BERUF & KARRIERE ihr nicht bald bestimmte Wartungsarbeiten vorgenommen werden. Einem Unternehmer oder Manager sagt oftmals das Bauchgefühl, eine bestimmte Chance nutzen zu müssen, um langfristig erfolgreich zu sein – und das, obwohl scheinbar alle Fakten dagegensprechen. Vermittlung expliziten Wissens leichter Beide Formen des Wissens sind für den Erfolg eines Unternehmens wichtig, wobei in der Regel gilt: Die Vermittlung des expliziten Wissens ist leichter – nicht nur, weil es sich dokumentieren lässt, sondern auch, weil die Firmen hiermit in ihren Bereichen Aus- und Weiterbildung bereits viel Erfahrung gesammelt haben. Anders sieht es beim impliziten Wissen aus. Seine Vermittlung setzt oft voraus, dass es in einem gezielten Prozess der Externalisierung – beispielsweise durch eine systematische Befragung der Wissensträger – zunächst in ein explizites Wissen umgewandelt wird, sodass es dokumentiert werden kann. Dieses Externalisieren ist beim impliziten Wissen jedoch oft nur bedingt möglich, weshalb es nur mittels dialogischer Verfahren, wie etwa Coachingund Mentoring-Programme, an andere Personen transferiert werden kann. Beim impliziten Wissen kommt noch ein Aspekt hinzu: Es beruht auf Einstellungen, Überzeugungen und Haltungen, die durch konkrete Erfahrungen bedingt sind. Deshalb ist bei den Personen, die dieses Wissen internalisieren möchten – also so aneignen möchten, dass es ein integraler Bestandteil ihres Könnens wird – nicht selten auch eine Einstellungs- und Verhaltensänderung nötig. Sonst entfaltet das Wissen keine Wirkung. Auch deshalb ist seine Weitergabe oft nur in dialogischen Verfahren möglich. Steigende Anforderungen Dabei kann als Faustregel gelten: Je komplexer eine Aufgabe ist, umso mehr implizites Wissen muss zur Lösung übertragen werden. Dies ist insofern relevant, als in den letzten Jahren unter anderem im Zuge der Globalisierung der Wirtschaft sowie der fortschreitenden Digitalisierung– zumindest in der Wahrnehmung der Mitarbeiter – die Anforderungen in der Arbeitswelt stets gestiegen sind. Deshalb ist folgende These nicht gewagt: Die Unternehmen müssen der Vermittlung des impliziten Wissens mehr Zeit und Ressourcen und damit eine größere Bedeutung beimessen, wenn sie vermeiden möchten, dass in ihrer Organisation immer mehr Wissensinseln entstehen, die letztlich die oft angestrebte hierarchie- und bereichsübergreifende, nicht selten sogar unternehmensübergreifende Team- und Projektarbeit erschweren. Neben dieser Herausforderung sehen sich die Firmen im Bereich Wissensmanagement mit einer weiteren Aufgabe konfrontiert: Auch das explizite Wissen, das in der Vergangenheit oft von Generation zu Generation weitergegeben wurde, veraltet in der von rascher Veränderung und sinkender Planbarkeit geprägten verdichten Arbeitswelt rasch. Entsprechendes gilt für das externalisierte implizite Wissen: Alte Erfolgsrezepte taugen oft nicht mehr bzw. müssen aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen regelmäßig auf den Prüfstand gestellt werden. Da es häufig elektronisch gespeichert ist (zum Beispiel in firmeninternen Wikis), lässt sich das explizite Wissen heute zwar viel einfacher als früher aktualisieren und organisationsweit verbreiten. Ungeachtet dessen stehen die Unternehmen jedoch vor der Herausforderung, dieses fortlaufend zu aktualisieren. Deshalb gilt die alte Parole heute mehr denn 70 06 // 2019
BERUF & KARRIERE 1 | Explizites Wissen versus implizites Wissen Explizites Wissen = People to Document Implizites Wissen = People to People Kodifizierbares Wissen » kann beschrieben werden » kann dokumentiert und gespeichert werden Formen der Wissensweitergabe u. a. » Anleitungen » Prozesshandbücher » Interne Wikis Verhaltensorientiertes Wissen Anwendungsorientieres Wissen Kann zumindest nicht gewinnbringend in Dokumenten weitergegeben werden Formen der Wissensweitergabe » Dialogische Verfahren u. a. » Coaching/Mentoring » Lessons Learned Merke: Je komplexer eine Anforderung ist, umso mehr implizites Wissen muss in der Regel übertragen werden. Quelle: ifsm. Agilität bewahren Anschließend können erste Versuchsballons gestartet werden, um das Wissensmanagement den Erfordernissen der Digitalisierung anzupassen. Wichtig ist, dass dies in einem Prozess geschieht, in den immer wieder Reflexionsschleifen eingebaut sind, in denen beleuchtet wird, ob sich die Unternehmen bzw. Projektteams noch auf dem richtigen Weg befinden. Denn die Beteiligten betreten hierbei Neuland. Mindestens ebenso relevant ist es, im Prozess- bzw. Projektverlauf regelmäßig Folgendes zu überprüfen: Eignen wir uns bei dem von uns eingeschlagenen Weg überhaupt das erfolgsrelevante Wissen an, das unsere Organisation (künftig) braucht? Haben wir die relevanten Wissensträger als Mitstreiter beim Versuch gewonnen, einen fluiden Wissensmarkt in der Organisation zu schaffen? Gelangt das Wissen auch zu den Mitarbeitern, die es für ihre Arbeit brauchen, und wird es von ihnen effektiv genutzt? Erschwert wird dies aktuell oft dadurch, dass ein damit verbundenes Ziel oft lautet: Das Unternehmen soll schneller und agiler auf neue Herausforderungen reagieren können. Deshalb schaffen viele Firmen zurzeit – insbesondere in den Bereichen, in denen die Kernje: Wissensmanagement ist ein fortlaufendes Projekt (bzw. ein permanenter Prozess). Ausgangssituation analysieren Dies haben in den letzten Jahren viele Firmen erkannt. Deshalb überdenken sie ihr tradiertes Wissensmanagement und versuchen dieses zunehmend den heutigen Rahmenbedingungen anzupassen. Dieser Prozess verläuft in der Regel wie folgt: In einem ersten Schritt wird zunächst, wie bei fast allen Projekten, die Istbzw. Ausgangssituation analysiert. Es werden Fragen gestellt: Wie erfolgt unser Wissensmanagement heute? Entspricht dies noch den Erfordernissen im digitalen Zeitalter? Lassen sich unsere Unternehmensziele (etwa schnell und flexibel auf Marktveränderungen reagieren) so noch erreichen? Wo besteht Änderungsbedarf? Hierauf aufbauend stellen sich dann Fragen, die mit der Auftragsklärung zusammenhängen: Welches Wissen brauchen wir (künftig) aufgrund seiner Erfolgsrelevanz und sollte es ggf. kontinuierlich ausgebaut werden? Handelt es sich hierbei um explizites und/ oder implizites Wissen? Wer sind die relevanten Wissensträger? Sind diese Aspekte vorläufig geklärt, stellen sich folgende Fragen: Welche Ressourcen (u. a. Zeit, Geld, Technologien, Verfahren) stehen uns zur Wissensidentifikation, Wissensdokumentation und -verteilung sowie Wissensweiterentwicklung zur Verfügung bzw. welche Ressourcen brauchen wir? Welche Rahmenbedingungen struktureller, kultu- reller sowie motivationaler Art benötigen wir, damit in unserer Organisation keine bürokratische Wissensverwaltung, sondern ein ziel orientierter sowie hierarchie-, bereichsund funktionsübergreifender Wissensmarkt entsteht? leistungen der Organisation erbracht werden – sogenannte gerade Strukturen, die den einzelnen Arbeitsteams ein autonomeres und selbstbestimmteres Arbeiten ermöglichen sollen. Dies birgt jedoch stets die Gefahr, dass in der Organisation erneut Wissensinseln entstehen, was jedoch unbedingt zu vermeiden ist. FAZIT Wissensmanager stehen stets vor der Herausforderung, einerseits die Strukturen und Rahmenbedingungen zu schaffen, die für ein zukunftsorientiertes Wissensmanagement nötig sind, und andererseits keinen bürokratischen Moloch zu schaffen, der ein agiles Arbeiten erschwert. Hier die erforderliche Balance zu finden, ist nicht nur eine komplexe Management-, sondern auch Leadership-Aufgabe. Denn dies setzt voraus, bei allen Beteiligten ein Bewusstsein zu schaffen, weshalb ein modernes Wissensmanagement für den Erfolg des Unternehmens nötig ist. Ohne starke Promotoren auf allen Management- und Führungsebenen gelingt dies nicht. Autor Klaus Kissel ist einer der beiden Geschäftsführer des Trainings- und Beratungsunternehmens ifsm, Höhr-Grenzhausen bei Koblenz. Kissel ist systemischer Coach sowie Personal- und Organisationsentwickler. 06 // 2019 71
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