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die bank 06 // 2019

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die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

BERUF & KARRIERE

BERUF & KARRIERE ausstellen, ist gefährlich: Denn die Anforderungen an ethisches Verhalten sind einerseits durch die Informationstransparenz im Internet und die Diskussionen im Social Web gestiegen. Andererseits wird unternehmerisches Verhalten immer komplizierter, da Geschäftsbeziehungen infolge von Digitalisierung und globaler Vernetzung anonymer ablaufen und so das Entstehen vertrauensvoller persönlicher Kontakte erschwert ist. Gleichzeitig hängt unternehmerischer Erfolg heute von datengetriebenen Lösungen ab. Diese erfordern häufig schwierige ethische Entscheidungen, etwa wenn es darum geht, das Potenzial von Algorithmen und künstlicher Intelligenz zu nutzen, die Experimentierfreude und Risikobereitschaft zu fördern oder Datenschutzregeln und strenge Compliance- Vorgaben einzuhalten. Reden hilft Compliance-Schulungen allein sind offenbar keine Lösung. Denn bei der Aussage „Ich glaube, dass mein Unternehmen unsere Kunden niemals belügen oder ihnen relevante Informationen vorenthalten würde“, ergibt sich kein signifikanter Unterschied zwischen Befragten, die an Compliance-Schulungen teilgenommen haben, und Nicht-Teilnehmern (35 Prozent gegenüber 38 Prozent Zustimmung). Doch das müsste das Ziel von Compliance-Schulungen sein. Schließlich bilden die Trainings den Maßstab für erwünschtes und unerwünschtes Verhalten. Anders sieht es aus, wenn ethische Fragen regelmäßig im Team besprochen werden. Dann vertreten 43 Prozent der Studienteilnehmer die Ansicht, dass ihr Unternehmen seine Kunden niemals täuschen würde. Dass solche Diskussionen tatsächlich im Unternehmen geführt werden, bestätigen allerdings nur 30 Prozent der Befragten. Integrität ist eine Frage der Unternehmenskultur Unsere Studie zeigt, dass die Unsicherheit vieler Mitarbeiter hinsichtlich der Integrität ihres Arbeitgebers und ihrer Kollegen eine Folge fehlender Auseinandersetzung mit ethischen Fragen im Unternehmen ist. Der Aussage „Wenn ich Bedenken in Bezug auf Ethik und Integrität äußere, kann ich sicher sein, dass mein Arbeitgeber das Richtige unternimmt“, stimmt nur jeder Dritte ohne Vorbehalte zu. Vertrauen ist das Resultat einer gelebten Kultur ethischen Handelns und vorbildlichen Führungsverhaltens. Eine solche Kultur ist vor allem durch die folgenden drei Elemente geprägt: Z Die Unternehmensleitung ist dafür verantwortlich, dass Unternehmensziele, -kultur und Markenidentität an ethischen Standards ausgerichtet sind. Z Eine konsequente Kundenorientierung muss Dreh- und Angelpunkt der Unternehmensstrategie sein. Z Zudem muss Integrität ein zentraler Wert des Unternehmens sein, der alle Prozesse durchdringt. Wenn diese Elemente gelebt werden, erkennen alle Mitarbeiter, dass ethisches Verhalten und Unternehmenserfolg sich nicht widersprechen, sondern Hand in Hand gehen. Risiken lauern nicht nur in der Chefetage Aber warum ist das wichtig? Längst kommen die größten Ethik- und Compliance-Risiken nicht mehr von einer kleinen Gruppe von Mitarbeitern, die Zugriff zu den Finanzmitteln des Unternehmens haben oder börsenrelevante Entscheidungen treffen. Vielmehr beruht ethisches Verhalten heutzutage auf dem Handeln vieler – sie reichen vom Datenwissenschaftler, Ingenieur oder Programmierer bis zu den Mitarbeitern, die direkten Kundenkontakt und Zugang zu Kundendaten haben. Agile Unternehmen stehen hier vor besonderen Herausforderungen. Denn Anforderungen an größere Experimentierfreudigkeit und Risikobereitschaft in der Produktentwicklung stehen im Gegensatz zu strengen Compliance-Regeln. Gerade in diesem Umfeld sollten Gespräche über die ethischen Konsequenzen von Geschäftsentscheidungen Bestandteil der täglichen Arbeit sein. Zudem müssen Führungskräfte sicherstellen, dass Zielvereinbarungen und Anreizsysteme keine Ellenbogen-Mentalität fördern. Vorgaben, die gemacht werden, müssen erreichbar bleiben. Denn Ziele, die nicht realisierbar sind, verstärken nur die Bereitschaft zu schummeln oder verleiten dazu, hohe Risiken in Kauf zu nehmen, um an Boni und andere Gratifikationen zu kommen. Der eigene moralische Kompass Um ethisches Handeln in Unternehmen durchzusetzen, sind vor allem Führungskräfte gefordert. Unsere Daten sind hier eindeutig und zeigen, dass die im Arbeitsalltag erlebte Qualität der Führung erheblichen Einfluss darauf hat, wie integer das Unternehmen wahrgenommen wird. Das beginnt bei einem regelmäßigen, konstruktiven Feedback und geht über das Hören der Mitarbeiter und ihre Einbeziehung in Entscheidungen bis hin zu der Möglichkeit der persönlichen und fachlichen Weiterentwicklung. 65 Prozent der Mitarbeiter mit guten Führungskräften stimmen der Aussage „Ich glaube, dass mein Unternehmen unsere Kunden niemals belügen oder ihnen Informationen vorenthalten würde, die für sie relevant sind“ ohne Wenn und Aber zu. Bei Beschäftigten mit einer schlechten Führungskraft sind dies nur 21 Prozent. Ähnlich verhält es sich bei der Zustimmung zur Aussage „Ich vertraue darauf, dass mein Unternehmen sich immer dafür entscheiden wird, das Richtige zu tun, statt nur Profit und den eigenen Vorteil im Blick zu haben.“ Jeder zweite Mitarbeiter mit einer guten Führungskraft stimmt hier zu, aber nur 3 Prozent der Mitarbeiter mit einem „schlechten“ Chef. Führungskräfte müssen dafür sorgen, dass ethische Standards Teil der Unternehmens- DNA werden. Sie sind gefordert, eine Kultur des gegenseitigen Vertrauens zu schaffen. Ihre Aufgabe ist es, Mitarbeiter zu befähigen und 74 06 // 2019

BERUF & KARRIERE 2 | Finanzielles Wohlergehen und Einfluss auf den Geschäftserfolg Kunden die der Aussage, dass die Bank sich um ihr finanzielles Wohlergehen kümmert, uneingeschränkt zustimmen. Alle anderen Kunden Kundenbindung – Emotional gebundene Kunden* 84 % 19 % NPS – Promotoren 91 % 29 % Produktnutzungsquote bei der Hauptbankverbindung (Anzahl Produkte) 6,5 5,8 Anteil der Geldanlagen des Haushalts bei der Hauptbankverbindung 25 % 13 % Vertrauen in die Hauptbankverbindung (großes oder ziemlich großes Vertrauen) 68 % 24 % Ist der einzige Anbieter, den ich für meine finanziellen Bedürfnisse benötige (stimme vollständig zu) 73 % 13 % Ist eine Bank, die ich mein ganzes Leben lang nutzen werde (stimme vollständig zu) 77 % 16 % Unterstützt mich dabei, meine finanziellen Ziele zu erreichen (stimme vollständig zu) 80 % 4 % * Gallups Ansatz zur Bestimmung der emotionalen Kundenbindung. Emotional gebundene Kunden stellen dabei die beste von insgesamt drei Kategorien dar. Quelle: Gallup. zu motivieren, den eigenen moralischen Kompass anzuwenden. Dazu gehört insbesondere, dass ethische Probleme offen und ohne Bedenken angesprochen werden können. Die Kultur des Zweifelns Auch vor der Finanzkrise gab es in den Banken mit großer Wahrscheinlichkeit Mitarbeiter, die den angebotenen Finanzprodukten misstrauten. Sie haben ihre Zweifel aber nicht geäußert oder wurden nicht gehört. Unternehmen brauchen allerdings eine Kultur des Zweifelns. Sie müssen Mitarbeiter zu kritischem Denken auffordern und ermutigen, zu reflektieren und angstfrei Dinge zu hinterfragen. Doch jeder dritte Arbeitnehmer gab zu Protokoll, im vergangenen Jahr schwere Bedenken gegenüber seinem Vorgesetzten mindestens einmal nicht geäußert zu haben. Jeder fünfte Arbeitnehmer lebt sogar in einer Angstkultur. Diese Personen hatten in den vergangenen zwölf Monaten dreimal oder häufiger geschwiegen, obwohl sie unter dem Eindruck standen, dass in ihrem Betrieb etwas falsch läuft. Ein autoritärer Führungsstil verhindert den Einspruch oder Widerspruch bei Bedenken: Arbeitnehmer, die sich von ihrer Führungskraft auf Augenhöhe behandelt fühlen, schwiegen deutlich seltener als Beschäftigte, die den direktiven Führungsstil von oben herab erleben. FAZIT Gerade angesichts neuer Herausforderungen durch Digitalisierung und Globalisierung müssen Unternehmen die Art und Weise überdenken, wie sie mit Ethik und Moral umgehen. Offenheit und Dialog sind Grundpfeiler des Vertrauens. Ethische Fragen müssen bei der Entscheidungsfindung auf allen Ebenen berücksichtigt werden. Aufgabe der Führungskräfte ist es, Inte- grität durch gute Führung im Arbeitsalltag, eine Kultur des Vertrauens, offene Kommunikation und Vorbilder zu fördern. Integrität und Compliance sind dabei nicht nur Sache der Beauftragten im Unternehmen, sondern für jeden Mitarbeiter wichtig. Denn heute ist jeder für den Ruf seines Unternehmens verantwortlich und damit Teil der Compliance-Abteilung. Autor Marco Nink ist als Regional Lead Research & Analytics EMEA beim Beratungsunternehmen Gallup in Berlin tätig. 1 Für die Untersuchung wurden jeweils 1.000 zufällig ausgewählte Beschäftigte ab 18 Jahren in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Spanien befragt. Die Ergebnisse sind repräsentativ für die Arbeitnehmerschaft in den untersuchten Ländern. Die Studie ist Teil der europäischen Studienreihe „The Real Future of Work“. 06 // 2019 75

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