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die bank 06 // 2016

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die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

ó BETRIEBSWIRTSCHAFT

ó BETRIEBSWIRTSCHAFT tut bei der Darlehensvergabe keine sonstige selbstständige Leistung, für die es nach dem gesetzlichen Grundfall ein Entgelt verlangen könne. Vielmehr würden mit dem Bearbeitungsentgelt nur Kosten für Tätigkeiten auf den Kunden abgewälzt, die das Kreditinstitut im eigenen Interesse oder aufgrund bestehender eigener Rechtspflichten erbringt. Die Zurverfügungstellung der Valuta, die Bearbeitung des Darlehensantrags, die Bonitätsprüfung, die Erfassung der Kundenwünsche und -daten, das Führen der Vertragsgespräche, die Abgabe des Darlehensangebots und die Beratung des Kunden stellten keine separat vergütungsfähige Sonderleistung dar. Abreden, die den Aufwand hierfür dem Kunden auferlegen, würden ohne Ansehung des Einzelfalls den Kreditnehmer bei unternehmerischen Krediten genauso unangemessen benachteiligen wie einen Verbraucher. Entsprechend verurteilte das OLG Frankfurt das Kreditinstitut zur Rückzahlung der Bearbeitungsgebühren. Dabei war sich das Gericht seiner Sache offenbar so sicher, dass es trotz Kenntnis der entgegengesetzten Rechtsprechung – etwa des OLG München – nicht einmal die Revision gegen das Urteil zuließ. Kritik: Ohne Verhältnis zur Praxis und im Widerspruch zum BGH Man mag dem Urteil des OLG Frankfurt noch insoweit folgen, dass es sich bei der Bearbeitungsgebühr-Klausel nicht um eine kontrollfreie Individualvereinbarung handelt. Denn hierfür reicht es nicht aus, eine Klausel zu erörtern, sie muss vielmehr offen zur Disposition gestellt werden. Dies war im strittigen Fall wohl nicht passiert. Soweit das OLG dann aber ausführt, Bearbeitungsgebühren in Unternehmenskrediten würden den Kunden stets unangemessen benachteiligen, stellt das Urteil die tatsächlichen Verhältnisse im Kreditgeschäft auf den Kopf und steht im offenen Widerspruch zur neuesten Rechtsprechung des BGH. Urteil an Verhältnissen der Praxis vorbei Tatsächlich verhält es sich genauso wie von der Hypothekenbank im Streitfall dargestellt: Wer als Kreditgeber nicht weiß, wie lange der Kredit laufen wird, kann seinen Bearbeitungsaufwand nicht (was einer gerichtlichen Kontrolle entzogen wäre) zuverlässig in den vertraglichen Zins einpreisen. Denn bei einer kurzen Laufzeit müsste der Zins viel höher angesetzt werden als bei einem mehrjährigen Kreditengagement. Schon bei einem „normalen“ Unternehmenskredit kann der Bearbeitungsaufwand für das Kreditinstitut erheblich sein: ó Regelmäßig muss zur Geldwäscheprävention der wirtschaftlich Berechtigte auf Kreditnehmerseite ermittelt werden. ó Zur Erfüllung der Pflichten nach dem Kreditwesengesetz müssen die Bonität des Kreditnehmers und dessen Jahresabschlüsse geprüft werden. ó Die Bank muss ein Rating für die Eigenkapitalunterlegung erstellen und Beleihungswerte ermitteln sowie weitere Pflichten nach den Risikoregeln der BaFin erfüllen. Wird der Kredit nicht alleine, sondern durch ein Bankenkonsortium gewährt, kommt ein erheblicher Abstimmungsaufwand für die Verhandlungen innerhalb der Konsorten sowie die Kreditverhandlung mit dem Darlehensnehmer hinzu. Endgültig den Rahmen sprengt der Bearbeitungsaufwand aber in Restrukturierungsfällen. Dort müssen Sanierungsgutachten erstellt und geprüft, Sicherheiten wirtschaftlich und rechtlich bewertet sowie komplexe Verhandlungen mit dem Kreditnehmer, anderen Banken, Anwälten, Wirtschaftsprüfern und staatlichen Stellen geführt werden. Zudem müssen eine Vielzahl von Regularien bis hin zum Beihilferecht beachtet werden. Ein Bärendienst für notleidende Unternehmen In der Praxis kann ein mittelständischer Sanierungskredit über 300 Mio. € im Extremfall schon einmal Bearbeitungs-, Restrukturierungs-, Arrangierungs- und Konsortialführungsgebühren sowie Aus- 50 diebank 06.2016

BETRIEBSWIRTSCHAFT ó reichungsentgelte für Rückbürgschaften in Höhe von 17 Mio. € auslösen – also rund sechs Prozent der Darlehenssumme. Alle vorgenannten Entgelte könnte man als Bearbeitungsgebühren im Sinn der Rechtsprechung betrachten. Wenn die Banken hier tatsächlich gezwungen würden, den Bearbeitungsaufwand wie vom OLG Frankfurt gefordert in den Zins einzupreisen, wären die Folgen immens: Die Banken würden angesichts der Ungewissheit, ob und wie lange der Kreditnehmer wirtschaftlich überlebt, entweder gar nicht erst einen Sanierungskredit vergeben oder die Zinsen so hoch ansetzen, dass diese den Kreditnehmer wirtschaftlich erdrosseln. Notleidenden Unternehmen und deren Arbeitnehmern wäre damit ein Bärendienst erwiesen. Entgegenstehende BGH-Rechtsprechung bei Förderdarlehen Eine Woche vor dem Urteil des OLG Frankfurt hat sich der BGH mit der ebenfalls strittigen Frage beschäftigt, ob Bearbeitungsgebühren auch bei staatlichen Förderdarlehen von den Kreditnehmern zurückgefordert werden können. Die Karlsruher Richter haben dies mit überzeugenden Argumenten abgelehnt (Urteil vom 16. Februar 2016, Aktenzeichen XI ZR 454/14). In diesem Zusammenhang hat der BGH auch Ausführungen gemacht, die für unternehmerische Kredite im Allgemeinen gelten und dem Urteil des OLG Frankfurt widersprechen. Danach wird zwar eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners indiziert, wenn eine Vertragsklausel vom gesetzlichen Grundfall zulasten des Kreditnehmers abweicht. Diese Vermutung ist aber widerlegt, wenn die Klausel „aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung den Kunden gleichwohl nicht unangemessen benachteiligt“. Davon sei regelmäßig auszugehen, wenn die Erhebung der Bearbeitungsgebühren „sachlich gerechtfertigt“ sei. Gemessen an diesen Wertungsmaßstäben lässt sich das Urteil des OLG Frankfurt schon deswegen nicht aufrechterhalten, weil die Frankfurter Richter die erforderliche Interessenabwägung gerade nicht vorgenommen, sondern alle AGB- Bearbeitungsgebühren pauschal als unzulässig angesehen haben, ohne den Einzelfall zu berücksichtigen. Wenn man aber die vom BGH geforderte Interessenabwägung vornimmt, kann an der Zulässigkeit der Erhebung von Bearbeitungsgebühren letztlich kein begründeter Zweifel bestehen: Denn das Kreditinstitut hat gerade bei ungewisser Vertragsdauer ein rechtlich schützenswertes Interesse daran, seinen mit der Kreditvergabe verbundenen Bearbeitungsaufwand anders als über den fest vereinbarten Zins an den Kunden zu berechnen. Dabei sind solche Bearbeitungsentgelte letztlich auch im Interesse der Unternehmen. Ihnen wäre nicht geholfen, wenn eine Bank die Kreditvergabe wegen des nicht umzulegenden Bearbeitungsaufwands generell ablehnt oder die Zinsen wegen der unklaren Laufzeit so hoch festgesetzt werden, dass sie den Kreditnehmer wirtschaftlich erdrosseln. Hinzu kommen die bereits von anderen Gerichten angestellten Erwägungen, nach denen es bei unternehmerischen Krediten an der situativen Unterlegenheit und dem Druck auf den Darlehensnehmer fehlt, die bei Verbraucherkrediten die Unzulässigkeit von Bearbeitungsgebühren rechtfertigen (so zuletzt OLG München, Beschluss vom 13. Oktober 2014, Aktenzeichen 27 U 1088/14). Die Berechnung von Bearbeitungsentgelten im unternehmerischen Bereich entspricht einem Handelsbrauch (so zuletzt LG Wiesbaden, Urteil vom 12. Juni 2015, Aktenzeichen 2 O 298/14). Nichtverbraucher im Rahmen der AGB-Kontrolle sind generell weniger schutzbedürftig (so zuletzt LG Cottbus, Urteil vom 18. Juni 2015, Aktenzeichen 2 O 27/15). Wie lassen sich Bearbeitungsgebühren vermeiden? Zusammengefasst ist das Urteil des OLG Frankfurt, das alle Kreditnehmer über einen Kamm schert und Bearbeitungsgebühren generell verbietet, weder sachlich noch rechtlich haltbar. Vielmehr ist die Vereinbarung von Bearbeitungsgebühren zumindest bei Krediten, deren Laufzeit nicht von vornherein feststeht, im unternehmerischen Rechtsverkehr zulässig. Bis der Bundesgerichtshof möglichst bald für Klarheit zur Zulässigkeit von Bearbeitungsgebühren gegenüber Unternehmen sorgt, werden Kreditinstitute aber aufgrund des Urteils des OLG nicht umhinkommen, Bearbeitungsgebühren zu vermeiden. Steht die Kreditlaufzeit von vornherein fest, kann der Bearbeitungsaufwand etwa durch einen Zuschlag in den vertraglichen Zinssatz eingerechnet werden. Wenn aber die Laufzeit des Kreditvertrags offen ist oder wie bei Sanierungskrediten Bedenken hinsichtlich der Überlebensfähigkeit des Kreditnehmers bestehen, sollten Kreditinstitute über andere Berechnungsmöglichkeiten nachdenken. So könnte etwa ein laufzeitabhängiger degressiv fallender Zinssatz vereinbart werden. Dies würde eine frühzeitige Kompensation des Bearbeitungsaufwands ermöglichen, ohne den Kreditnehmer langfristig zu erdrosseln. Ergänzend könnten Banken zudem in Erwägung ziehen, das aufsichtsrechtlich ohnehin erforderliche Kundenrating diesem auch gegen ein Entgelt offenzulegen. Da der Kunde keinen Anspruch auf Offenlegung des Ratings hat, würde dies wohl eine Sonderleistung darstellen, die die Bank deswegen gesondert bepreisen darf. ó Autor: Nils Andersson-Lindström ist Rechtsanwalt bei der Kanzlei Schultze & Braun. 06.2016 diebank 51

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