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die bank 05 // 2017

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

MANAGEMENT 3 | Struktur

MANAGEMENT 3 | Struktur von Tender Offer II Rückkaufangebot des Kärntner Ausgleichszahlungs-Fonds (finanziert durch den Bund über die ABBAG) Nicht-nachrangige HETA-Forderungen Nachrangige HETA-Forderungen bei Angebotsannahme bei Angebotsannahme Barangebot oder Umtauschangebot Barangebot oder Umtauschangebot oder Umtauschangebot 75 % Cash + Besserungsanspruch Nullkuponanleihen 1:1, Lfz. 15,3 Jahre umtauschbar zu 90 % + Besserungsanspruch 30 % Cash + Besserungsanspruch Nullkuponanleihen 1:2, Lfz. 15,3 Jahre umtauschbar zu 45 % + Besserungsanspruch Nullkuponschuldscheine 1:1, Lfz. 36,7 Jahre umtauschbar zu 45 % + Besserungsanspruch 75 % 90 % 30 % 45 % 45 % Bereits ohne Einrechnung der HETA-Verbindlichkeiten ächzt Kärnten mit seinen nur 557.000 Einwohnern unter einer Schuldenlast von 3,19 Mrd. €, 5.700 € pro Kopf. Rechnet man die HETA-Finanzierungslücke von 3,15 Mrd. € hinzu, ergibt sich eine nicht finanzierbare Gesamtverschuldung von 6,34 Mrd. €, die 11.400 € pro Kopf oder 244 Prozent der Jahresbruttoeinnahmen Kärntens entspricht. Doch auch bei den HETA-Gläubigern mag keine rechte Freude über den Zwischenerfolg aufkommen. Sie haben von ihren Anwälten gelernt, dass sich ein direkter Rechtsanspruch gegen die Republik Österreich auf Rückzahlung der Schulden wohl nicht herleiten lässt. Höchst ungewiss ist zudem, wie viel ein Kärnten-Insolvenzverfahren, für das es nicht einmal einen gültigen Rechtsrahmen gibt, am Ende bringen würde. Nur eins steht fest: Kärnten hat angekündigt, sich mit allen juristischen Mitteln gegen eine Insolenz wehren. Die HETA-Gläubiger müssten sich auf langjährige und kostspielige Gerichtsverfahren über mehrere Instanzen einstellen. Da erreicht die Vertreter der größten Gläubigerinstitute Mitte April die Einladung von Gunter Dunkel, seinerzeit Vorstandschef der Norddeutschen Landesbank, zu einer Telefonkonferenz. Der erfahrene Banker ist österreichischer Staatsbürger und hat den weitaus größten Teil seiner Karriere in Deutschland verbracht, ohne freilich seine guten Kontakte zum Heimatland zu vernachlässigen. Den verdutzten Teilnehmern der Telefonkonferenz erklärt Dunkel, er sei vom österreichischen BMF über einen Mittelsmann ermächtigt, vertraulich das folgende verbesserte Angebot zu übermitteln: Die Republik sei bereit, eine Rückzahlungsquote von 90 Prozent für die nichtnachrangigen Gläubiger und 45 Prozent für die Nachranggläubiger zu finanzieren. 6 Im Gegenzug müssten sich die Gläubigerpools vorab vertraglich verpflichten, ein solches verbessertes Rückzahlungsangebot (Tender Offer II) auch anzunehmen. Zwar würde dies für das Erreichen der notwendigen Zweidrittelmehrheit noch nicht ausreichen. Man vertraue aber – sollten die drei Pools mitmachen – auf einen Sogeffekt auf die übrigen Gläubiger, der am Ende den Erfolg von Tender Offer II sicherstellen dürfte. Der Durchbruch Ab jetzt geht alles ganz schnell. Den Gläubigern ist inzwischen klar, dass Schelling mit diesem Vorstoß an die Grenze des für ihn Machbaren geht. Schelling will die Insolvenz Kärntens vermeiden, aber nicht um jeden Preis. Ohne ein Opfer der Gläubiger kann er eine Kompromisslösung in der Causa HETA politisch nicht durchsetzen. Schon bald signalisieren die Pools daher, dass einer großen Mehrheit ihrer Mitglieder der 90 Prozent-Vorschlag akzeptabel erscheint. Nach einer Reihe von Abstimmungsgesprächen zwischen Pool-Vertretern und einer eilig gegründeten BMF-Arbeitsgruppe liegt der Entwurf eines Memorandum of Understanding vor, in dem die Details des von Dunkel skizzierten Einigungsvorschlags geregelt sind. Am 18. Mai 2016 verkündet Schelling auf einer Pressekonferenz im BMF: „In intensiven Verhandlungen ist es uns gelungen, eine außergerichtliche Lösung zu finden. Die dunkle Hypo-Vergangenheit kann endlich einen Schlusspunkt finden“. Aufseiten der drei Pools haben 72 Mitgliedsunternehmen, die zusammen 4,9 Mrd. € an HETA-Forderungen vertreten, das Memorandum of Understanding unterzeichnet. Es vergehen weitere knapp vier Monate, in denen die gesetzlichen, vertraglichen und technischen Voraussetzungen für die Tender Offer II geschaffen werden, bis am 6. September 2016 das neue Angebot, erneut 24 05 // 2017

MANAGEMENT vom Kärntner Ausgleichszahlungs-Fonds als Angebotsvehikel, veröffentlicht wird. Die Struktur von Tender Offer II baut auf dem „Zuckerl“- Modell von Schelling auf und ist daher komplizierter als die des Vorgängerangebots ÿ 3. Am 10. Oktober 2016 gibt der KAF bekannt, dass die Tender Offer II mit überwältigender Mehrheit von 98,7 Prozent der verbürgten HETA- Forderungen angenommen wurde. Zwei Tage später erhalten die Gläubiger von der Republik Österreich garantierte Nullkuponanleihen des KAF über 10,3 Mrd. €, fällig am 14. Januar 2032. Es ist dies die größte Kapitalmarkttransaktion in der Geschichte Österreichs. Die Laufzeit der Nullkuponanleihen ist so justiert, dass ihr Marktkurs bei Emission exakt 90 Prozent beträgt. In den Emissionsbedingungen ist festgelegt, dass die Papiere nicht vor Ablauf der „Halteperiode“ zum 30. November 2016 verkauft werden dürfen. Um den Marktwert zu sichern, müssen die Anleihebesitzer daher am Emissionstag entsprechende Sicherungsgeschäfte abschließen. Anfang Dezember 2016 startet dann die sogenannte „Stabilisierungsperiode“, in der der KAF verpflichtet ist, auf Wunsch die Nullkuponanleihen zu einem vorgegebenen Renditeaufschlag zur Swapkurve zurückzukaufen. Dadurch wird sichergestellt, dass die Halter der abgesicherten Nullkuponanleihen den Emissionswert von 90 Prozent – abzüglich Sicherungskosten – auch kurzfristig realisieren können. Die Stabilisierungsperiode endet sechs Monate später am 31. Mai 2017, womit Tender Offer II abgeschlossen ist. Was bleibt? Wichtigstes Resultat der HETA-Einigung ist ohne Frage, dass die Insolvenz Kärntens verhindert werden konnte. Sie hätte die Bevölkerung Kärntens großen Härten ausgesetzt und darüber hinaus das föderale Gefüge der gesamten Republik erschüttert. Positiv kann auch vermerkt werden, dass sich nach der Einigung die Emissionsaktivitäten an den österreichischen Anleihemärkten, die phasenweise mit Ausnahme von Staatsanleihen zum Erliegen gekommen waren, wieder normalisiert haben. Des Weiteren wurde mit dem Kompromiss ein Schlussstrich unter die unsägliche HGAA-Bankenpleite gezogen, die das Land über Jahre in Atem gehalten hatte. Einzig die Verwertung aller HETA-Aktiva ist noch zu erledigen. Vom Erfolg der hierzu notwendigen Maßnahmen wird abhängen, wie teuer HGAA-Pleite und HETA-Abwicklung den österreichischen Steuerzahler am Ende zu stehen kommen. Eine realistische Schätzung des Gesamtschadens dürfte zwischen 7 und 8 Mrd. € liegen, immerhin 800 bis 900 Euro für jeden Österreicher. Vom Kärntner Steuerzahler sind zusätzlich die 1,2 Mrd. € zu tragen, die das Bundesland als Beitrag zur Tender Offer II aufbringen musste. Der Abschluss von Tender Offer II bedeutet aber auch, dass – erstmals in der jüngeren Geschichte Europas – Gläubiger ihre von einer Gebietskörperschaft der zweiten staatlichen Ebene verbürgten Forderungen nicht vollständig zurückgezahlt bekommen. FAZIT Ein Kompromiss ist dann vollkommen, wenn alle unzufrieden sind, lautet ein geflügeltes Wort von Aristide Briand. In diesem Sinn ist der erzielte Kompromiss für die HETA-Gläubiger fürwahr vollkommen, denn das Ergebnis kann sie nicht zufriedenstellen. Zusammen haben sie 1,5 Mrd. € ihrer Kärntenverbürgten Forderungen verloren, die nicht-nachrangigen Gläubiger 1 Mrd. € und die Nachranggläubiger 0,5 Mrd. €. Ihr tatsächlicher Ausfall ist sogar noch höher, denn hinzu kommen nicht gezahlte Zinsen ab dem 1. März 2015, Kosten für die Auflösung bestehender Sicherungsgeschäfte und Beraterkosten. Die Teilnahme an der Tender Offer II war angesichts der höchst unsicheren Alternativen gleichwohl vernünftig. Darüber hinaus steht fest: Das Ergebnis wäre schlechter ausgefallen, hätten die in den drei Pools vereinigten HETA-Gläubiger nicht gemeinsam und entschlossen für ihr Ziel gekämpft. Autor: Friedrich Munsberg, Vorstandsvorsitzender der Dexia Kommunalbank Deutschland AG, war Sprecher und Verhandlungsführer der drei HETA-Gläubigerpools. 1 § 151 österreichische Insolvenzordnung. 2 Artikel 74 EU-Bankenabwicklungsrichtlinie. 3 Erst im Dezember 2015 wird das BaSAG um § 95 Abs. 3 mit der Klarstellung ergänzt, dass Rechte von Gläubigern aus Bürgschaften durch einen Schuldenschnitt nicht berührt werden. 4 Urteil des österreichischen Verfassungsgerichtshofs Nr. G 239/2014-27, G 98/2015-27 vom 3. Juli 2015. 5 Darüber hinaus müssen zur Rechtswirksamkeit mindestens jeweils ein Viertel der nicht-nachrangigen und der nachrangigen Schuldensummen am Rückkaufangebot teilnehmen. 6 Wiederum bezogen auf Nominalbetrag der HETA-Forderungen einschließlich Zinsen bis zum 1. März 2015. 05 // 2017 25

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