REGULIERUNG ESG-RISIKEN IN DER MARISK (TEIL 2) Zielgruppenorientierte Umsetzung der neuen aufsichtlichen Erwartungen an den Kreditprozess ESG-Themen sind heute grundsätzlich Gegenstand der aufsichtlichen Prüfung. Unsere Autoren formulieren hier einen Kompass für den Umgang mit ESG-Risiken. Nach dem Überblick im ersten Teil dieses Beitrags (siehe Ausgabe „die bank“ 04 | 2023) gehen sie im hier vorliegenden zweiten Teil detaillierter auf die Anforderungen der Aufsicht an den Kreditprozess ein. Aufgrund ihrer zentralen Rolle als Finanzier der Wirtschaft kommt den Banken eine besondere Rolle zu, ökologische (E), soziale (S) und auf die Governance-bezogene (G) Risiken zu erkennen und ihr Kapital „richtig“ zu allokieren. Dafür sind neben den übergreifenden Anforderungen die kundenspezifischen ESG-Faktoren innerhalb der Kreditprozesse zu berücksichtigen. Aufgrund der hohen geschäftspolitischen Bedeutung der Kundenschnittstelle im Kreditgeschäft setzt dieser Beitrag hier den Fokus. 1 Grundlagen für die aufsichtlichen Erwartungen der Berücksichtigung von ESG-Faktoren werden mit der aktuellen MaRisk-Novelle 2 formalisiert und über die Verweise auf die Leitlinien für die Kreditvergabe und Überwachung der europäischen Bankenaufsicht EBA (EBA/GL2020/06) konkretisiert. Grundsätzlich ist damit die explizite Berücksichtigung 30 05 | 2023
REGULIERUNG 1 | Hervorzuhebende Anforderungen zu Kreditprozessen für die relevanten Organisationseinheiten Aufsichtliche Anforderungen an Kreditprozesse Relevante Organisationsbereiche Pflicht („Berücksichtigung von ESG-Risiken“) Kür („ökologisch nachhaltige Kreditvergabe“) » MaRisk BTO 1.2 (Kreditprozesse) » MaRisk BTO 1.2.1 (Gewährung) » MaRisk BTO 1.3.1 (Risikofrüherkennung) » EBA/GL/2020/06 Abschnitt 4.3.5 (ESG-Faktoren) Zusätzlich: » EBA/GL/2020/06 Abschnitt 4.3.6 (Ökologisch nachhaltige Kreditvergabe) Markt, Marktfolge, Risikocontrolling und Organisation Quelle: Darstellung abgeleitet aus BaFin (2022); EBA (2020). von ESG-Faktoren und -Risiken in den auf das Kreditgeschäft bezogenen Bankstrategien und -prozessen (zu Risikoappetit und Risikomanagement) festgestellt. Die Organisation ist folglich gefordert, die Unternehmensprozesse zur Vergabe und zur Überwachung von Krediten anzupassen. Prozessual ist dafür die Infrastruktur zur Datenverarbeitung aufzubauen. Inhaltlich ist die notwendige ESG-Datenbasis – wo nicht in geeigneter Form abrufbar – im Rahmen der Kreditprozesse kundenspezifisch zu erheben und zu verstehen. Dabei sind entweder die betreffende Bank selbst (mit ihren Datenerhebungsprozessen) oder aber zentral agierende Verbundunternehmen gefordert, sachgerechte Lösungen (mit ihren Datenverarbeitungsprozessen) bereitzustellen. Für die betreffende Bank sind drei Organisationseinheiten bei der pflichtmäßigen Umsetzung der aufsichtlichen Anforderungen entscheidend: Markt, Marktfolge und Risiko-Controlling. Übergeordnet ist aber auch die Organisation von der Anpassung der Kreditvergabe- und Kreditüberwachungsprozesse betroffen. Ergänzend zur Umsetzungspflicht gemäß MaRisk und EBA- Leitlinien geben die letztgenannten auch Maßgaben zur Vergabe von als ökologisch nachhaltig deklarierten Krediten (im Folgenden als „Kür“ aufgeführt). Welche konkreten Textstellen bei der Umsetzung v. a. zu beachten sind, zeigt Tabelle ÿ 1. Die Pflicht – Berücksichtigung von ESG-Risiken ESG-Risiken sind im Rahmen der Kreditprozesse differenziert zu beurteilen. Die kundenspezifische Beurteilung geschieht im Marktund Marktfolgebereich. Die portfoliobezogenen Wechselwirkungen der kundenspezifischen ESG-Informationen sind im Rahmen des Risikocontrollings übergreifend zu bewerten und hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Gesamtbank zu beurteilen. Gleichzeitig sind aus den Kreditprozessen resultierende Auswirkungen auf Abläufe und Aufbau der Organisation zu evaluieren und gegebenenfalls Anpassungen vorzunehmen. Die ESG-spezifischen „Pflichten“ aus der MaRisk-Novelle werden im Folgenden bzgl. der in Tabelle ÿ 1 aufgeführten Organisationsbereiche dargestellt. Markt – Kunden auf die neuen Anforderungen vorbereiten Die Markteinheiten sind mit der MaRisk- Novelle aufgefordert, relevante Informationen und Nachweise explizit zu berücksichtigen. Damit ist das spätere Kreditvotum von ESG-Faktoren beeinflusst bzw. kann beeinflusst werden. Führt etwa eine in Trockenperioden zunehmend eingeschränkte Schiffbarkeit von Flüssen bei einem Industriebetrieb zu Produktions- und Absatzeinbrüchen, so ist dies in der Beurteilung der Kapitaldienstfähigkeit zu explizieren (physisches Risiko). Wird bei einem Kreditnehmer in Bezug auf den Trend zur Dekarbonisierung (transitorisches Risiko) erkennbar, dass dieser zukünftig entweder umfangreiche Neuinvestitionen in CO2-arme Maschinen oder hohe finanzielle Ausgleichszahlungen (Stichwort CO2-Zertifikate) tätigen muss, so ist dies ebenfalls in der Beurteilung der finanziellen Verhältnisse des betreffenden Kreditnehmers zu berücksichtigen. Eine sachgerechte Einschätzung von beispielhaft genannten ESG-Faktoren erfordert weitestgehend neue oder zusätzliche Kompetenzen in den Marktbereichen einer Bank. Die betreffenden Mitarbeitenden sind aufgefordert, im laufenden Kundendialog zielgerichtet – abhängig von Kundenart, Finanzierung oder auch Zweck – die relevanten ESG-Anforderungen zu erkennen (Fachkompetenz) und die dafür notwendigen Informationen zu erheben. Wichtig ist, dass die Markteinheit ESGrelevante Informationen kontinuierlich bspw. in ihrer Gesprächsvorbereitung und -führung in geeigneter Weise aufnimmt, um eine angemessene eigene Bewertung und jene durch die Marktfolge sicherzustellen (Stichwort: Datenqualität). Die Herausforderung dabei ist, den Kunden auf leicht verständliche Art und Weise die Bedeutung der ESG-Faktoren für die Risikobeurteilung (Stichwort: Risikokosten) eines Kredits und damit den Kundennutzen zu vermitteln (Stichwort: vertriebliche Kompetenz). 05 | 2023 31
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