BERUF & KARRIERE MITARBEITER BRAUCHEN WERTSCHÄTZUNG Mit sozial kompatiblen Chefs gelingt der Wandel Die digitale Revolution zwingt zur geschäftlichen Neuorientierung. Respektvoller Umgang seitens der der Führungsebene und die Anerkennung des Leistungsbeitrags der anderen wirken in dieser Zeit des Umbruchs als entscheidende Gestaltungshelfer bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle. 68 05 // 2018
BERUF & KARRIERE Fortschritt, so der berühmte Satz des österreichischen Ökonomen Joseph Schumpeter (1883 bis 1950), ist schöpferische Zerstörung. Zwei Begriffe charakterisieren heute diese Zerstörung: Transformation und Disruption. Von ihrer Bedeutung her sind sie die Antwort auf den von der Globalisierung und der Digitalisierung weltweit angestoßenen disruptiven Prozess: die Verdrängung existierender Technologien, am Markt befindlicher Produkte und Dienstleistungen und kompletter Geschäftsmodelle durch grundstürzende Innovationen. Soll die Bewältigung dieses Prozesses gelingen, dann verlangt das, die betrieblichen Denkhorizonte und -vorgänge auf diese Entwicklung hin auszurichten, blinde Flecke in den unternehmerischen Gedankenspielen zu erkennen und auszuschalten. Und dazu das Denken aus den Fesseln des Widerspruch nicht tolerierenden Gruppendrucks zu befreien. Disruptives Denken versteht sich als Gegenspieler des durch Voreingenommenheit Möglichkeiten und Chancen ausblendenden Tunnelblicks. Routine und Denkweise durchbrechen In seiner beabsichtigten Wirkung ist disruptives Denken einem permanent kreisenden Radar vergleichbar. Es ermöglicht, mehr Aspekte einer Thematik oder Problematik, einer anstehenden Entscheidung oder Zielsetzung zu erfassen. In der kontinuierlich komplexen, weiträumigen und in ihren Zusammenhängen entsprechend schwieriger zu durchschauenden Wirtschaftswelt bietet das disruptive Denken die notwendige Unterstützung zur entscheidungsrelevanten Durchdringung schwer durchdringlicher Konstellationen, indem es die aus dem Gewohnten und Herkömmlichen herrührenden unbewussten „Sichteinschränkungen“ im Denken gezielt auszuschalten versucht. „Will das Unternehmen in diesem Sinn effizient arbeiten, dann sollte so wenig Sand wie nur möglich im Getriebe sein. Interne Reibungen hintertreiben mehr als alles andere die Bereitschaft, sich Neuem zu öffnen und gewohnte Denk- und Verhaltensroutinen aufzugeben“, sagt der Experte für Zusammenarbeit und Deutschlandgeschäftsführer der Coverdale Unternehmensberatung Thomas Weegen und verweist auf einen zentralen Ursprung dieser Reibungen: „Mauert die Belegschaft bei der betrieblichen Anpassung an das innovatorisch Notwendige, dann deutet das zuallererst auf mangelnde Sozialkompetenz im internen Umgang von oben nach unten hin.“ Und das ist aus der Sicht des Organisationspsychologen und Arbeitsmediziners Professor Dr. Michael Kastner vom Institut für Arbeitspsychologie und Arbeitsmedizin (IA- PAM) in Herdecke ein gefährliches Manko. Denn für ihn ist „Sozialkompetenz die Formel für diejenigen, die auf Dauer Erfolg haben wollen.“ Was charakterisiert für Kastner Sozialkompetenz? Entscheidendes Kennzeichen ist das Bewusstsein, in Wechselwirkung mit anderen Menschen zu leben, und andere Menschen in ihrer Bedeutung für das eigene Wollen und Tun wahrzunehmen und entsprechend mit ihnen umzugehen. Sozial kompetente Chefs zeichnen sich folglich nicht allein durch kommunikative Fähigkeiten, Durchsetzungsvermögen und Koordinationsfähigkeit aus, sondern auch durch Empathie und Sensibilität. In der Schlussfolgerung heißt das für Weegen, „dass die Selbsterneuerungsfähigkeit eines Unternehmens und damit dessen Selbstbehauptung in der Transformation in entscheidendem Umfang mit davon abhängt, ob von oben die Existenz der anderen in wertschätzender Weise wahrgenommen wird. Es ist maßgeblich diese Wahrnehmung, die dazu beiträgt, die Belegschaft zum engagierten, vorurteilslosen und weiterbildungsbereiten Mitmachen zu bewegen.“ Wahrgenommen und wertgeschätzt zu werden sei ein menschliches Grundbedürfnis. Dort, wo nur noch über die Köpfe der anderen hinweg bestimmt werde, bleibe dieses Grundbedürfnis zum Schaden des Unternehmens unbeachtet. „Und das löst, wie die Praxis immer wieder zeigt, in der Belegschaft Ärger und Wut aus.“ Respekt vor der Integrität des anderen „Ärger und Zorn haben mit frustrierten Wünschen und Rechten zu tun. Sie setzen oft nach Kränkungen ein, können also als emotionale Antwort auf eine Beleidigung oder einen ungerechtfertigten Angriff verstanden werden“, erläutert der Psychiater und Psychotherapeut Professor Dr. Daniel Hell, Depressionsspezialist an der Schweizer Privatklinik Hohenegg. „Das ist auch der Grund, weshalb Ärger schon sehr früh in Verbindung mit Rachegefühlen gebracht worden ist.“ Wem kommt da nicht das Phänomen der „inneren Kündigung“ in den Sinn und dessen destruktive Auswirkun- 05 // 2018 69
NR. 5 2018 ZEITSCHRIFT FÜR BANKPOL
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