Aufrufe
vor 5 Jahren

die bank 05 // 2018

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

DIGITALISIERUNG Mensch

DIGITALISIERUNG Mensch verbirgt, und die erforderliche Interpretation der Sprache und Stimmungen tief in unserem Stammhirn gespeichert sind. Helle Stimmen ordnet der Mensch eher dem Kindchen-Schema zu oder interpretiert diese als Warnruf. Beide Wirkungslinien möchte man wohl eher weniger ansprechen, wenn man beabsichtigt Finanzprodukte zu verkaufen. Eindeutigkeit, Transparenz, Verantwortung und Haftung geben uns die erforderliche Sicherheit auf Gebieten, auf denen wir zu wenig Informationen haben und diese auch nicht beschaffen können. Das Prinzip ist gleichzeitig einfach und auch schwierig umzusetzen. Anhand der Themen der AGB und Datenschutzerklärungen soll dies erläutert werden. Anstatt in einer winzigen Schriftgröße und in Juristendeutsch formuliert, könnten diese Schriftstücke auch visuell und akustisch ansprechend und verständlich erklärt werden. In Form von interaktiven Videos, geführten Interviews und funktional auf eine deutlich höhere Ebene in der Produktargumentation gehoben, steigern diese Maßnahmen die gefühlte Sicherheit um 71 Prozent. Um diese Erkenntnis zu gewinnen, habe ich folgendes Testdesign entwickelt. Die Testpersonen wurden aufgefordert, verschiedene Versionen von Datenschutzerklärungen und AGB anzusehen und durchzulesen. Um die menschliche Wahrnehmung zu messen, habe ich über die Computer-Kamera die Mimik aufgenommen. Erfasst wurden auch die Bewegungen der Pupille und die Bildschirmaktivität der Testperson. Anschließend erfolgte eine Befragung mit einem Fragebogen. Das Maß der gefühlten Sicherheit wurde mit einem Algorithmus berechnet, der aus den Antworten der Fragen, der Lesegeschwindigkeit, der Regelmäßigkeit der Pupillenbewegungen und der Entspanntheitsgrad der Mimik bestand. Durchgeführt wurde dieses Experiment bei drei Unternehmen mit einer Testgruppengröße von 819 Personen. Jeder Owner einer Webseite, eines Portals oder digitalen Produkts, der die Nutzerquoten genau beobachtet, weiß, dass die Absprungraten massiv steigen, sobald eine blinkende oder sich bewegende Werbung sichtbar wird. Dies steigert sich, wenn diese Werbung auch noch akustisch untermauert ist. Der Grund ist identisch zu jenem, warum die Absprungraten und Fehlerquoten auf User-Interfaces massiv höher sind, wenn dort die Farbkombinationen Rot-Schwarz, Orange- Schwarz, Gelb-Schwarz oder irgendeine Kombination mit Giftgrün verwendet wird: Wenn wir diese Farben bzw. Farbkombinationen sehen, greifen ganz basale Mechanismen, die tief in unserem Stammhirn verankert sind. Der Grund ist, dass es sich um Warnsignale handelt, die uns vor giftigen Pflanzen und Tieren warnen. Umgehend wird Adrenalin ausgeschüttet, damit wir möglichst schnell fliehen können. Das ist für unser Gehirn zur Sicherung des Überlebens ein sehr effizientes Vorgehen. Für den Webseitenbetreiber hat dies aber zur Folge, dass die Nutzerquoten sinken. Es gibt eine Fülle ähnlicher Mechanismen, die unsere Entscheidungsfindungen beeinflussen, da diese uns auf Chancen oder Risiken aufmerksam machen und im Zug unserer Entwicklung als vitales Interesse gelernt worden sind. Verstehen, wie wir sind Insgesamt konnten im Rahmen dieser wissenschaftlichen Untersuchung 28 „Vertrauensbedingungen“ identifiziert werden, die bei jedem Menschen in unterschiedlicher Stärke und Frequenz angesprochen werden müssen, um Vertrauen zu erzeugen. Eine Vertrauensbedingung ist das Institutionenvertrauen. Wenn jemand ein starkes Vertrauen in Institutionen wie zum Beispiel eine Behörde hat, ist es für diese Person sehr wichtig, dass z. B. bei einer Kaufentscheidung im Netz oder beim Lesen eines Online Artikels eine glaubwürdige Institution als Qualitätsgarant oder Quelle vorhanden sind. Eine andere Vertrauensbedingung ist die Vertrauensdisposition einer Person. Je nachdem, wie stark diese ausgeprägt ist, desto schwerer fällt es, dieses digitale Vertrauen aufzubauen. Diese unterschiedlichen Ausprägungen wurden zu elf Phänotypen zusammengefasst. Diese können mit spezifisch entwickelten vertrauensbildenden Maßnahmen und Strategien angesprochen werden, damit jeder Phänotyp leichter und schneller digitales Vertrauen entwickeln kann. Diese Phänotypen sind auch innerhalb von Unternehmen identifizierbar. Ob eine gezielte Ansprache bei der Überwindung der Hürden bei der digitalen Transformation unterstützt, ist aus wissenschaftlicher Perspektive noch nicht belegt. Der Phänotyp, der sich mit der höchsten Wahrscheinlichkeit am schwersten der Digitalisierung zuwendet, war bisher bei den 14 verwaltungsintensiven Unternehmen der Forschung identisch: Dieser Typus zeichnet sich durch folgende Merkmale aus: Männlich, über 45 Jahre alt, seit mehr als zehn Jahren im Unternehmen tätig, bei Entscheidungen ausgeprägt risikoavers und stark egozentrisch veranlagt. Die Erfassung und Analyse der Nutzungsquoten und Inhalte der digitalen Tools bildeten hier die Datengrundlage. Interessant war die Feststellung in 14 verwaltungsintensiven Unternehmen, dass wenn eine neue App auf den Markt gekommen ist, über die sehr viel gesprochen wird, nach Angabe der befragten Mitarbeiter 77 Prozent sich diese innerhalb der ersten Woche nach Kenntnisnahme anschauen. Wenn ein Unternehmen eine neue interne digitale Lösung eingerichtet und Arbeitsanweisungen kommuniziert, sehen sich diese aber nur 42 Prozent innerhalb der ersten Woche an. Letzteres Ergebnis konnte halbblind durch die Messung der Einlogg-Daten festgestellt werden. Interessant war auch, dass 82 Prozent der befragten Mitarbeiter bei diesen 14 Unternehmen angegeben haben, private Bilder etc. auf Social-Media-Kanälen zu teilen. Im Gegenzug achten sie aber sehr sorgfältig darauf, welche persönlichen und arbeitsrelevanten Informationen ein digitales Tool des Arbeitgebers erhebt bzw. welche dieser Informationen man als Mitarbeiter selbst z. B. in Share- Point einstellt. 54 05 // 2018

DIGITALISIERUNG Antworten bezüglich des privaten Verhaltens sind immer durch freiwillige Teilnahme an einer Befragung gehoben worden. In dem oben genannten Experiment sind anonymisiert quantitativ und qualitativ die Aktivitäten in entsprechenden internen Tools und die Fragen zu den Tools seitens der Mitarbeiter analysiert worden. Die Gründe für dieses unterschiedliche Verhalten ist zum einen die starke Trennung zwischen der privaten Le- benswelt, in der man ein digitales Tool nutzen kann, im Berufsleben jedoch bestimmte Tools in einer ggf. vorgeschrieben Form nutzen muss. Der emotionale Nutzerwert eines Tools im Privatleben heißt verdichtet „Spaß“ und im Berufsleben ist es „Arbeit“. Darüber hinaus nutzen die meisten der Berufstätigen ihre privaten Social-Media-Konten bei sich zu Hause in einer privaten Atmosphäre. Diese Situation verstärkt die Wahrnehmung auch bei Postings, die öffentlich im Rahmen einer Social-Media-Plattform geteilt werden, dies in einer privaten Umgebung zu tun. AUSBLICK Wir wissen, wie sich ein bedrohtes Tier verhält. Wir wissen, wann ein Baum uns Schutz bietet und dass er uns zum Beispiel bei Sturm bedroht. Wir wissen, wie sich Menschen verhalten, auch wenn wir ihre Sprache nicht verstehen, denn wir können die Mimik und Gestik interpretieren oder, wie wir heute sagen, decodieren. Wie sich ein Algorithmus verhält, insbesondere wenn dieser selbstlernend ist, wissen wir hingegen nicht. Dazu fehlen uns interpretierbare Signale, da die Generationen vor uns hierzu noch keine Lernerfahrungen gesammelt und keine Information darüber im Stammhirn gespeichert haben. Gerade hier ist noch sehr viel Forschungs- und Entwicklungsarbeit erforderlich, um die Interaktion von Robotern, seien es Humanoiden oder Software-Systeme, zu verbessern. Verbessern heißt, dem Menschen ähnlicher zu gestalten und Regelungsbedarfe, seien es Gesetze oder andere Normen, zu implementieren und diese auch durchzusetzen, damit wir diese Lösungen besser annehmen und mit ihnen besser umgehen können. Autorin: Dr. Katharina von Knop leitet das Forschungsprojekt „Digital Trust“. Ziel dieses Projekts ist es herauszufinden, wie digitales Vertrauen aufgebaut und optimiert werden kann. Darüber hinaus befindet sich die erfahrene Managerin in der Gründung ihres vierten Start-ups. 1 In der modernen Forschung werden 13 Sinne definiert. Der Einfachheit halber wird sich hier nur auf sechs bezogen. Diese sind: Hören, Riechen, Schmecken, Fühlen, Sehen und der Gleichgewichtssinn. 05 // 2018 55

die bank