Aufrufe
vor 5 Jahren

die bank 07 // 2016

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

ó BETRIEBSWIRTSCHAFT

ó BETRIEBSWIRTSCHAFT Das Risiko der Risikokommunikation PRIVATKUNDEN Für Privatanleger ist Risiko ein zentrales Entscheidungskriterium bei Vermögensanlageentscheidungen. In deutschen Gesetzen zur Anlageberatung sowie in den an Privatanleger auszuhändigenden Unterlagen wird der Risikobegriff zwar verwendet, aber nicht definiert. Anlageberater können unter Risiko bei einer Vermögensanlage deshalb etwas anderes verstehen als Privatanleger selbst. Das kann dazu führen, dass Anlagelösungen nicht dem Risikoverhalten von Privatanlegern entsprechen. In der Folge erfüllen vorgeschlagene Anlagelösungen nicht die Erwartungen von Privatanlegern oder es bleiben sogar mögliche Anlageentscheidungen aus. Janko Laumann Keywords: Risikoprofiling, Private-Banking, Privatkundengeschäft Für die finanztheoretische Risikobetrachtung kann heute festgestellt werden, dass es keine allgemeingültige oder auch gesetzlich geregelte Risikodefinition gibt. Da der Risikobegriff sowie auch die Begriffe Risikoprofil, Risikopräferenzen und Risikotragfähigkeit weder durch das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) noch durch die Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID) oder auch andere gesetzliche Regelwerke gesetzlich definiert sind, sind deren Verwendung und Auslegung nahezu offen. Das schlägt sich unter anderem darin nieder, dass die in Finanzdienstleistungsunternehmen verwendeten Messmethoden zur Risikoermittlung bei Privatanlegern sehr unterschiedlich und selten wissenschaftlich basiert sind. Bisher ist es nicht gelungen, eine einheitliche Risikodefinition für die Anlageberatung von Privatanlegern in Wertpapieren aufzustellen. Risiko in der Theorie Insbesondere Anlageberater haben einen wesentlichen Gestaltungsspielraum bei der Risikodarstellung und damit auf den Wahrnehmungs- und Entscheidungsprozess beim Privatanleger. Aus diesem Grund sind deren Kenntnisse, Erfahrungen und deren Risikoeinstellung auch von großer Bedeutung für den Prozess der Risikokommunikation zwischen ihnen und den Privatanlegern. Das gezeigte Risikoverhalten bei einer Anlageentscheidung ist ein Ergebnis der Risikodarstellung, der Risikowahrnehmung, der Risikoeinstellung, der Ergebniswahrnehmung der eigenen historischen Anlageergebnisse von Privatanlegern und unterliegt darüber hinaus weiteren Einflussfaktoren. Unter Risikoeinstellung wird die Einstellung von Privatanlegern zum Risiko im Allgemeinen verstanden. Sie wird auch als Risikobereitschaft oder Risikoneigung bezeichnet. Die Risikoeinstellung ist eine relativ langfristig konstante und nur wenig veränderbare Verhaltensgröße von Privatanlegern. Mögliche Rückschlüsse vom allgemeinen sozialen Risikoverhalten (z. B. dem Treiben von Extremsportarten) auf das Risikoverhalten bei der Vermögensanlage können nicht wissenschaftlich valide bestätigt werden und sollten in der Anlageberatung unbedingt unterbleiben. Risiko und Anlageberatung Die Risikowahrnehmung und das Risikoverhalten sind dem gegenüber relativ variable und kurzfristig beeinflussbare Verhaltensgrößen von Privatanlegern. Sie sind stark abhängig von situativen Faktoren, wie etwa der aktuellen Lebenssituation, der möglichen Anlagelösung und der aktuellen Anlagesituation. Das Risikoverhalten ist keine auf Dauer persönlichkeitsstabile Anlegereigenschaft und wesentlich von der Risikowahrnehmung von Privatanlegern abhängig. Die heute eingesetzten und zum Teil sehr einfachen Tests mit einem großen Anteil an Selbsteinschätzungen durch die Privatanleger sind wenig geeignet, das Risikoverhalten zu messen. Das liegt u. a. daran, dass für einige Fragen die Beurteilungsgrundlagen der Privatanleger nicht bekannt sind bzw. abgefragt werden. Die Verwendung von abstrakten, nicht durch Privatanleger unmittelbar der Erhebung zuzuordnenden Fragen, sollte vermieden werden. Das wahrgenommene Risiko einer Anlageform ist das Ergebnis aus einem individuellen Transformationsprozess der Privatanleger. Für Privatanleger ist es sehr schwer, die Qualität und den Erfolg einer Anlageberatung einzuschätzen. Die 52 diebank 07.2016

BETRIEBSWIRTSCHAFT ó Bewertung kann sowohl an der Wertentwicklung ihrer Anlagen als auch an der Beratung als solcher erfolgen. Deshalb ist es entscheidend, dass sich Privatanleger bei Anlageentscheidungen über die Chancen und Risiken ihrer Anlageformen im Klaren sind. Sollten Verluste auftreten, werden diese sonst sehr schnell dem Anlageberater mit der Begründung einer fehlenden Risikoaufklärung vorgeworfen. Das entsprechende Einschätzen von Risikoeinstellung, Risikowahrnehmung und Risikoverhalten von Privatanlegern durch Anlageberater sollte im Eigeninteresse der Anlageberater und der Finanzdienstleistungsinstitute liegen und lohnt einen umfassenden Aufwand. Risiko und Vergangenheit Es kann beobachtet werden, dass Privatanleger dazu tendieren, Erfahrungen aus der Vergangenheit in die Zukunft zu übertragen. Erfahrungen und Kenntnisse von Privatanlegern müssen in der Anlageberatung berücksichtigt werden, sollten aber keine dominante Rolle in der Risikoverhaltensmessung und Risikokommunikation spielen. Eine zukunftsorientierte und vergangenheitsfreie Vermögensanlage kann sonst erschwert werden. Die Messung der Risikotoleranz und die Erhebung des aktuellen Risikoverhaltens sind ein permanenter Prozess und können als Bestandteil des aktiven Risikomanagements des Anlegervermögens betrachtet werden. Ein dauerhafter, auch diese Überlegungen integrierender Risikokommunikationsprozess ist demzufolge unerlässlich. Risiko Anlageberater Privatanleger und Anlageberater haben jeweils eine eigene subjektive Vorstellung von Risiko. Da Privatanleger die Risiken einer Anlageentscheidung alleine tragen, ist in einer Anlageberatung deren subjektives Risikoverständnis das ausschlaggebende. Es sollte zu Beginn einer Anlageberatung zwischen Anlageberatern und Privatanlegern besprochen werden, was Risiko für Privatanleger bei der Vermögensanlage und bei Anlageentscheidungen allgemein bedeutet. Die Klärung des allgemeinen Risikobegriffs ist umso wichtiger, da es keine einheitliche Risikodefinition und demzufolge auch Risikobegriffsverwendung in den Beratungsunterlagen, Pflichtpublikationen und Produktinformationen gibt. Die Klärung des Risikobegriffs im Sinne der Interpretation der Privatanleger ist wesentlich für eine anlegergerechte Ausrichtung der Vermögensanlagen ” 1. Versuchen Anlageberater sich in die Risikowelt von Privatanlegern hineinzuversetzen, ist es sehr wahrscheinlich, dass ihr Risikoverhalten die Risikowahrnehmung und in der Folge auch das Risikoverhalten der Privatanleger beeinflusst. Daraus resultierend können sich Privatanleger nicht verstanden fühlen, ihr Risikoverhalten ändert sich und hat Auswirkungen auf die Wahl der Anlageklasse. Entwickelt sich die Vermögensanlage nicht wie vom Privatanleger erwartet, ist die Enttäuschung groß. Anlageberater müssen sich in diesem Fall die Verantwortung für die Vermögensentwicklung und das gezeigte Anlegerverhalten anrechnen lassen. Risikowahrnehmung von Privatanlegern Für die Praxis der Anlageberatung von Privatanlegern spielt die Risikowahrnehmung eine wesentliche Rolle. Da die Risikowahrnehmung ein sehr subjektives Konstrukt ist, kann davon ausgegangen werden, dass die Risikowahrnehmung von Privatanlegern nicht oder nur in ei- 07.2016 diebank 53

die bank