Aufrufe
vor 3 Wochen

die bank 05 // 2023

  • Text
  • Wwwbankverlagde
  • Digitalisierung
  • Nachhaltigkeit
  • Fehlerkultur
  • Risiken
  • Organisation
  • Commerzbank
  • Anforderungen
  • Fehler
  • Unternehmen
  • Banken
die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

MARKT ASSET LIABILITY

MARKT ASSET LIABILITY MANAGEMENT Das Silicon Valley Bank-Debakel: Lessons Learned Eine kritische Beleuchtung des Zusammenbruchs der Silicon Valley Bank hilft bei der Weiterentwicklung von Risikomanagement-Systemen von Banken. Hinsichtlich der Eigenmittelausstattung hat sich anerkanntes Wissen einmal mehr bestätigt. Andere Aspekte des SVB-Debakels, wie die Unterschätzung von Zinsänderungsrisiken und die Nichtberücksichtigung von gleichgerichtetem Kundenverhalten, verdienen im gegenwärtigen Zinsumfeld eine vertiefende Würdigung. Knapp 30 Jahre sind seit der Veröffentlichung des prophezeienden Artikels von Stephen C. Figlewski „How to Lose Money in Derivatives“ vergangen. In erschreckend akkurater Vorwegnahme späterer Derivate- und Finanzkrisen werden darin grundsätzliche Fehler im Umgang mit Derivaten aufgezählt: fehlgeleitete Absicherungsgeschäfte (Hedging), Gegenparteirisiken, Spekulation, gezwungene Liquidationen zu gefallenen Marktwerten, Unverständnis über Risikoexposition. Vor dem Hintergrund des Zusammenbruchs der Silicon Valley Bank – nach der Insolvenz der First Republic Bank die zweitgrößte Bankenpleite seit der globalen Finanzkrise von 2008 – drängt sich die leicht abgewandelte Frage auf: How to Lose Money in Asset Liability Management? Asset Liability Management (ALM), auf deutsch: Bilanzstrukturmanagement, ist im Rahmen des Bankmanagements ein Prozess, bei dem Bankbilanzpositionen hinsichtlich ihrer Ergebnisbeiträge, ihrer marktwirtschaftlichen Risiken und einschlägiger regulatorischen Anforderungen vorteilhaft für eine Gesamtbank abgestimmt werden. ALM ist dabei Kunst, Wissenschaft und Handwerk zugleich: Finanzmathematische Theorien treffen auf handwerklich bewährte Konzepte, die schließlich mit einer Portion Intuition und gesundem Menschenverstand umgesetzt werden. So erfolgreich solides ALM sein kann, so desaströs wirkt es sich im Fall einer schlampigen Anwendung auf die Überlebensfähigkeit einer Bank aus. Ein Blick auf den Zusammenbruch der Silicon Valley Bank erlaubt eine Reihe hilfreicher Beobachtungen, selbst wenn man anerkennen muss, dass die Mehrzahl der europäischen (und deutschen) Banken sich strukturell von der auf Hightech-Unternehmen und Start-ups fokussierten US-amerikanischen Spezialbank unterscheiden. Vor dem Hintergrund rasant steigender Zinsen dienen die Fehleranalysen (Lessons Learned) einer Weiterentwicklung bestehender Risikomanagement-Systemen. Lessons Learned I: Eigenmittel stärken Interessanterweise empfehlen Banken ihren eigenen Kunden regelmäßig, bei Immobilienkrediten (die mit zu den sichersten Krediten gehören, die ein Konsument aufnehmen kann) 20 bis 30 Prozent des Kaufpreises aus eigenen Mitteln aufzubringen, während sie diese „Faustregel“ aber nicht auf ihre eigene Fi- 8 05 | 2023

MARKT nanzierung anwenden. Dies ist auch aus der Bilanzstruktur der Silicon Valley Bank (SVB) zum Jahresende 2022 klar ersichtlich: Das Eigenkapital macht nach den amerikanischen Buchhaltungsregeln (Generally Accepted Accounting Principles, GAAP) nur 12 Mrd. US-Dollar an der Bilanzsumme von 212 Mrd. US-Dollar aus, also weniger als 6 Prozent. (Vgl. die Abbildung ÿ 1, linkes Bilanzschaubild). Die GAAP erlauben es, bis zur Endfälligkeit gehaltene Wertpapiere in der Bilanz als gesonderte Position „Held to Maturity“ (HTM) zu klassifizieren. Darunter fallen Anleihen, die planmäßig nicht vor Endfälligkeit verkauft werden sollen. Nicht realisierte Gewinne und Verluste werden im Jahresabschluss dann nicht erfasst, da diese Positionen am Bilanzierungsstichtag nicht zu Marktpreisen bewertet werden. Stattdessen werden die Positionen zum Buchwert bilanziert und über die Laufzeit abgeschrieben. Noch im Jahr 2022 hat ein Zinsanstieg von ca. 2,7 Prozent zu unrealisierten Verlusten in Höhe von rund 15 Mrd. US-Dollar in den HTM- Positionen der SVB geführt. Hätte man bereits zum Bilanzstichtag 31. Dezember 2022 eine Bewertung der sich im Besitz der SVB befindlichen Hypothekaranleihen und festverzinslichen Staatsanleihen vorgenommen, wäre dadurch bereits das komplette Eigenkapital der Bank verloren gegangen (ÿ 1, rechtes Bilanzschaubild). Daraus lässt sich folgern, dass ohnehin sehr knappes Eigenkapital bei gleichzeitig nicht zum Marktwert bilanzierten Vermögenspositionen aus ALM-Sicht eine gefährliche Ausgangssituation kreiert. Lessons Learned II: Duration überschattet Beta Es ist eine weitverbreitete Auffassung, dass der Aktienmarkt volatiler, und damit auch riskanter, als der Anleihemarkt ist. Die länger als ein Jahrzehnt andauernde Niedrigzinspolitik hat die kollektive Erfahrung einer gesamten Generation von jungen Risikomanagern geprägt: Zinssätze wurden zwischen 2009 und 2021 als weitestgehend niedrig und stabil wahrgenommen. Der DAX, der deutsche Leitindex für Aktien, fluktuierte im selben Zeitraum hingegen in einem breiten Korridor zwischen etwa 5,000 und 15,500. 05 | 2023 9

die bank