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die bank 07 // 2015

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

ó IT & KOMMUNIKATION

ó IT & KOMMUNIKATION nehmen auf 2,5 Mio. € erhöht wird. Befreiungen gibt es darüber hinaus für soziale und gemeinnützige Projekte, zum Beispiel im Wohnungsbau. Wenn etwa ein Sportverein eine neue Turnhalle bauen möchte, dann kann dieser künftig bis zu 2,5 Mio. € per Schwarmfinanzierung einsammeln, ohne die strengen Vorgaben des Anlegerschutzes beachten zu müssen. Der Gesetzgeber möchte dadurch explizit das bürgerschaftliche Engagement in der Region stärken. Dies soll auch in Zukunft entsprechende Projekte möglich machen. fl Das Kleinanlegerschutzgesetz soll dazu beitragen, Lücken in der Regulierung des Grauen Kapitalmarkts zu schließen. Gegenüber dem Regierungsentwurf verändert wurden die geplanten Einschränkungen bei der Werbung für Kapitalanlagen. So war etwa in dem ursprünglichen Gesetzesentwurf zunächst ein Verbot von Werbung in öffentlichen Verkehrsmitteln vorgesehen. Dies bleibt in der vom Bundestag verabschiedeten Fassung jedoch auch weiterhin erlaubt. Aber auch hier muss die Werbeschrift in Zukunft folgenden Hinweis enthalten: „Der Erwerb dieser Vermögensanlage ist mit erheblichen Risiken verbunden und kann zum Verlust des eingesetzten Vermögens führen.“ Bei variablen Renditen muss zudem folgender Hinweis enthalten sein: „Der in Aussicht gestellte Ertrag ist nicht gewährleistet und kann auch niedriger ausfallen.“ Beim Crowdfunding und Crowdinvesting bleibt es aber auch den Anbietern weiterhin erlaubt, ihre Dienstleistungen im Netz anzubieten und dafür zu werben. Die Experten aus den Reihen der Regierung sahen die Risiken als begrenzt an. Derartige Finanzierungsformen bleiben weiterhin möglich, um das Wachstum dieser neuen Anlagevariante nicht zu behindern. Gemeinnützige und soziale Projekte sowie das Crowdfunding sollen in ihrer weiteren Entwicklung nicht gebremst werden. Verbindlicher Rechtsrahmen für Crowdinvestoren Von der Anhebung der Grenze für die Prospektpflicht auf 2,5 Mio. € und der Aufhebung des Werbeverbots könnten nun sowohl die Crowdfunding-Anbieter als auch die Unternehmen profitieren, die sich über diese Gestaltungsvariante refinanzieren. Denn es entfällt das bis dato ab 100.000 € notwendige ausgedruckte, handschriftlich unterschriebene Vermögensinformationsblatt. Genau diese bürokratische Hürde zog für Unternehmen in der Regel einen hohen Aufwand an Zeit und Kosten nach sich, weshalb so manches Projekt gar nicht erst an den Start gelangen konnte. Auch die Energiewende könnte mit Blick auf genossenschaftliche Finanzierungsinstrumente von der Neuregelung profitieren. In den USA generieren Internetplattformen zur Schwarmfinanzierung bereits Milliardenumsätze. Der Börsengang der weltweit führenden Kreditbörse Lending Club stellte im vergangenen Jahr immerhin den größten Börsengang eines Finanz-Technologie-Unternehmens dar. Ähnlich dynamisch verläuft die Wachstumskurve in Großbritannien. Deutschland hinkt diesem Wachstumstrend bislang jedoch deutlich hinterher, was zum einen mit spezifisch gelagerten Rahmenbedingungen zusammenhängt. Überdies sorgen beim Crowdinvesting erste Firmenpleiten unter jungen Beteiligungsunternehmen aus der Start-up-Szene für wachsende Unsicherheit unter den Privatanlegern. Hier könnte das neue Gesetzesvorhaben zumindest etwas Ordnung schaffen. Unter den Anbietern finden die Regelungen im Kleinanlegerschutzgesetz ein geteiltes Echo. Einerseits wurde das Vorhaben positiv aufgenommen, da die Gesetzesnovelle einen nachvollziehbaren rechtlichen Rahmen schaffe. Weniger positiv bewerten Insider demgegenüber den uneinheitlichen rechtlichen Umgang mit Finanzierungsinstrumenten. Die Kritik entzündet sich insbesondere daran, welche Beteiligungsvariante sich als Königsweg erweist. In der Diskussion stehen vor allem partiarische Nachrangdarlehen, die von diversen Crowdinvesting-Plattformen bis dato häufig unter Umgehung der Regulierungsvorgaben genutzt wurden. Deren Rechte wurden vom Gesetzgeber explizit gestärkt, zulasten etwa von Genussrechten oder stillen Beteiligungen. Unabhängig davon bleibt es dem potenziellen Investor auch weiterhin kaum erspart, jedes Projekt, in das er auch nur kleine Beträge zu investieren gedenkt, sorgfältig zu prüfen. Insbesondere bei kommerziellen Crowdinvesting-Projekten über partiarische Nachrangdarlehen werden im Fall der Insolvenz die Ansprüche des Schwarmfinanciers zuallerletzt bedient. Das Risiko, hier sein investiertes Geld komplett zu verlieren, ist dementsprechend hoch. Mit anderen Worten: Steigende Firmeninsolvenzen im Markt der Frühphasenfinanzierung per Schwarmkapital könnten den Markt in den kommenden Jahren pauschal in Mitleidenschaft ziehen. Anlegerschutz im Mittelpunkt Aus Anlegersicht handelt es sich insbesondere beim Crowdinvesting gegenüber den durch Anlegerpools besser gesicherten Crowdlending – unabhängig von der konkreten rechtlichen Ausgestaltung – um ein Hochrisikoinvestment, bei dem jederzeit der Totalverlust des eingesetzten Kapitals drohen kann. Umso mehr dürfen laut Gesetzgeber die von einigen Plattformen verwendeten Begriffe wie „Sicherheiten“ und „Kreditprüfung“ nicht den missverständlichen Eindruck erwecken, die Investitionen in derartige Projekte seien mit der Sicherheit einer 62 diebank 7.2015

IT & KOMMUNIKATION ó klassischen Bank- oder Spareinlage vergleichbar. Kurz: Die Aufklärung der Anleger über die tatsächlichen Risiken ist von zentraler Bedeutung. Insgesamt jedoch, so bleibt festzuhalten, existieren in Bezug auf die unterschiedlichen Crowdfunding-Varianten erst wenige Markterfahrungen, weshalb sowohl Bundesregierung als auch Europäische Kommission das Thema durch weitere Untersuchungen beleuchten. Letztendlich dürfte sich der Erfolg der Modelle erst in einigen Jahren zeigen, wenn erste Beteiligungen auslaufen. Aus diesem Grund sieht auch die Bundesregierung im Kleinanlegerschutzgesetz vor, die für das Crowdfunding geschaffenen Regelungen bis Ende 2016 zu überprüfen und danach zu entscheiden, ob ein weiterer, akuter Regulierungsbedarf besteht. Digitale Agenda: Neue Chancen für Kooperationen Welche Chancen offeriert nun das neue Kleinanlegerschutzgesetz angesichts des erweiterten Rechtsrahmens und mit Blick auf die Innovationskultur zwischen Gründerunternehmen und etablierten Spielern aus der Finanz- und Bankenbranche? Das neue Gesetzesvorhaben trägt vor allem eine psychologische Signalwirkung in sich, der jedoch andererseits teils immer noch wenig kalkulierbare Reputationsrisiken gegenüberstehen. Beim Crowdinvesting wird das Vorhaben wohl kurzfristig kaum für einen großen Wachstumsschub sorgen können. Als Referenz für die Potenziale des Wachstumszweiges Crowdlending dient wiederum ein Blick in die USA. Dort setzt etwa der weltweit führende Anbieter für Peer-to-Peer-Kredite verstärkt auf die Kooperation mit renommierten Banken. So hat jüngst etwa die Citigroup angekündigt, mit Lending Club zu kooperieren. Das Finanzinstitut gab bekannt, ein Finanzvolumen von 150 Mio. US-$ in das gemeinsame Vorhaben zu investieren. Auch Hedgefonds und andere Investoren bekunden mittlerweile reges Interesse, weshalb in den kommenden Jahren weiteres Venture Capital in signifikanter Höhe in die junge Szene fließen dürfte. Analog gilt dies, allerdings in eingeschränkter Form, auch für die Anbieter von Crowdinvesting-Dienstleistungen. fl Beim Crowdinvesting wird das Vorhaben wohl kaum für einen großen Wachstumsschub sorgen können. Zudem beflügeln Kooperationen wie die von Lending Club mit dem chinesischen Internetgiganten Alibaba das Marktgeschehen in den USA und Asien nachhaltig. Die chinesische Internet- Handelsplattform und der US-Anbieter wollen gemeinsam Kredite für kleine US- Unternehmen bereitstellen, die Waren von chinesischen Lieferanten beziehen. Dies soll ihnen den Zugang zum weltgrößten Wirtschaftsraum erleichtern. Neben dem Vorhaben der Citigroup formiert sich in den USA außerdem ein Konsortium mit 200 führenden Regional- Crowdfunding – ein Begriff, viele Definitionen Der Begriff Crowdfunding, wörtlich übersetzt Schwarmfinanzierung, bezeichnet eine Finanzierungsform, bei der eine Vielzahl von Geldgebern ein konkretes Projekt finanziert. In der Regel werden die Gelder über Crowdfunding-Plattformen im Internet eingesammelt, deren konkrete Aus ge staltung jedoch sehr vielfältig ausfallen kann. In der Praxis lassen sich mehrere Modelle unterscheiden, die sich teilweise überlagern oder koexistieren. Zum einen gibt es das spendenbasierte und das gegenleistungsbasierte Crowdfunding, die oftmals auch als Crowdsponsorings bezeichnet werden. Ein weiteres Segment stellt das kreditbasierte Crowdfunding (Crowdlending oder Peer-to-Peer-Lending) dar. Des Weiteren existiert das meist zur Finanzierung junger Wachstumsunternehmen eingesetzte Crowdinvesting. Dabei erhält der Geldgeber eine Beteiligung an zukünftigen Gewinnen des finanzierten Projekts, oder – sofern das Investment mit Wertpapieranlagen verbunden ist – Anteile oder Schuldinstrumente. Quelle: BaFin, L. Lochmaier. banken, um im Rahmen eines Co-Brandings mit Lending Club zu kooperieren. Folglich zeichnet sich zwischen alten und neuen Spielern eher eine komplementäre als konfrontative Strategie ab. Um die Chancen frühzeitig zu erkennen und besser auszuloten, sollten Banken eine größere Offenheit an den Tag legen, um innovative Technologien in ihre Geschäftsprozesse zu integrieren. Statt lediglich Allianzen mit anderen Partnern aus der Finanzbranche einzugehen, sehen sich Finanzunternehmen in zunehmendem Maße explizit nach Partnern in anderen Industrien um, beispielsweise bei Unternehmen aus der Telekombranche sowie bei Start-ups aus der IT-Branche. Parallel dazu sollte die Finanzbranche auch direkt eigene finanzielle Mittel in neue Innovationskreisläufe einsteuern. Denn es sind vor allem junge Unternehmen, die die Entwicklung im Bereich von Finanztechnologien massiv vorantreiben. Dementsprechend bieten sich auch etablierten Finanzdienstleistern erweiterte Gestaltungsspielräume, sich mit ihrer Finanzkraft einen vorderen Platz im Rennen um diese neue Technologien zu sichern. ó 7.2015 diebank 63

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