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die bank 05 // 2018

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

DIGITALISIERUNG 1 |

DIGITALISIERUNG 1 | Definition des Projektauftrags Wer: » Fachexperten aus allen betroffenen Fachbereichen » In- und externe Business- Analysten » Auftraggeber, Projektleitung und Projekt-MA Was: » Erarbeitung des Projektauftrags als Zielbild – „quality“ » Erstellung der Projektplanung – „time“ » Aufstellen der Ressourcenplanung – „budget“ Wie: » Definition des Prozesses » Beschreibung des Zielbilds für jeden Prozessschritt » Tägliche Abstimmung der Vortragsergebnisse zur gemeinsamen Definition des Zielbilds Wann: » Zehn ganztägige Workshops mit Kernteam » Abnahme des Ergebnisdokuments durch alle WS-TN und den Auftraggeber » Durchführung der WS und der Planung unmittelbar vor Start Welche Bilanzinformationen liegen für die jeweiligen Kundensegmente vor? Aus welchen Quellen werden sie eingespeist? Wie soll die Anbindung der Risikomodelle erfolgen? Woraus resultiert das Rating, wie wird die Bonitätsanalyse durchgeführt? Wie erfolgt die Festlegung der Kreditlimits und wer genehmigt sie? Welche Informationen werden für das Adhoc- und das Regelreporting und das Meldewesen benötigt? Wie soll die Workflow-Steuerung erfolgen? Wie werden Arbeitsvorräte erstellt und überwacht? Welche funktionalen und nicht-funktionalen Anforderungen an die Anwendung bestehen? Welche Verknüpfung der Logik, beispielsweise Plausibilitätsprüfung, gibt es? Wie sieht die Systemumgebung aus? Welche Datenimporte und -exporte müssen erfolgen? Aus den einzelnen Workshops ergab sich ein Gesamtbild, woraus der Projektfahrplan und das Fachfeinkonzept entwickelt wurden. ÿ 2 Vom Storyboard zu den Anwendungsfällen Das Fachfeinkonzept umfasste am Ende in einem konsolidierten Dokument mehr als 1.000 Seiten. Der Weg vom Fachfeinkonzept bis zur finalen Umsetzung der Kreditplattform wurde durch die IT-seitige Entwicklung in Hamburg begleitet – die Fachexperten der Bank hingegen saßen in Bonn. Ein kontinuierlicher Austausch per Telefon und Mail sowie Besuche in Hamburg ermöglichten einen intensiven Informationstransfer in beide Richtungen. Gestärkt wurde dieser Transfer durch die Entwicklungsleitung, die zu 50 Prozent am Konzeptions-Standort Bonn und zu 50 Prozent am Entwicklungs-Standort Hamburg eingesetzt wurde. Zusätzlich unterstützte eine Entwicklerin das Analyseteam während der Konzeptionsphase vor Ort in Bonn bei der Erstellung der Maskenentwürfe. Durch den persönlichen Kontakt wurde ein wesentlicher Erfolgsfaktor sichergestellt: Kommunikation. Anforderungen an die Kreditplattform wurden über ein Storyboard und Eingabemasken definiert und anschließend in Anwendungsfälle und Funktionen sowie ein detailliertes Rechtekonzept überführt. Das Projektteam präsentierte und diskutierte die erar- beiteten Zwischenergebnisse kontinuierlich mit den zukünftigen Anwendern und dem Senior Management und ließ das Feedback in die Konzeption einfließen. Unmittelbar nach Übergabe des Fachfeinkonzepts fand ein erster Informationsaustausch zwischen den Fachexperten und den Entwicklern statt. So konnten Fragen aus der Entwicklung direkt beantwortet werden, die Motivation für die Umsetzungsanforderungen und den Workflow wurde beschrieben und das gemeinsame fachliche Verständnis für Datenfelder und Prozesse wurden geschärft. Ganz nebenbei erhielten die Fachexperten einen tiefen Einblick in IT-Entwicklungsprojekte und konnten so im Verlaufe des Projekts die fachlichen Anforderungen an die IT sehr viel präziser formulieren. Doch mit der Fachfeinkonzeption hörte die Entwicklung nicht auf. Mit dem Abschluss einzelner Iterationen – Grundelement der iterativ-inkrementellen Vorgehensweise – der Kreditplattform wurde in den Testphasen intensiv weiter über die optimale Lösung diskutiert sowie Elemente der Konzeption modifiziert und angepasst, um letztendlich das beste Ergebnis zu erzielen. 58 05 // 2018

DIGITALISIERUNG 2 | Vom Projektauftrag zur Fachfeinkonzeption Projektauftrag – ToR Maskenlayout ... Fachfeinkonzept Fachbereich Test Workflow Fehler- Hinweis- Texte Entwicklung Business Analyse Anwendungsfälle Rechte Anforderungen Quelle: Drei Releases und elf Entwicklungsiterationen Insgesamt wurden elf Iterationen der Kreditplattform entwickelt und getestet sowie gebündelt in drei Releases produktiv genommen. Als Grundlage für die Praxistests dienten die eigenständig nutzbaren Entwicklungs-iterationen. 4.500 Testfälle ermöglichten eine frühzeitige technische, aber auch fachlich-konzeptionelle Fehleridentifikation. Die Abweichungen und Anforderungsmodifikationen konnten so rechtzeitig erkannt und bereinigt werden. Die Workflow-Optimierungen von einem zunächst mehrstufigen Genehmigungsprozess hin zu einem einstufigen Prozess ist ein Beispiel für so eine Modifikation. Am Ende investierte die Postbank in die Implementierung der Kreditplattform über 6.600 Personentage der IT-Entwickler und über 3.000 Personentage der eigenen Fachexperten. Doch der Aufwand in der 22-monatigen Umsetzungsphase hat sich gelohnt. Die Limit-Genehmigung erfolgt durch den Relaunch der Kreditplattform nun vollständig digitalisiert. Der gesamte Prozess ist effizienter und schneller geworden, vor allem aber auch transparenter. Aber das Wichtigste: Die Mitarbeiter verstehen und nutzen die Kreditplattform als eine von ihnen entwickelte Anwendung. FAZIT Um ein Großprojekt wie die Entwicklung und Implementierung einer Kreditplattform effizient abzuschließen, bedarf es nicht nur einer klaren Zielvorstellung. Wichtig für eine erfolgreiche Umsetzung sind eine frühzeitige Einbindung aller relevanten Mitarbeiter und der regelmäßige Austausch. Im vorliegenden Praxisbeispiel waren die räumliche Nähe und die Freistellungen der Fachexperten für das Projekt wesentliche Erfolgsfaktoren. Die partnerschaftliche Zusammenarbeit schaffte eine Atmosphäre, in der sich jeder einbringen konnte, durfte und sollte. So waren es am Ende nicht nur 9.600 Personentage Arbeitseinsatz, sondern es wurde eine Aufgabe bewältigt, die den beteiligten Kollegen Spaß und Erfahrung gebracht hat. Doch das größte Lob für das Projektteam ist das Lob der Kollegen, die heute mit der Kreditplattform arbeiten. Autoren Kerstin Falkowski ist Projekt Managerin bei der Postbank Systems AG. Olaf Schulze ist Senior Professional Projekte von der Deutsche Postbank AG. Frank Lohmeier ist Mitglied der Geschäftsleitung der PPI AG. 05 // 2018 59

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