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die bank 05 // 2018

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

MARKT ALTERNATIVE ZUR

MARKT ALTERNATIVE ZUR KLASSISCHEN UNTERNEHMENSFINANZIERUNG? Keine Angst vor der Crowd Crowdlending-Plattformen genießen immer mehr Aufmerksamkeit. Die digitale Finanzierungsalternative ist längst dem Nischendasein entschwunden und drängt in die Geschäftsfelder der Banken. Gleichzeitig werden für Banken zunehmend schlechte Prognosen vor dem Hintergrund der Digitalisierung aufgestellt. Doch hat Crowdlending das Potenzial, die Unternehmensfinanzierung der Banken vollständig zu substituieren? Im folgenden Vergleich wird deutlich, dass dies bei nüchterner Betrachtung nicht der Fall ist. Der Bankenmarkt in Deutschland unterliegt seit einigen Jahren einem großen Wandel. Seit der Finanzkrise in den Jahren ab 2007 ff. hat die Europäische Zentralbank ihre Geldpolitik immer weiter gelockert, was Finanzdienstleister aller Art vor große Herausforderungen stellt, denn die Margen schmelzen weiter zusammen. Gleichzeitig hält auch die Digitalisierung Einzug in die Kreditwirtschaft und ist mittlerweile einer der stärksten Treiber für neue Entwicklungen. Sie ist eine weitere Herausforderung für Banken und Versicherungen, da sich insbesondere durch die wachsende Anzahl von Fin- Techs die Konkurrenzsituation verschärft. Welche Dimensionen diese Entwicklungen annehmen können, wird beispielsweise in einer Studie von McKinsey aus dem Jahre 2016 deutlich, die für Banken in den nächsten Jahren Gewinneinbußen von 7,1 Mrd. € alleine durch die Digitalisierung und weitere 7,1 Mrd. € Verlust durch die eingangs erwähnte Niedrigzinspolitik prognostiziert. Im nachfolgenden Vergleich wird argumentiert, warum Banken nach derzeitigem Stand keine Angst vor dem Wettbewerb mit der Crowd haben müssen. Markt wächst – auf vergleichsweise niedrigem Niveau Das Volumen des Crowdfunding-Markts in Deutschland ist im Vergleich mit dem weltweiten Volumen aktuell verschwindend gering. Während 2015 weltweit ca. 32 Mrd. US-$ über Crowdfunding akquiriert wurden – wovon allein ca. 25 Mrd. US-$ auf den Bereich des Crowdlendings entfielen – so lag das Volumen im gleichen Zeitraum in Deutschland bei nur 114 Mio. €, wobei 67 Mio. € auf Crowdlending entfielen. Im Jahr 2016 konnte ein weiterer Anstieg des über Crowdfunding eingesammelten Finanzierungsvolumens verzeichnet werden, sodass ein Marktvolumen von ca. 145,2 Mio. € in Deutschland erreicht werden konnte – dem gegenüber steht ein weltweites Volumen von über 45 Mrd. US-$. Doch auch wenn diese Finanzierungsart in Deutschland im Vergleich zum weltweiten Volumen offensichtlich unterentwickelt ist, kann man dennoch deutlich erkennen, dass Crowdfunding – mit dem Löwenanteil bei Crowdlending – sich weiter im Wachstum befindet. Untermauert wird das durch eine vom Statistikportal Statista durchgeführte Studie, die ein weiteres Wachstum des Markts bis 2022 um durchschnittlich 20 Prozent vorhersagt. Gegenüberstellung: Kostenvergleich Ein kommerziell entscheidender Faktor für den Abgleich von Crowdlending mit der klassischen Bankfinanzierung sind die Kosten, die durch die Geldaufnahme entstehen. Rein betriebswirtschaftlich rational betrachtet wird sich ein Unternehmen immer für die Finanzierungsalternative mit den geringsten Kosten entscheiden. Nach gängiger Auffassung sollen mithilfe neuer und digitaler Lösungen bessere und vor allem günstigere Dienstleistungen als bisher angeboten werden. Insbesondere durch die starke Automatisierung und Standardisierung sollen die Kosten gesenkt werden und dieser Kostenvorteil wiederum an den Kreditnehmer weitergereicht werden. Dass diese Argumente jedoch eher theoretischer Natur sind, wird deutlich, wenn man die Kon- ditionen von Banken mit denen der größ- ten deutschen Crowdlending-Plattfor- men ver- 16 05 // 2018

MARKT gleicht. Doch zunächst muss betrachtet werden, wie das Pricing bei beiden Finanzierungsalternativen im Prinzip geschieht. Die Zinsen, die Banken für einen Kredit verlangen, sind von mehreren Faktoren wie den (a) Refinanzierungskosten, der Bonität des Kreditnehmers und der Besicherung des Kredits, welche sich direkt auf die (b) Risikokosten auswirken, den internen (c) Kosten der Bank und den (d) Eigenkapitalkosten der Bank abhängig. Diese Faktoren werden in der Praxis im Rahmen einer Deckungsbeitragsrechnung zusammengeführt und führen so zum Zinssatz, den die Bank bei einem Kreditangebot zugrunde legt. Das Pricing der Crowdlending-Kredite, wie es bei den größten deutschen Plattformen angewendet wird, weist viele Parallelen zum Pricing der Bankkredite auf. Unter Zuhilfenahme standardisierter Ratingverfahren, die die individuellen Bonitätsmerkmale des Kreditnehmers berücksichtigen, wird die Ausfallwahrscheinlichkeit des Kreditnehmers ermittelt und dieser anhand derer in eine Bonitätsklasse eingeordnet, der dann wiederum ein Kreditzins bzw. eine Bandbreite von Kreditzinsen zugeordnet ist. Je höher hier die Ausfallwahrscheinlichkeit liegt, desto höher ist auch der zu zahlende Kreditzins. Dieses Vorgehen ist analog zur Kalkulation des Kreditzinses von Banken und korrespondiert mit den Faktoren (a), (b) und (d). Zusätzlich zu den zu zahlenden Zinsen fallen bei den Plattformen noch Gebühren für die Vermittlung des Kredits, die Bonitätsprüfung oder sonstige Dienstleistungen an, die in der Regel in Form einer Einmalgebühr als fester Prozentsatz der Kredit- summe be- rechnet werden. Damit liegt das Analogon zu (c) vor. Diese Gebühren decken die Kosten der Plattform und stellen zusammen mit den auf der Anlegerseite anfallenden Gebühren die Einnahmequelle der Crowdlending-Anbieter dar. Die Höhe dieser Gebühren unterscheidet sich dabei von Plattform zu Plattform. Im Prinzip müssen Crowdlender dieselben Faktoren bepreisen wie Banken. Bei den Risikokosten (b) können sie nicht günstiger sein, da diese durch die Kundschaft induziert und versicherungsmathematisch diktiert werden. Günstiger kann nur sein, wer falsch rechnet. Theoretisch ist bei den Risikokosten derjenige im Vorteil, der die Komponenten – wie etwa PD und LGD – schärfer messen kann – etwa, indem er über reichhaltigere Datenhistorien verfügt und besseres Data Mining betreiben kann. Vergegenwärtigt man sich, dass die VR Banken bereits seit 1991 mit der Einführung von Hypofix Baufinanzierungen in Minutenfrist herauslegen konnten und damit nicht nur elektronisches Banking begannen, sondern auch entsprechende Datenhistorien schufen, so haben die Crowdlender keinesfalls die längeren Datenhistorien. Vor allem fehlen ihnen konjunkturelle Schwächephasen. Auch durch die aufsichtlich getriebenen Quantitative Impact Studies im Zusammenhang mit Basel II ff. sind die Banken auf Augenhöhe in Bezug auf Data Mining. Dass Crowdlender sich besser refinanzieren können, ist aktuell im Hinblick auf die Politik der EZB und ihre Folgen nicht vorstellbar. Somit können sie nur bei den Eigenkapitalkosten oder den internen Kosten einen Vorteil haben. Diese Hypothese wird nun geprüft. 05 // 2018 17

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