Aufrufe
vor 5 Jahren

die bank 05 // 2018

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

MARKT ein verzweigtes

MARKT ein verzweigtes Ökosystem vorstellen kann und das eine Sicht auf Kunden aus verschiedenen Perspektiven zulässt. So führen Interaktionen zwischen Händlern und Käufern zu direkten (Same Side) und indirekten (Cross Side) Netzwerkeffekten. Aus diesen lassen sich Risikoneigung, Präferenzen und Zahlungsverhalten von Kunden ableiten. Dabei werden die Nutzer beobachtet, was durchaus kritisch zu beurteilen ist. Jedoch fühlen sich die Nutzer auch in ihrem Verhalten beobachtet, was wiederum auch positive Effekte hervorruft, wie eine bessere Zahlungsmoral und ein besseres gegenseitiges Vertrauen. So beträgt die Betrugsrate bei Alipay 0,001 Prozent. Im Vergleich liegt die Betrugsrate entsprechend den Angaben von Visa Europa für 2017 bei 0,038 Prozent. Gerade in sich schnell entwickelnden Ökonomien spielt Vertrauen eine zentrale Rolle für das Wirtschaftswachstum und hat Wert. Dies lässt sich theoretisch belegen, wie es Kahnemann und Tversky getan haben, aber gerade die Geschichte von Alipay belegt es praktisch. Denn Alipay ist insbesondere durch seine Treuhanddienstleistungen stark gewachsen. FinTechs und Banken – eine gute Kooperation? FinTech-Unternehmen sind für Banken, aber auch für staatliche Institutionen interessant. Denn Unternehmen wie Alipay betreuen einerseits ein digitales Ökosystem von Kundendaten und sind zudem auch auf die Datenhaltung, Nutzung und Auswertung spezialisiert. So wickelte Alipay im November 2017 nach Aussagen des Manager Magazins 256.000 Transaktionen pro Sekunde ab, während Visa nur ca. 56.000 Transaktionen schafft. Auf Grundlage seiner hochentwickelten IT Systeme ist es Alipay möglich, Händlern zeitnah Big-Data-Analysen als Orientierungshilfe für die Zielgruppenauswahl und für Werbekampagnen zur Verfügung zu stellen. Eine Kooperation mit Internetfirmen erlaubt den kooperierenden Banken Zugriff auf wertvolle Informationen wie Echtzeit-Verläufe der Bonität und Ausgabenverhalten von Kunden, die für das Angebot von passenden Finanzdienstleistungen und die Entwicklung zukünftiger Finanzprodukte wichtig sind. Ebenfalls tragen Partnerschaften oder Übernahmen von Unternehmen wie Alipay dazu bei, wertvolle Zeit für die Entwicklung bei den Banken einzusparen und bereits erprobte Systeme zu erhalten. Zudem beabsichtigen die Banken bei derartigen Partnerschaften mit FinTechs, Kunden zurückzugewinnen und erweiterte Kundenservices anbieten zu können. Aktuell konzentriert sich die Zusammenarbeit von Alipay und der staatlichen Bank CCB hauptsächlich auf konkrete Anwendungen in der Finanztechnologie. So wird u. a. auf Finanzrobot- und Kundenporträts, Präzisionsmarketing, Kundenbonitätsbewertung, Risikoüberwachung, intelligente Anlageberatung und intelligenten Kundenservice sowie die gezielte Platzierung und Entwicklung von Finanzprodukten für Nutzer und Kunden fokussiert. In diesem Sinne haben die beiden Firmen auch ein gemeinsames Labor für Finanzwissenschaft und Technologie gegründet. Für Internetfirmen ist die Zusammenarbeit mit Banken interessant, weil diese über eine Expertise im Umgang mit Kunden und Krediten sowie über einen Zugang zur Geldschöpfung verfügen. Zudem war das Wachstum der Internetfirmen so rasant, dass zumeist nicht alle Bankkompetenzen in dieser kurzen Zeitspanne selbst aufgebaut bzw. entwickelt werden konnten. Hinzu kommt, dass eine zu enge Bindung an eine Bank die Zusammenarbeit mit anderen Banken behindern könnte. Durch die Kooperation von Alipay mit der CCB ergeben sich für Alipay in Hinblick auf Finanzdienstleistungen neue Spielräume. So wird in der Kooperation zunächst eine umfassende und vertiefte Zusammenarbeit in den Bereichen Finanzen und Technologie, Privatkundengeschäft, Konsumentenkredite, Unternehmenskredite, Campus- Ökologie, Vermögensverwaltung sowie individuelle gemeinsame Kontenverwaltung angestrebt. Dies begünstigt die Versuche von Alipay, weiter in das Segment der Offline-Zahlungen vorzurücken. Das liegt darin begründet, dass die Anzahl von Offline-Payment-Szenarien aufgrund von technologischen Entwicklungen stetig zunimmt und jede Transaktion früher oder später im Banksystem mündet. Zusätzlich verfolgt Alipay den Ansatz, durch Kooperationen mit den Banken an einem Großteil der Bankentransaktionen zu partizipieren. Dies wird dadurch begünstigt, dass viele chinesische Banken traditionell nur an den lukrativeren Makrotransaktionen interessiert sind und Mikrotransaktionen gerne auslagern. Denn so können sie Ressourcen einsparen und sich auf ihre Hauptgeschäfte fokussieren. Alle genannten Gründe zeigen die Synergiemöglichkeiten von Internetfirmen und Banken und erklären, warum in jüngster Zeit mehrere derartige Kooperationen in China beobachtet werden konnten. So wurden im Juni 2017 die Kooperationen zwischen der Industrial and Commercial Bank of China und dem e-commerce-Unternehmen JD.com, zwischen der Agricultural Bank of China und der Suchmaschine Baidu Inc. sowie zwischen der Bank of China und dem sozialen Netzwerk und Nachrichtendienst Tencent Holdings Ltd. bekanntgegeben. Auch in Europa sind diese Synergien vorhanden, denn auch hier findet man ähnliche Problemstellungen und zukünftige Herausforderungen. So geht der Trend in Europa auch dahin, viele Mikrotransaktionen in spezialisierte Unternehmen und teilweise auch in andere Länder auszulagern. Deshalb wird man auch hier über ähnliche Kooperationen nachdenken müssen. 10 05 // 2018

MARKT Jedoch sollte die Umsetzung allein aus datenschutzrechtlichen Gründen deutlich schwieriger sein. Da Alibaba derzeit auch nach Europa expandiert, wird es interessant sein zu beobachten, ob und auf welche Weise deren Tochter Alipay versuchen wird, ihren Service in Europa anzubieten. Die Rolle des Staats Die letzte Finanzkrise hat gezeigt, wie sehr die Staaten bemüht sind, ihre Banken zu schützen und im internationalen Wettbewerb konkurrenzfähig zu halten. Deshalb ist es wenig überraschend, dass Staaten wie China die Verschmelzung von Banken und FinTechs unterstützen, wie es sich in der Kooperation von Alipay mit der CCB gezeigt hat. Durch die Partnerschaft einer staatlichen kontrollierten Bank mit einem Online-Paymentsystem oder besser dem Wächter eines digitalen Ökosystems wie Alipay eröffnen sich auch für staatliche Institutionen neue Möglichkeiten und Geschäftsfelder. So tritt neben den Finanzdienstleistern auch der Staat mit seinen öffentlichen Dienstleistungen als Händler auf der Plattform von Alipay auf. Elektrizitäts-, Strom- und Gasrechnungen können heutzutage problemlos über diese Plattform abgewickelt werden. Jedoch ist der Staat auch wachsam und setzt ihr ein mächtiges System entgegen, wie das von der PBoC neu errichtete Clearinghaus. An dieser Settlement-Plattform, die online betrieben wird, sind 38 Third- Party-Payment-Unternehmen beteiligt, wobei die PBoC mit 37 Prozent der Anteile der Hauptaktionär ist, ohne den keine Entscheidung gefällt werden kann. An die Abwicklung über das Clearinghaus wurden im Oktober 2017 bereits ca. 300 Banken angeschlossen. Im Markt wird vermutet, dass die PBoC mit dieser Verordnung versucht, die Geschäftsbanken gezielt zu stärken, um die Marktmacht der Unternehmen einzudämmen und diese nicht konkurrenzlos werden zu lassen. Die Kooperation zwischen Internetfirmen und staatlichen Banken wird auch in China als nicht unproblematisch gesehen. So befürchtet man einerseits, der chinesische Staat wolle die Privatdaten von Internetplattformfirmen verstaatlichen, um seine Bürger besser zu überwachen. Andererseits könnte ein Finanzoligopol entstehen, wenn sich die stärksten staatlichen Banken mit den stärksten privaten High-Tech- Firmen verbinden. Dann, so die Befürchtung, gebe es kaum noch Platz für kleinere Finanzfirmen. Eine wichtige Voraussetzung der Allianz zwischen staatlichen Banken und privaten High-Tech-Firmen in China ist die Bereitschaft der Bevölkerung, ihre privaten Daten gegen Sicherheit, Effizienz aber auch Bequemlichkeit im Zahlungsverkehr zu tauschen. FAZIT Wegen der kollektiven Konfuzius-Kultur und einer Historie mit über 2.000 Jahren Imperialherrschaft mag die chinesische Bevölkerung diese Allianz und die Zentralclearinglösung akzeptieren. Aber sind solche Allianzen auch in Ländern mit langjähriger Demokratietradition denkbar? Am Beispiel der Kooperation zwischen Alipay und der CCB zeigt sich, dass durch die enge Zusammenarbeit zwischen Internetriesen und Banken große Möglichkeiten und Chancen eröffnet werden. Es wird aber auch deutlich, dass es in Ländern wie China leichter sein wird, diese Synergien zu erschließen als es in Europa u. a. aus Datenschutzgründen der Fall sein wird. Auf der anderen Seite ist es auch von hoher gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Bedeutung, im internationalen Finanzmarkt wettbewerbsfähig zu bleiben. Dieser Artikel soll dazu anregen, diesen Themenkreis zu diskutieren und auf die aktuelle Entwicklung in China aufmerksam zu machen. Autoren Juan Wu ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der ZHAW und Beraterin für asiatische und europäische Unternehmen. Sie hat langjährige Erfahrung als Finanzanalystin bei Banken in China und den USA und arbeitet als Kommentatorin bei der Finanzzeitung „China Securities Journal“. Dr. Martin Schnauss war 25 Jahre in Schweizer Großbanken tätig und dabei insbesondere auf sehr vermögende Privatkunden und Family Offices spezialisiert. Heute ist er Dozent an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) und als Berater für asiatische und europäische Unternehmen tätig. 05 // 2018 11

die bank