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die bank 06 // 2018

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

REGULIERUNG ebenfalls

REGULIERUNG ebenfalls mit in die Verantwortung genommen und sind aufgefordert, die für die Prüfung benötigten Daten proaktiv von den Vertreibern anzufragen. Im Fokus stehen dabei quantitative Informationen zum Umfang der Verkäufe außerhalb des Zielmarkts oder im negativen Zielmarkt des Herstellers. Vertreiber sollen aber auch qualitative Informationen wie die Art der Kunden oder erhaltene Beschwerden liefern und den Hersteller auf etwaige falsche Zielmarktbestimmungen hinweisen. Wie dieses Rückmelde-Regime in der Praxis in diesem Jahr umgesetzt wird, ist aufgrund eines fehlenden Marktstandards noch unklar. Der Gesetzgeber schreibt nicht vor, wie die Rückmeldungen konkret gestaltet werden oder wie oft diese erfolgen müssen. Die Interessensvertreter wie der Bankenverband, der DSGV oder der Deutsche Derivate Verband bemühen sich derzeit, eine Standardisierung zu etablieren. Zudem wird das Thema demnächst von Verbänden auf europäischer Ebene diskutiert werden. Ein zentraler Vorschlag ist die Vorgabe eines möglichst einheitlichen Reports, der ein- oder zweimal jährlich den Herstellern übermittelt wird. Als Möglichkeit zur Reduzierung des organisatorischen Aufwands wird die Einführung von Schwellwerten diskutiert. Zur Erfüllung der Anforderungen an die Product Governance sollten Vertreiber schon seit Januar 2018 eine technische Infrastruktur etabliert haben, um die für die Rückmeldungen benötigten Zielmarktdaten aus dem Vertrieb sammeln, auswerten und aggregieren zu können. Absehbar ist bereits jetzt, dass Hersteller im Lauf des Jahres mit einer Flut von Reports überhäuft werden. Es bleibt abzuwarten, inwiefern sich in diesem Jahr eine Standardisierung in Deutschland etablieren wird und insbesondere, wie Vertreiber aus anderen EU-Ländern mit der Umsetzung umgehen werden. Daher sollten Hersteller organisatorische Prozesse schaffen, um die erhaltenen Informationen analysieren und im Review der Zielmärkte systematisch berücksichtigen zu können. Syndizierte Bond Emissionen Die syndizierte Emission von Bonds stellt Mitglieder von Konsortien bei der Umsetzung der Product Governance vor besondere Herausforderungen. Immer dann, wenn mehrere Parteien bei der Herstellung eines Produkts zusammenarbeiten, müssen die gegenseitigen Pflichten in einer schriftlichen Vereinbarung festgehalten werden. Insbesondere muss geklärt werden, welche Mitglieder im Konsortium als Hersteller gelten, wer den Zielmarkt festlegt und wie der Zielmarkt für die jeweilige Emission definiert wird. Die International Capital Market Association (ICMA) hat ein Vorgehensmodell für den internationalen Bondmarkt entwickelt, das sich in den letzten Monaten immer mehr als Standard bei syndizierten (internationalen) Emissionen im deutschen Markt durchsetzt. Da es sich bei diesen Bonds um einfache Produkte für den Massenmarkt handelt, wird ein vereinfachter Zielmarkt vorgeschlagen. Demzufolge reicht es für Bonds, die nur für den Vertrieb an professionelle Kunden emittiert werden, den Zielmarkt anhand der Kundenkategorie und der Vertriebsstrategie zu definieren. Alle anderen Zielmarktkriterien werden von professionellen Kunden ohnehin durch deren Expertise erfüllt und sind 52 06 // 2018

REGULIERUNG somit in der Kundenkategorie enthalten. Durch Maßnahmen wie eine große Stückelung und fehlende Vertriebsunterlagen soll ein Vertrieb an Privatkunden für diese Bonds vermieden werden. Ebenso wird für Bonds, die zum Handel an einem regulierten Handelsplatz zugelassen und auch für Privatkunden vorgesehen sind, unter besonderen Voraussetzungen (z. B. besonders einfache, nicht-komplexe Bonds im Sinne der MiFID II) unter Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips der vereinfachte Zielmarkt vorgeschlagen. In beiden Fällen wird von der Definition eines negativen Zielmarkts abgesehen. In der Praxis werden inzwischen bei einem Großteil der syndizierten Bond-Emissionen in Deutschland die Zielmärkte gemäß den Vorgaben und Vereinfachungen der ICMA in die Vertragsunterlagen aufgenommen und ggf. auch über Bloomberg oder WM-Datenservice publiziert. Bei Bond-Emissionen für Privatkunden legen derzeit jedoch deutsche Emittenten Wert darauf, alle Kriterien des deutschen Zielmarktkonzepts im Konsortium zu definieren und diese an WM-Datenservice zu übermitteln. Dadurch wird sichergestellt, dass in den Systemen der deutschen Vertriebsstellen alle erwarteten und benötigten Daten für eine Zielmarktprüfung vorliegen. Andernfalls könnte der vereinfachte ICMA-Zielmarkt zu Einschränkungen in der Anlageberatung in Deutschland führen. Datenmanagement Die Konzeption, das Vorhalten und die interne Distribution von Zielmärkten hat vielerorts eine Diskussion über die passende IT-Architektur angestoßen. Langjährige Erfahrung besteht zwar bei produktbezogenen Daten auf ISIN-Ebene oder Produktkategorien im Rahmen des NPP. Bei der Product Governance geht es jedoch primär um Produktvarianten durch die fachliche Brille des Vertriebs und der Eignung für verschiedene Kundengruppen. Diese Sicht mit einer bestehenden zu vereinen, führt zwangsläufig zu Kompromissen im Vertrieb. Dagegen bringt das Aufsetzen einer neuen, zentralen Produktdatenbank viele Vorteile mit sich: stringente Ausrichtung an der Vertriebssicht, klare fachliche Governance, einfache Anpassungs- und Konfigurationsmöglichkeiten, fortlaufende Analysen und Überwachung sowie Golden Source für die institutsinterne Distribution der Zielmarktdaten an die verschiedenen Vertriebskanäle. FAZIT Es ist zu erwarten, dass in den nächsten Jahren noch Nachjustierungen seitens ESMA und den nationalen Aufsichten vorgenommen werden. Viele Aspekte wie z. B. Standards für den Review, negative Zielmärkte, eine EU-weite Harmonisierung von Zielmärkten oder auch der Umgang mit OTC-Derivaten sind noch nicht final. Zudem hat die EU-Kommission in ihrem Aktionsplan über nachhaltige Finanzierung am 8. März 2018 angekündigt, dass Aspekte der Nachhaltigkeit von Investments künftig beim Vertrieb und in der Beratung stärker in den Fokus rücken sollen, und möchte entsprechende Änderungen an den delegierten Rechtsakten noch in Q2 2018 auf den Weg bringen (betrifft MiFID II und die neue Versicherungsvertriebsrichtlinie IDD). Bis es für alle o. g. Aspekte umsetzungsreife Standards gibt, wird es noch einige Monate dauern. Marktteilnehmer können die Zeit aber nutzen, indem sie in eine stringente, saubere und gut konfigurierbare IT-Infrastruktur (z. B. in Form einer zentralen Produktdatenbank) zur Produktfreigabe, Definition von Zielmärkten und zur internen Distribution für den Point of Sale und die Kontrollprozesse investieren. Autoren Moritz von Medem ist Senior Manager bei d-fine und war in den letzten Jahren in diversen Themen der Kapitalmarktregulierung tätig, u. a. MiFID II/MiFIR und EMIR. Daneben beschäftigt er sich mit den Themen Brexit und Digitalisierung. Michaela Bundschuh ist Managerin bei d-fine. Die letzten Jahre hat sie in diversen Projekten zum Thema Kapitalmarktregulierung gearbeitet, wie z. B. MiFID II/MiFIR mit Schwerpunkt Product Governance und Clearing unter EMIR. Daneben beschäftigt sie sich mit Prozessautomatisierung. 06 // 2018 53

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