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die bank 06 // 2021

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die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

MANAGEMENT Stefan

MANAGEMENT Stefan Mühlemann Philippe Cayrol Ralf von Cleef DIE CHEFS Manchmal braucht man nur etwas Ruhe und muss die Gedanken schweifen lassen können. Zum Beispiel im Familienurlaub. In einem Liegestuhl hatte es sich Stefan Mühlemann gemütlich gemacht und sinnierte über den Stand der Plattform-Ökonomie. Alles Mögliche lasse sich doch dort mittlerweile vermitteln, warum eigentlich nicht auch Kredite für Kommunen, fragte sich der Schweizer Unternehmer. Dank seines guten Gespürs für Marktlücken ließ Mühlemann die Idee nicht mehr los. Mit Loanboox setzte er schließlich um, was im Liegestuhl seinen Anfang genommen hatte. Schon mit 23 Jahren gründete der Banker parallel zu seinem Job als Devisenhändler bei UBS Warburg in Basel sein erstes Unternehmen. Mit seinem Asian Food Express traf er den Geschmack seiner Kollegen. Denn die hatten sich mehr als einmal darüber geärgert, dass die Londoner Warburg-Händler Köstlichkeiten vom Inder oder Thailänder bestellen konnten, während in Basel Pizza oder Sandwiches auf den Tisch kamen. Mühlemann baute einen Lieferservice auf und packte nach Feierabend auch selbst mit an. Nach Warburg folgten unter anderem Stationen bei der LGT Bank in Liechtenstein. Als Seed-Investor begleitete er zudem mehrere Start-ups in den ersten Jahren nach der Gründung und arbeitete als Dozent an den Universitäten von St. Gallen und Zürich. Bis zum Sommer vergangenen Jahres führte Mühlemann das 2015 von ihm gegründete Unternehmen Loanboox als CEO. Seitdem konzentriert er sich auf seine Aufgabe als Verwaltungsratspräsident und überlässt das Tagesgeschäft Philippe Cayrol, der zuvor das französische Tech-Unicorn BlaBlaCar zum weltweit größten digitalen Marktplatz für Fahrgemeinschaften ausgebaut hatte. Außerdem hatte Cayrol einen Investmentfonds in London mitgegründet, der sich auf Wachstumskapital für Early-Stage-Projekte konzentrierte. Deutschland-Chef Ralf von Cleef übernahm den Geschäftsführerposten im April 2019. Zuvor hatte er gut 20 Jahre in der Bankbranche im Zins- und Währungsmanagement sowie im Treasury gearbeitet. Nach der Ausbildung bei der Deutschen Bank folgten die €hypo, Hauck & Aufhäuser sowie die North Channel Bank. In dieser Zeit initiierte von Cleef erste Kooperationen mit FinTechs. „Mich hat vor allem die Geschwindigkeit in dieser jungen Branche fasziniert. Da ging einfach alles.“ Er genieße seitdem die neu gewonnenen Freiheiten. Dazu gehört auch, dass die Krawatte im Schrank landete. 46 06 // 2021

MANAGEMENT die ohnehin engen Geschäftsbeziehungen bekannt. Wenn Fischer jedoch bundesweit aktiv werden will, was trotz des Regionalprinzips von Sparkassen möglich ist, nutzt er Loanboox ebenso wie Komuno. Auch die Kapitalnehmer erkennen die Vorteile der digitalen Plattform.Jochen Haas etwa, Amtsleiter für Finanzen im Landkreis Göppingen, schätzt den breiten Kreditgeberkreis, an den er seine Ausschreibung richten könne. „Dadurch haben wir eine passende Finanzierung zu guten Zinskonditionen bekommen.“ Das System ist aus von Cleefs Sicht so einfach zu handhaben, dass die Kämmerer auch im Homeoffice eine Ausschreibung starten können. Internationalisierung soll ausgebaut werden Wachstum sollen künftig nicht nur bestehende und neue Kunden in den bisherigen Märkten bringen. Nach Deutschland, Frankreich, Österreich, Niederlande und Liechtenstein will Loanboox weiter internationalisieren. Allerdings nur Schritt für Schritt. Im laufenden Jahr rechne er wieder mit einem deutlichen Wachstum, sagt von Cleef, der auch über neue Produkte nachdenkt. Im April 2020 hatte Loanboox die BaFin- Lizenz nach § 32 KWG erhalten und könnte jetzt auch den Kunden die Möglichkeit bieten, eigene Inhaberschuldverschreibungen zu begeben. Neben weiteren Kommunen hat von Cleef zudem mehr kommunalnahe Unternehmen im Visier, wie Stadtwerke oder Wasserverbände. „Bei der Akquise schauen wir uns genau das Risiko an. Bei Kommunen liegt sie bei null Prozent Solvabilitätsanrechnung, bei kommunalnahen Unternehmen wird das Risiko etwas größer, ebenso bei Krankenhausbetreibern oder Wohnungsbaugesellschaften.“ Absolut wichtig sei ihm aber, dass Loanboox nach wie vor unabhängig sei. Immer noch liege die Mehrheit des Kapitals mit gut 60 Prozent bei den Gründern. Jeder Mitarbeiter habe die Möglichkeit sich an dem FinTech zu beteiligen. Zu den externen Investoren, von denen keiner mehr als je fünf Prozent halte, gehören unter anderem die Deutsche Kreditbank AG (DKB), die Liechtensteiner LGT Gruppe und weitere Kapitalanleger aus Europa und Übersee. In der letzten Finanzierungsrunde im Jahr 2019 sammelte das FinTech insgesamt 20 Mio. € ein. Dass nach Ende der Pandemie wieder der gewohnte Arbeitsalltag einkehrt, glaubt von Cleef nicht. Es werde künftig sicherlich weniger zu den Kunden gereist, Videokonferenzen hätten sich durchgesetzt. „Mein Büro ist da, wo mein Laptop steht. Vor Corona war ich dreimal die Woche in ganz Deutschland unterwegs. Da war das Zugabteil mein Office. Jetzt steht mein Schreibtisch zuhause, das funktioniert genauso gut, auch parallel mit Homeschooling.“ Autorin Eli Hamacher ist Diplom-Volkswirtin und arbeitet seit 30 Jahren als Wirtschaftsjournalistin. Die Freelancerin schreibt für „die bank“ vor allem über die Branche und Porträts über einzelne Unternehmen. Ein weiterer Fokus ihrer Arbeit sind Auslandsmärkte. DIE BRANCHE Mehr als 900 FinTechs sind derzeit in Deutschland aktiv, heißt es in einer Anfang 2021 veröffentlichten Studie der Direktbank comdirect. Seit Anfang 2012 seien mehr als 6 Mrd. € Venture Capital in diesen Sektor investiert worden. Waren Banken und FinTechs zunächst als Konkurrenten wahrgenommen worden, hat sich schnell gezeigt, dass beide voneinander profitieren können. Noch sitzt das Gros der Finanztechnologie-Experten in Berlin, doch Städte wie München, Hamburg, Frankfurt, Köln und Düsseldorf holen auf. Gut die Hälfte beschäftigt sich mit der Digitalisierung der Immobilienbranche (Prop- Techs), Finanzen und mit Versicherungen (InsurTechs). Weitere Themen sind Investment, Accounting und Blockchain. Mit ihren digitalen Schlüsseltechnologien wie Künstliche Intelligenz und Blockchain sind FinTechs vergleichsweise gut durch die Krise gekommen, heißt es im „FinTech Startup Monitor 2021“, den der Bundesverband Deutsche Startups gemeinsam mit dem DSGV und S-Kreditpartner Anfang März vorlegte. Jedes fünfte deutsche FinTech beschäftigt mehr als 50 Mitarbeitende, im Start-up-Ökosystem insgesamt sind es nur 5 Prozent. Trotz der Corona-Pandemie erwarteten die Unternehmen, die auch von der zunehmenden Digitalisierung profitieren, dass sich ihr Umsatz nur leicht abflache. Damit sind die jungen Finanzdienstleister nicht nur als Kooperationspartner, sondern auch als Firmenkunden interessant. In der Öffentlichkeit bekannt sind vor allem B2C-FinTechs wie N26 oder Weltsparen. Zwei Drittel ihres Umsatzes generieren die jungen Unternehmen allerdings im B2B-Bereich. Rund drei Viertel der FinTechs sind Kooperationen mit etablierten Unternehmen eingegangen. Im Schnitt haben sie 13 Partner, bei Start-ups allgemein sind es nur sieben, heißt es im FinTech Startup Monitor. Wie dynamisch sich die Branche entwickelt, belegen Fakten und Zahlen: Vier der 16 Unicorns – Einhörner werden Unternehmen mit einer Marktbewertung von mehr als 1 Mrd. US-$ genannt – in Deutschland sind FinTechs: die Smartphonebank N26, Mambu (Anbieter von Kernbanksystemen), Wefox (Versicherungs-Start-up) und Deposit Solutions (Open Banking Plattform für Einlagen). Laut dem Monitor konnten die FinTechs wesentlich häufiger große Finanzierungsrunden (mehr als 10 Mio €) abschließen als Start-ups allgemein. Das Gros der FinTechs will das Geld u. a. nutzen, um in den kommenden zwölf Monaten zu internationalisieren. 06 // 2021 47

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