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die bank 05 // 2018

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

MANAGEMENT

MANAGEMENT GESCHÄFTSMODELLE: HYUNDAI BANK Der Nachzügler Als letzter der großen Automobilhersteller hat die südkoreanische Hyundai Motor Group in Deutschland eine Autobank gegründet. Als Sitz hat die Hyundai Capital Bank Europe GmbH die Bankenmetropole Frankfurt gewählt, in deren Nachbarschaft auch die Importeure von Hyundai und Kia arbeiten. Mit Finanzierung und Leasing sowie autonahen Dienstleistungen wie Versicherungen will sie den Absatz der Mutter unterstützen sowie die Kunden stärker binden. Hoch oben im 23. Stock haben die Mitarbeiter von Deutschlands jüngster Autobank einen famosen Blick über die Skyline von Frankfurt. Nicht schlecht für ein Institut, dessen Chefs sich mit einem Start-up vergleichen. So war es vor allem die Gründung eines neuen Unternehmens, die Christian Schmitz und Robert Genz an ihrer neuen Aufgabe gereizt hat. „Wann kann man schon mal eine Bank aufbauen“, freut sich Schmitz, der nach Wirtschaftsstudium und Banklehre gut 25 Jahre Erfahrungen bei diversen Autobanken gesammelt hatte, bevor der jetzt 54-Jährige mit seinem Kollegen Genz die Geschäftsführung der Hyundai Capital Bank Europe GmbH übernahm. Schon der blaue Schriftzug auf dem weißen Kaffeebecher soll zeigen, dass man etwas Besonderes geleistet hat: „Reserved for a Bank Founder“. Zu Recht. Wer mit Bankern über die extrem langwierigen und aufwendigen Genehmigungsverfahren von BaFin und EZB gesprochen hat, kann ermessen, dass nach Erhalt einer Banklizenz Erleichterung und Jubel groß sind. Bei Start-ups wie der Berliner SolarisBank hängen die begehrten Dokumente sogar an der Wand. Vom vollverglasten Konferenzraum schauen die beiden Chefs auf die etablierte Konkurrenz: DZ Bank, Deutsche Bank oder auch UBS. Bange scheint ihnen nicht zu sein. Im Tower 185, unweit der Frankfurter Messe, hat das Institut nach und nach drei Etagen bezogen und noch Platz gelassen für neue Mitarbeiter. Aktuell sind es 120. „Wir haben auf Zukunft gebaut“, sagt Genz. Was ihn optimistisch stimmt: Während viele universell aufgestellte Banken in Deutschland infolge niedriger Zinsen, steigender Regulatorik und damit erhöhter Kosten wie auch verschärften Wettbewerbs ihre Geschäftsmodelle auf den Prüfstand stellen müssen, läuft das Geschäft der Autobanken noch rund. Jahr für Jahr schieben sich denn auch die Marktführer, die Captives von VW, Mercedes und BMW, in der Liste der 100 größten deutschen Banken weiter nach vorn. Um satte zehn Prozent auf den Rekordwert von mehr als 117 Mrd. € konnten die Finanztöchter der Automobilkonzerne laut Branchenverband BDA (Banken der Automobilwirtschaft) im ersten Halbjahr 2017 ihren Vertragsbestand, also die Summe aller Leasing- und Finanzierungsverträge, ausbauen. Damit erbringen die herstellerverbundenen Finanzdienstleister rund zwei Drittel aller automobilen Finanzdienstleistungen in Deutschland. Auch für die Zukunft zeigt sich BDA- Verbandsgeschäftsführer Dr. Peter Renkel optimistisch. Aufgrund der positiven gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen geht sein Verband von ca. 3,4 Mio. Neuzulassungen für das abgelaufene Jahr aus. 2018 dürfte das Ergebnis sogar noch etwas besser ausfallen, glaubt Renkel (siehe auch Interview auf Seite 24). Höchste Zeit, so fanden die südkoreanischen Autobauer Hyundai Motor und Kia Motors, das Geschäft mit den automobilen Finanzdienstleistungen neu zu ordnen und in komplett eigener Regie zu managen, um näher an die Kunden zu rücken. Vor Erhalt der Vollbanklizenz im September 2016 hatte der konzerneigene Finanzservice für die Marke Kia mit der spanischen Santander Bank und für Hyundai mit der Stuttgarter FFS Bank zusammengearbeitet. Der Nachteil: Im Portfolio der Institute ist man ein Produkt von vielen, entsprechend wird das Potenzial nicht voll ausgeschöpft. Dank der gestiegenen Verkäufe sei jedoch eine kritische Masse erreicht worden, sodass sich die Gründung einer eigenen Bank gerechnet habe, sagt Genz. Gemessen an der Zahl der Pkw-Neuzulassungen lag Hyundai zuletzt (November 2017) in Deutschland immerhin auf dem zehnten Rang mit einem Marktanteil von 3,1 Prozent vor ausländischen Konkurrenten wie Peugeot und Toyota. Die Schwestermarke Kia landete mit 1,9 Prozent auf Rang 13. Im ersten Jahr des Bestehens hatte man mehr als 1 Mrd. € Assets under Management, sagt Genz. Im laufenden Jahr rechnet er mit rund 1,5 Mrd. €. Erfolgreiche Hersteller sind am deutschen Markt, der maßgeblich vom Ersatzbedarf geprägt wird, von der Loyalität ihrer Kunden abhängig. Und dafür spielen die Captives eine maßgebliche Rolle. Laut einer 2016 veröffentlichten BDA-Studie haben sich nämlich 63 Prozent der Autobankkunden erneut für die gleiche Marke entschieden, während dies bei Kunden anderer Banken (46 Prozent) und bei Barzahlern (48 Prozent) deutlich seltener der Fall ist. Auch die Bindung zum jeweiligen Händler ist deutlich enger. „So unterstützen wir den Fahrzeugabsatz des Herstellers und tragen zur langfristigen Marken- und Händlertreue der Kunden bei“, unterstreicht Schmitz. Die Beantragung der Lizenz habe sich deshalb gelohnt. Rund 20 Mitarbeiter seien etwa 14 Monate lang mit dem Antrag beschäf- 20 05 // 2018

MANAGEMENT tigt gewesen. „Besonders aufwendig war das Inhaberkontrollverfahren, zumal die Hyundai Motor Group eine sehr komplexe Firmengruppe ist“, sagt Genz. Mit 7,2 Mio. weltweit zugelassenen Fahrzeugen waren die Koreaner laut Marktforscher Jato Dynamics 2016 immerhin der fünftgrößte Automobilhersteller. Die Gruppe ist zudem in zahlreichen anderen Geschäftsbereichen aktiv. Als erster Bank mit nicht europäischem Eigentümer gelang es ihr schließlich, von der EZB die begehrte Lizenz in Deutschland zu ergattern. Wie bei allen Autobanken richtet sich das Angebot an die eigenen Händler, denen Hyundai und Kia Neu-, Vorführ- und Gebrauchtwagen finanzieren, sowie an Privatund Firmenkunden. Doch anders als bei den Marktführern spielen Unternehmen mit ihren Firmenflotten nur eine untergeordnete Rolle. Auf sie entfallen nur zehn Prozent, während es laut Schmitz bei privaten Käufern 90 Prozent sind, die zwischen in der Branche üblichen Produkten rund um Finanzierung wie Ziel-Finanzierung oder Drei-Wege-Finanzierung und Leasing (Kilometer- oder Restwertleasing) wählen können. Im laufenden Jahr will die Bank eine Kfz-Versicherung sowie Service- und Wartungspakete einführen. „Ziel ist es, alles aus einer Hand anzubieten“, sagt Genz. Das Kalkül ist klar: Laut BDA-Studie entscheidet sich mittlerweile mehr als jeder zweite Kunde über die Finanzierung oder den Lea- singvertrag hinaus für Pakete, welche weitere Service- und Versicherungsleistungen enthalten. Anders als autonome Banken haben die Captives ein Interesse an eher kurzen Laufzeiten ihrer Finanzprodukte. Schmitz beziffert diese auf aktuell vier Jahre. Dann steigen die Kunden auf ein neues Fahrzeug um und wählen im Idealfall eine bessere Ausstattung. Für den Händler und damit indirekt die Bank jeweils eine Chance, auch ihre Zusatzprodukte anzubieten. Geplant ist zudem der Einstieg in das Einlagengeschäft mit Tagesgeld, Festgeld und gegebenenfalls Spareinlagen. „So erschließen wir uns eine zusätzliche Ertrags- und Refinanzierungsquelle, die für die Stabilität der Bank wichtig sind“, unterstreicht Genz. Wie viele Kreditinstitute sucht auch die Hyundai Capital Bank Europe den Schulterschluss mit FinTechs, um die Digitalisierung zum Verschlanken interner und externer Prozesse zu nutzen. Mit der Münchner FinTech- Systems GmbH läuft ein Test zum zügigen Abrufen von Kontoinformationen. Laut Genz geht es darum, dass ein Kunde schnell einen Kredit bekommen könne, dabei aber gleichzeitig die Bonitätsrisiken gering blieben. Grundsätzlich stehen Autodarlehen allerdings ohnehin in dem Ruf, relativ sicher zu sein. Professor Dr. Dr. Joachim Häcker, Direktor des Deutschen Instituts für Corporate Finance, nennt für Deutschland Kreditausfallquoten von gerade mal 0,3 bis 0,4 Prozent. In ihrer Rolle als Chefs von einer der jüngsten Banken Deutschlands fühlen sich Schmitz und Genz offenbar sehr wohl. Beide betonen die flachen Hierarchien und die gute Arbeitsatmosphäre. Wie bei vielen internationalen Firmen duzt man sich. Firmensprache ist ohnehin Englisch, bei 14 verschiedenen Nationalitäten versteht sich das von selbst. Beim monatlichen Croissant Day treffen sich die Mitarbeiter in der Küche, um eine Stunde lang News auszutauschen. Der regelmäßige Austausch über Abteilungen hinweg ist den Bankern wichtig. Zudem erhalten drei bis vier Mitarbeiter pro Jahr die Chance, für ein bis zwei Wochen ins Headquarter nach Seoul zu gehen, um ihren Arbeitgeber besser kennenzulernen. Schmitz und Genz selbst reisen zwei- bis dreimal jährlich nach Südkorea. Und so, als wolle er nicht vergessen, dass etwas Besonderes geleistet wurde, hat Schmitz die Rückseite seiner Visitenkarte für einen schönen Leitspruch genutzt: „Nothing happens unless there is first a dream.“ Autorin Eli Hamacher ist Diplom-Volkswirtin und arbeitet seit knapp 30 Jahren als Wirtschaftsjournalistin. Die Freelancerin schreibt für „die bank“ vor allem über die Branche und Porträts über einzelne Unternehmen. Ein weiterer Fokus ihrer Arbeit sind Auslandsmärkte. 05 // 2018 21

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