdem stehen die Newcomer zwar unter der Kontrolle der Finanz- 28 07 // 2017

MANAGEMENT dienstleistungsaufsicht, können laut Geschäftsführer Gunter aber auch wesentlicher schneller ihr Geschäftsmodell modifizieren und europaweit expandieren. „Wir sind heute die führende mobile Bank in Europa“, sagt Stalf nicht ohne Stolz, um dann die jüngsten Zahlen zu präsentieren. Seit dem Start des operativen Geschäfts Anfang 2015 seien binnen zwei Jahren 300.000 Kunden gewonnen worden. Wie die Gründer sind diese jung und mobil. Eine interne Auswertung ergab: Mit 42 Prozent ist das Gros zwischen 25 und 34 Jahre alt, 17 Prozent sind zwischen 18 und 24. Seit dem Launch hat N26 Transaktionen über drei Mrd. € durchgeführt, allein im Februar 2017 wurde jede Stunde 1.900 Mal mit einer N26-Karte gezahlt. Ein Drittel der Ausgaben betrifft Reisen und Urlaub, 16 Prozent gehen für Shopping, 15 Prozent für Lebensmittel und 14 Prozent für Restaurants drauf. „Täglich kommen mehr als 1.000 neue Kunden hinzu, über die Hälfte aus Ländern außerhalb der Kernmärkte Deutschland und Österreich“, unterstreicht Stalf. Mehr als 30.000 leben zum Beispiel in Frankreich, je 10.000 in Spanien und Irland. In 17 europäischen Ländern können Smartphone-Besitzer mittlerweile ein Konto eröffnen. Das dauere unter acht Minuten, verspricht N26. Bekamen die Kunden der ersten Stunde beim Markteintritt im Januar 2015 von N26 und dessen strategischem Partner Wirecard AG erst einmal nur ein Girokonto mit Mastercard angeboten, können sie seitdem immer mehr Dienstleistungen abrufen, die auch jede traditionelle Retail-Bank im Portfolio hat. Mit einem entscheidenden Unterschied: Statt eine Filiale aufzusuchen, zum Telefonhörer zu greifen, ein Fax zu schicken oder auf eine Website zu gehen, erledigt der N26-Kunde alle Bankgeschäfte mit einer einzigen App. Die Identität wird per Videotelefonat verifiziert, Unterlagen müssen nicht ausgedruckt werden. Die App, in der die Karte mit einem Klick ge- und entsperrt werden kann, ist intuitiv zu bedienen und ordnet zum Beispiel auch übersichtlich, wofür der Nutzer sein Geld ausgibt, sei es für Restaurants, Reisen, das Auto oder auch Shopping. Wird das Konto bewegt, erscheint sofort eine Push-Benachrichtigung auf dem Handy, auch ohne dass die App geöffnet werden muss. „Die Kostenvorteile, die wir dank des Entfalls des Filialnetzes erzielen, geben wir an die Kunden weiter“, verspricht Stalf. Konto und Mastercard sowie weltweites Geldabheben waren zunächst kostenlos. Zug um Zug haben die jungen Banker im Gründungsjahr ihr Portfolio ausgebaut. Gemeinsam mit Barzahlen.de führten sie den Service Cash26 ein, bei dem Kunden z. B. in Supermärkten Bargeld ein- oder sich auszahlen lassen können. Der Kunde wählt einen Betrag, gibt im Smartphone eine PIN ein und erhält einen Barcode. Diesen scannt der Kassierer und zahlt den Betrag aus bzw. die Summe erscheint sofort auf dem Konto. Zum Weihnachtsgeschäft legte N26 (damals noch Number 26) mit dem Angebot eines Dispokredits nach. Seit Februar 2016 ermöglicht eine Kooperation mit Transferwise Auslandsüberweisungen in 19 Währungen binnen ein bis zwei Werktagen zum „echten Wechselkurs“. Auch für „N26Invest“ holte sich das FinTech mit Vaamo einen Partner an Bord, anstatt alle Produkte selbst zu entwickeln. Wer Geld übrig hat, kann seitdem in Fonds investieren, die in Aktien und Anleihen anlegen. Im Herbst 2016 folgten die Services „Money Beam“ und „Money Request“, mit denen N26-Nutzer bei Freunden Geld anfragen bzw. an diese mit einem Klick kostenfrei senden können (jeweils bis zu 1.000 €). Last, but not least bietet die mobile Bank seit Anfang 2017 mit „N26Credit“ Konsumentenkredite zwischen 1.000 und 25.000 € mit einer Laufzeit zwischen ein und fünf Jahren an. Binnen wenigen Minuten erscheint ein Angebot in der App, nach elektronischer Signatur steht das Geld auf dem Konto zur Verfügung. Noch im laufenden Jahr sollen gemeinsam mit Partnern aus der FinTech-Szene weitere Dienstleistungen folgen. Stalf: „Es wird dann möglich sein, in Europa bei 15 bis 20 Banken mit wenigen Klicks Sparkonten anzulegen und zwar zu sehr attraktiven Zinsen. Außerdem planen wir eine digitale Versicherungs-Brieftasche, in der alle Versicherungen in einer App verwaltet werden können.“ Läuft eine Police aus, ertöne zum Beispiel rechtzeitig ein Alarmzeichen. Trotz der ständigen Zunahme der Produkte hat sich an der Grundidee nichts geändert. Für seine Geldgeschäfte braucht man ein Smartphone und eine App. „Unser Name kommt vom Rubik’s Cube. Der aus 26 einzelnen Würfeln bestehende Zauberwürfel ist unglaublich komplex und trotzdem kann man ihn mit der richtigen Strategie in nur wenigen Schritten lösen“, erklärt Stalf. „Das ist unsere 07 // 2017 29

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