DIGITALISIERUNG Ebenfalls gewünscht wird die Möglichkeit, anonym über Fehler zu berichten, damit andere daraus lernen können (40 Prozent). Nicht besonders beliebt hingegen sind die sogenannten Fuckup Nights, bei denen im Rahmen eines Events über persönliche berufliche Fehlschläge berichtet wird: 50 Prozent der Befragten geben an, dass es in ihrem Unternehmen dieses Format nicht gibt und es auch nicht geben sollte. Unterm Strich zeigt sich: In allen untersuchten Punkten von Hybrid Work und New Work ebenso wie in Bezug auf die Fehlerkultur insgesamt gibt es in den Firmen derzeit noch sehr viel Luft nach oben. Es empfiehlt sich, die Chancen einer konsequenten Umstellung auf moderne Arbeitsmethoden zu nutzen und dabei ein besonderes Augenmerk auf die Fehlerkultur zu legen. So ist das Sprechen über Fehler und Verbesserungsmöglichkeiten zum Beispiel ein wichtiger Aspekt in Retrospektiven, die bei der Arbeit mit agilen Methoden regelmäßig stattfinden. Grundsätzlich wird in agilen Teams Wert auf einen hierarchiefreien Austausch und entsprechende Transparenz gelegt. Beides gilt es gezielt zu unterstützen. Systematische Verankerung der Fehlerkultur Damit dies gelingt, ist es wichtig, dass die Entwicklung einer konstruktiven Fehlerkultur an einer konkreten Stelle im Unternehmen verankert wird, etwa bei den Change- oder New-Work-Beauftragten oder in der HR-Abteilung. Nur so kann sichergestellt werden, dass das herausfordernde Thema im Unternehmen konsequent weiterentwickelt wird und kein Lippenbekenntnis bleibt. Ratsam ist es auch, bei der Etablierung einer positiven Fehlerkultur, die Hürde anfangs nicht zu hoch zu legen und Führungskräfte zum Beispiel nicht von jetzt auf gleich zum freimütigen Zugeben von Fehlern und Unsicherheiten aufzufordern. Denn dies könnte zu Abwehrreaktionen führen, zumindest aber wirkungslos bleiben. Vielmehr sollte je nach aktuell herrschender Unternehmenskultur zunächst über Formate nachgedacht werden, bei denen Missgeschicke und der Umgang damit ohne die Nennung von Verantwortlichen besprochen werden können. Auf diese Weise lassen sich die Beteiligten von den positiven Auswirkungen eines konstruktiven Umgangs mit Fehlern überzeugen und werden ermutigt, die Verantwortung für ihre eigenen Irrtümer und Versäumnisse zu übernehmen. Möglich ist das Herantasten an das Sprechen über Unsicherheiten und Fehler auch im Kontext des Lernens oder des Eroberns neuer Geschäftsfelder, wenn sich Führungskräfte und Mitarbeitende gemeinsam ausdrücklich auf neues Terrain begeben. Grundsätzlich hat die gelebte Fehler- und damit auch Unternehmenskultur einen großen Einfluss darauf, wie Führungskräfte und Mitarbeitende mit Fehlern umgehen. Sie bestimmt darüber, ob sich die Belegschaft beim Zugeben von Fehlern sicher fühlt und sich nicht vor Jobverlust, Karrierenachteilen oder Gehaltseinbußen fürchten müss, wie das bislang laut der Studie noch häufig der Fall ist. Moderne Führungsmodelle, wie das Konzept der psychologischen Sicherheit, das bei Google als wichtigstes Kennzeichen von Hochleistungsteams gilt, aber auch Vulnerable Leadership oder Demut als wichtige Führungskompetenz, zahlen auf diese Erkenntnis ein. Auch sie leisten – vorausgesetzt sie werden konsequent umgesetzt – einen wichtigen Beitrag zu einer konstruktiven Fehlerkultur. Diese gilt nicht zuletzt als Voraussetzung dafür, dass Unternehmen sich in herausfordernden Zeiten permanent weiterentwickeln und eine Antwort auf immer neue Krisen finden können. Dies wiederum ist ein entscheidender Grund dafür, dass die Fehlerkultur in den Unternehmen an Bedeutung gewinnt. 56 05 | 2023
DIGITALISIERUNG 2 | Gründe, weshalb Fehler nicht thematisiert werden Vor allem Führungskräfte sprechen Fehler nicht an, aus Sorge vor Karrierenachteilen, Angst vor Jobverlust und Sorge vor Gehaltseinbußen Was sind die Gründe dafür, dass Sie Ihre Fehler nicht angesprochen haben? Gefragt nach den Gründen warum Fehler nicht angesprochen werden, geben 68 % der Führungskräfte an, dass sie Sorge vor Karrierenachteilen haben. 53 % geben an, dass sie Angst vor Jobverlust haben, und 29 % geben an, dass sie Sorge vor Gehaltseinbußen (Bonus) haben. Sorge vor Karrierenachteilen Angst vor Jobverlust 37 % 43 % 53 % 68 % Angestellte teilen diese Befürchtungen weitestgehend. Für Angestellte ist die Angst vor Gesichtsverlust mit 27 % etwas höher als bei Führungskräften mit 15 %. Sorge vor Gehaltseinbußen (Bonus) Angst vor Gesichtsverlust, ich rede nicht gerne über meine Fehler Sonstiges 29 % 22 % 15 % 27 % 3% 10 % Basis: Befragte, die ihre Fehler nicht oder nur teilweise angesprochen haben. Führungskräfte n = 127; Mitarbeitende n = 344 Führungskräfte Mitarbeitende FAZIT Der EY-Fehlerkulturreport 2023 zeigt: Insbesondere in der Finanzwirtschaft sprechen Füh- Quelle: EY. rungskräfte nicht gern über ihre eigenen Fehler – und das, obwohl sie durchaus vom Wert einer konstruktiven Fehlerkultur überzeugt sind. Gen Z fordert nahbare Führungskräfte Von großer Bedeutung ist eine gute Fehlerkultur für ein Unternehmen aber zudem nicht zuletzt, um gerade auch in Zeiten des Fachkräftemangels jüngere Mitarbeitende zu gewinnen und zu halten. Denn insbesondere die Generation Z legt großen Wert darauf, dass sich Vorgesetzte nahbar zeigen und über eigene Fehler sprechen. Schließlich wollen sie sich mit ihnen auf Augenhöhe austauschen und dazu gehört, dass Führungskräfte ihre eigenen Fehler, Irrtümer und Unsicherheiten eingestehen und nicht aus einer vermeintlich unfehlbaren Position die Leistungen ihrer Belegschaft bewerten. Erst dann fühlen sich auch die Mitarbeitenden sicher genug, um über ihre eigenen Fehler, aber auch Sorgen und Nöte zu sprechen. Dass sich die Einstellung zu Fehlern im Unternehmen nicht von heute auf morgen ändern lässt, liegt nicht zuletzt auch daran, dass das Thema Fehler in Deutschland grundsätzlich ein schwieriges ist: So hat der Wirtschaftspsychologe und Fehlerforscher Prof. Michael Frese von der Leuphana Universität Lüneburg in einer Studie die Fehlerkultur in 61 Ländern verglichen. Deutschland belegt darin in Sachen Toleranz für Fehler Platz 60. Nur in Singapur, wo kleine Fehltritte mit hohen Geldstrafen bestraft werden, werden Fehler noch weniger toleriert als bei uns. Auch das macht deutlich: Es gibt noch viel zu tun. Autoren Nelson Taapken, Partner im Bereich People Advisory Services bei der Unternehmensberatung EY. Prof. Dr. Christoph Seckler, Lehrstuhl für Entrepreneurial Strategy an der ESCP Business School Campus Berlin. Ihnen sollte jedoch klar sein: Solange sie nicht über ihre eigenen Ausrutscher sprechen, werden ihre Mitarbeitenden dies auch nicht tun. Denn nur, wenn die Führungskräfte selbst vorbildlich agieren, signalisieren sie ihren Teams, dass dieses Verhalten wirklich erwünscht und sicher ist. Unternehmen wiederum sollten die Führungskräfte nicht überfordern und sie – je nach Unternehmenskultur – Schritt für Schritt an das gewünschte Verhalten heranführen. So kann es zum Beispiel zunächst sinnvoll sein, über Fehler und den richtigen Umgang mit ihnen ohne die Nennung von Verantwortlichen zu diskutieren. Ebenfalls ein erster Schritt kann es sein, Fehler im Rahmen von Lern- und Innovationsprozessen zu thematisieren. Prof. Dr. Sebastian Fischer, Professor für „Wirtschaftspsychologische Methoden“ an der Hochschule Hamm-Lippstadt. 05 | 2023 57
05|2023 DORA-RICHTLINIE SO WERDEN D
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