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die bank 06 // 2021

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MARKT Federal Open

MARKT Federal Open Market Committee (FOMC) zu diesem Zeitpunkt bereits war. Am selben Tag senkten auch Kanada, Norwegen und Neuseeland ihre Zinssätze. Dies war bereits die zweite Zinsmaßnahme der Fed nach einer Senkung um 50 Basispunkte Anfang des Monats (am 3. März), die mit den Zinsschritten in Kanada und Australien und der „genauen Beobachtung“ in der Eurozone und Großbritannien zusammenfiel. Vier Zentralbanken der G-10 beteiligten sich nicht an dem Zinssenkungszyklus: die BoJ, die SNB, die Riksbank und auch die EZB. Insbesondere die Riksbank schien nicht gewillt zu sein, in den Bereich negativer Zinsen zurückzukehren, nachdem sie ihn gerade erst erfolgreich verlassen hatte. Die anderen Zentralbanken stellten wiederholt klar, dass Zinssenkungen zwar prinzipiell möglich, aber zu diesem Zeitpunkt nicht das effektivste Instrument seien, auch weil die Zinssätze nahe an der faktischen Untergrenze lagen. Diese Zentralbanken setzten auf alternative geldpolitische Lockerungsmaßnahmen, vor allem auf Programme zum Ankauf von Vermögenswerten verschiedenster Art. Insbesondere für die EZB rückte die Frage nach dem sogenannten Umkehrzins (Reversal Rate) in den Vordergrund. Der Einlagenzinssatz der EZB fungiert bei voller Zuteilung de facto als Leitzins. Würde eine deutliche Senkung unter das seit September 2019 geltende Niveau von -50 Basispunkten eine signifikante Lockerung der Geldpolitik bewirken oder eine kontraproduktive Reaktion der Banken zur Sicherung der Zinsmarge auslösen? Die EZB hat zwar wiederholt erklärt, dass sie die Leitzinsen noch weiter senken könnte, sieht aber auch weitere Zinssenkungen in den tieferen negativen Bereich als weniger effektiv im Vergleich zum Ankauf von Vermögenswerten an. Alternative Strategie für die EZB: Quantitative Easing Die Erfahrungen der EZB stellen einen interessanten Kontrast zur Federal Reserve dar, die ja sowohl Zinssenkungen und Liquiditätsmaßnahmen vornahm als auch eine lange Reihe separater Kaufprogramme in unterschiedlichen Märkten auflegte. Da Zinssenkungen in der Eurozone als unwirksam erachtet wurden, konzentrierte sich die EZB auf die Bereitstellung von Liquidität und auf bilanzielle Maßnahmen, darunter vor allem eine relativ aggressive Version von QE. So verkündete die EZB am 12. März unter anderem einen zeitlich begrenzten Rahmen für zusätzliche Nettokäufe von Vermögenswerten in Höhe von 120 Mrd. € für den Rest des Jahres, d. h. etwa 13 Mrd. € pro Monat zusätzlich zu den 20 Mrd. € im Rahmen des seit November 2019 laufenden Standardprogramms zum Ankauf von Vermögenswerten (APP). Diese Aufstockung sollte die günstigen Finanzierungsbedingungen in der Eurozone sichern, obwohl die EZB zu dem Zeitpunkt noch keine gravierenden Marktanspannungen zu verzeichnen hatte. Diese Marktanspannungen zeigten sich jedoch sehr schnell: Kaum eine Woche später änderte die EZB ihren Kurs und legte am 18. März ein befristetes Pandemic Emergency Purchase Program (PEPP) im Wert von 750 Mrd. € für den Rest des Jahres 2020 auf, also durchschnittlich rund 80 Mrd. € pro Monat zusätzlich zu den rund 30 bis 35 Mrd. € an Käufen, die bereits im Rahmen der zuvor beschlossenen Programme durchgeführt wurden. Die Besonderheit dieser Maßnahme lag in ihrer Flexibilität: Im Gegensatz zu früheren eurozonenweiten Ankaufsprogrammen, die unter Einhaltung des Kapitalschlüssels der EZB durchgeführt wurden (z. B. APP), konnte das PEPP (zumindest vorübergehend) in Bezug auf die Verteilung über die Zeit, über verschiedene Länder und Anlageklassen viel stärker „dorthin gehen, wo es weh tat“. 2 Es ist erwähnenswert, dass die Aufstockung des bestehenden APP sowie die Einführung des PEPP in gewisser Weise mehrere neue und separate Instrumente der Fed ersetzte, da das APP der EZB bereits Vermögenswerte in einer Vielzahl von Märkten kaufte, nämlich nicht nur Staats- sondern auch Unternehmensanleihen sowie ABS und Co- vered Bonds, eine europäische Spezialität. Darüber hinaus nahm die EZB auch Commercial Paper in das Corporate Sector Purchase Program (CSPP) im Rahmen des APP auf und erweiterte den Sicherheitenpool. Die Zentralbank verpflichtete sich außerdem, die selbst auferlegten Ankaufsgrenzen zu überprüfen. Dies war ein wichtiges Element der geldpolitischen Strategie, da das PEPP möglicherweise recht schnell an diese Limits hätte stoßen können. Am 4. Juni 2020 wurde das PEPP um weitere 600 Mrd. € auf 1,35 Billionen € aufgestockt und bis mindestens Juni 2021 verlängert. Interessanterweise änderte diese Verlängerung nicht das potenzielle Tempo der durchschnittlichen monatlichen Käufe (ca. 100 bis 110 Mrd. € über alle Programme hinweg), sondern bezog seine expansive Wirkung allein aus der Verlängerung selbst. Die EZB verpflichtete sich außerdem, die Tilgungszahlungen im Rahmen des PEPP bis mindestens Ende 2022 zu reinvestieren, um zu signalisieren, dass eine Umkehrung des geldpolitischen Kurses – im Sinne einer Verkürzung der Bilanz – nicht bevorsteht. Am 10. Dezember stockte die EZB den PEPP-Rahmen um weitere 500 Mrd. € bis März 2022 auf und verlängerte gleichzeitig die vorteilhaften TLTRO-Konditionen, wie bereits erwähnt. Seitdem hat die EZB in ihren Mitteilungen wiederholt betont, dass der aktuelle PEPP-Rahmen von 1,85 Billionen Euro je nach Fortschritt der Erholung weiter aufgestockt oder nicht vollständig ausgeschöpft werden könnte. Aufgrund eines fundamental nicht gerechtfertigten Anstiegs der langfristigen Zinsen erhöhte die EZB im März die Geschwindigkeit der PEPP-Ankäufe, nachdem sich diese seit letztem Sommer signifikant verlangsamt hatten. Die EZB hat unter dem jetzigen Rahmen genügend Spielraum, das derzeitige Ankaufsverhalten bis zum angekündigten Ende des PEPPs im März 2022 durchzuhalten, aber es ist natürlich zu erwarten, dass es zu einer Verlangsamung (Tapering) kommen wird, eventuell schon im Juni. 22 06 // 2021

MARKT FAZIT Die Reaktion führender globaler Zentralbanken auf die Herausforderungen, die die Covid- 19-Pandemie mit sich brachte, war in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich. Sie war schnell, zielgerichtet und größtenteils gut mit der Fiskalpolitik koordiniert, ohne die Unabhängigkeit der Zentralbanken akut zu gefährden. Die Stoßrichtung war klar, da der anfängliche Nachfrageschock die Inflationsaussichten weltweit senkte und es keinen Zielkonflikt zwischen fiskalischen Impulsen und Inflationsziel gab. Die Reaktionsstrategie war auch in einem anderen Sinne unkompliziert: Die Banken konnten eingesetzt werden, um die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie zu bekämpfen. Denn nach einem Jahrzehnt des Aufbaus von Kapital- und Liquiditätspuffern waren sie für die Politik in dieser Krise kein Sorgenkind – das Gegenteil der Erfahrung aus der letzten großen Finanzkrise. Der „Gewinner” dieser Krise ist QE: Erstens hat es sich von einem Instrument zur Beeinflussung der Inflationserwartungen zu einem integralen Bestandteil des geldpolitischen Kurses entwickelt. Zweitens haben die eingesetzten Beträge oft ähnliche Bemühungen während der Finanzkrise und der anschließenden Periode niedriger Inflation in den Schatten gestellt. Drittens hat auch ein bedeutender Teil der Schwellenländer begonnen, dieses Instrument erfolgreich zur Stabilisierung der Märkte einzusetzen. Als die Krise ausbrach, befanden sich die Fed und die EZB mitten in einer Strategieüberprüfung. Die Fed, die in diesem Prozess weiter fortgeschritten war, beschloss, ihren neuen geldpolitischen Handlungsrahmen fertigzustellen. Sie wurde im Wesentlichen ehrgeiziger in Bezug auf den Beschäftigungsaspekt ihres Doppelmandats – ein gutes Mittel, um mitten in einer Krise klare und glaubhafte Signale zu setzen. Die EZB hingegen hat die Arbeit an ihrem Überprüfungsprozess im letzten Jahr ausgesetzt, ihn aber inzwischen wieder aufgenommen. Die Schlussfolgerungen der EZB werden sicherlich weniger auf den Arbeitsmarkt ausgerichtet sein als die der Fed, und es ist nicht von vornherein klar, welche Rolle ein Beschäftigungsziel in der Geldpolitik in Zukunft spielen sollte. Dennoch sollte die EZB ehrgeizig sein, wenn es darum geht, andere Probleme anzugehen, die sich in den letzten zwei Jahrzehnten aufgestaut haben und zwar aus Gründen, die denen der Fed ähnlich sind: klare Kommunikation von eindeutigen geldpolitischen Zielen und Strategien. Letztendlich hat die Reaktion auf die Covid-Pandemie viele Fragen über das Zentralbankwesen und die Durchführung (und Grenzen) der Geldpolitik aufgeworfen. Tatsächlich bleibt die größte Frage von allen vorerst unbeantwortet, rückt aber bereits ins Zentrum der Aufmerksamkeit der Märkte: Was passiert, wenn der globale geldpolitische Kurs zurückgenommen werden muss? Autor Andreas Billmeier. Europäischer Volkswirt bei Western Asset Management, Teil von Franklin Templeton. 1 Kumulativ ungewichtet, einschließlich der beiden späteren Zinssenkungen der Norges Bank im Mai 2020 und der RBA im November 2020 sowie abzüglich der Zinserhöhung der Riksbank Anfang Januar 2020. 2 Der Kapitalschlüssel spiegelt die Kapitaleinlagen der Zentralbanken der Eurozone und anderer europäischer Länder bei der EZB wider (obwohl sich die Large-Scale Asset Purchases (LSAP) der EZB natürlich auf die Länder der Eurozone konzentrierten). Die von der EZB bereitgestellten Daten deuten darauf hin, dass die Käufe im Rahmen des PEPP nie sehr weit vom Kapitalschlüssel entfernt waren. 06 // 2021 23

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