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die bank 05 // 2016

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

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ó FINANZMARKT Noch läuft nicht alles rund KREDITWIRTSCHAFT Die Entwicklung des Bankensektors und letztendlich des gesamten Finanzmarkts seit Anfang 2016 könnte den Schluss nahelegen, dass die Lage vielleicht noch nicht die Brisanz des Jahres 2008 erreicht hat, die Risiken aber auf jeden Fall gestiegen sind. Analysten bewerten den Zustand europäischer Banken heute deutlich besser als zu Zeiten der Finanzkrise. Es existieren aber auch Einflussfaktoren, die für die Banken- und Finanzbranche problematisch werden könnten. Stefan Hirschmann Keywords: Strategie, Bankenmarkt, Geschäftsmodelle, Europa Europäische Banken haben seit dem Jahr 2007 ohne Berücksichtigung der Gewinnrücklagen mehr als 800 Mrd. € an neuem Kapital eingesammelt, Vermögenswerte veräußert und ihre Bilanzsummen reduziert. Der Bankensektor steht somit fundamental besser da als in den düsteren Tagen der globalen Finanzkrise. Die Institute haben ihre Bilanzen bereinigt und sich von Vorkrisenprodukten wie CDOs, CLOs oder RMBS getrennt. Diese waren selbst für Experten nur schwer zu durchschauen. Auf der einen Seite agierten die Banken aus einem eigenen Antrieb und getrieben von dem Wunsch nach mehr Sicherheit. Auf der anderen Seite spielte der feste Wille der Aufsichtsbehörden eine wichtige Rolle, das eng verwobene globale Finanzsystem stabiler und krisenresistenter zu machen. „Die Regulatoren wollen nie wieder für den Beinahe-Kollaps vieler Großbanken mitverantwortlich gemacht werden. Um dies zu erreichen, wurden nicht nur die Eigenkapitalanforderungen erhöht, sondern auch die Dividendenzahlungen an Aktionäre verringert, die Risikogewichtungen enorm angehoben und das Bail-In ins Leben gerufen, bei dem Gläubiger bei Bankenzusammenbrüchen an den Verlusten beteiligt werden“, sagt David Moss, Head of European Equities bei BMO Gobal Asset Management. Letztendlich beruhte die eigentliche Problematik des Bankensektors in den Jahren 2007 bis 2009 gar nicht auf dem Kapital oder den in den Bilanzen gehaltenen faulen Krediten, sondern auf mangelnder Liquidität und der Unfähigkeit zur Refinanzierung. Denn die Investoren wurden nervös, und die Institute wollten sich auch gegenseitig kein Geld mehr leihen. „Ohne Kapital und Liquidität waren die Institute gezwungen, Vermögenswerte zum schlechtesten Zeitpunkt zu veräußern“, so Bankenanalyst Moss. Dazu passt, dass die irische National Asset Management Agency, die den irischen Banken alle faulen Kredite abgenommen hat, voraussichtlich einen deutlichen Gewinn einfährt, wenn sie ihre Aufgabe abgeschlossen hat. Dieses Problem ist heute vom Tisch, denn durch die strengeren Kapitalvorschriften können sich die Banken nicht ausschließlich kurzfristig finanzieren. Vielmehr müssen sie mehr längerfristige Finanzierungen und erhebliche Liquidität vorhalten, um für Marktverwerfungen gerüstet zu sein. Zudem waren die Zentralbanken das letzte Mal auch nicht auf ein solches Szenario vorbereitet. Es existierten keine koordinierten Liquiditätsfazilitäten der Europäischen Zentralbank wie etwa LTRO oder TLTRO. Heute lassen die Zentralbanken keinen Zweifel daran, dass sie dem Sektor alle Liquidität gewähren, die er benötigt. Prozesse noch stärker automatisieren Allerdings gingen die Verringerung der Bilanzen und Risikoaktiva (RWA) nicht mit vergleichbar sinkenden Kosten einher, was für viele Banken schrumpfende Erträge zur Folge hatte. Gemäß einer Analyse des BearingPoint Institute, für die Daten von 156 europäischen Banken ausgewertet wurden, reduzierten die europäischen Banken ihr Gesamtvermögen erheblich schneller als ihre Risikoaktiva. Im Ergebnis bedeutet dies eine geringere Vermögensbasis, wodurch die betroffenen Banken weniger Möglichkeiten haben, Erträge zu generieren und Bedrohungen durch Wettbewerber abzuwehren. Dabei sind Erträge nur die eine Seite. „Eine zunehmende Verschlankung sollte die Profitabilität steigern. Faktisch sind die Betriebskosten in Relation zu den Risikoaktiva aber gestiegen“, so Bankenberater Robert Bosch von BearingPoint. Ein Großteil davon entfällt nach wie vor auf die Personalaufwendungen, die nicht analog zur Reduzierung des Vermögens gesunken sind. Steigende Allgemein- und Verwaltungskosten verschärfen die Lage zusätzlich. Hinsichtlich der Cost-Income- Ratio (CIR) – einem guten Indikator für die Bemühungen der Banken, Renditen relativ zu den Kosten zu erzielen – zeigt die BearingPoint-Studie, dass die durchschnittlichen Betriebskosten insgesamt stagnierten und lediglich um 0,01 Prozent sanken. „Banken müssen ihre Prozesse noch stärker automatisieren, Kooperationen zwischen den Abteilungen ausbauen, Betriebskosten senken und ihre Geschäftsmodelle modernisieren. Bankvorstände dürfen dabei den Fokus 14 diebank 05.2016

FINANZMARKT ó nicht mehr nur auf Compliance-Anforderungen legen, sondern müssen zusätzlich neue Gewinn-Quellen erschließen“, rät Bankenexperte Frank Hofele. Banken sorgen für positive Überraschungen „Es ist offensichtlich, dass nicht alles rund läuft, und das hat die Stimmung zumindest getrübt. Dies wiederum kann konjunkturanfällige Branchen wie den Bankensektor erheblich beeinträchtigen“, weiß Investmentmanager Moss. Das liegt an einer Vielzahl verschiedener Faktoren. So stellen beispielsweise niedrige Zinsen ein Problem für Banken dar. Sie sind schlecht fürs Geschäft, das darin besteht, Einlagen auf Giro- und kurzfristig kündbaren Sparkonten als Kredite zu vergeben. Durch die kontinuierlich sinkenden Zinsen sind die Gewinne der Branche aus diesen Geschäften immer mehr geschrumpft. „Auch die Angst vor einer weltweiten Abschwächung des Wachstums in den USA, China oder Europa drückt das Sentiment am Markt“, sagt Moss. Ein weiteres Problem ist die zunehmende Regulierung, zumal immer strengere Kapitalanforderungen die Gewinne belasten. Andererseits sind die Marktprobleme in den Griff zu bekommen, solange die Banken hohe Kapitalquoten vorhalten und die Zentralbanken in der Lage sind, für ausreichend Liquidität zu sorgen – ein Teufelskreis. In einem Punkt haben Banken in dieser Berichtsaison allerdings für positive Überraschungen gesorgt: bei der Zahlung von Dividenden. Das wäre vermutlich nicht geschehen, wenn die Aufsichtsbehörden weiterhin Zweifel an den vorgehaltenen Kapitalpuffern hätten. Die schlechte Stimmung hat aber paradoxerweise trotz der grundsätzlich positiven Fundamentaldaten die Kurse belastet. Idiosynkratisches, nicht systemisches Risiko „Die europäischen Finanzwerte waren die Hauptleidtragenden der Volatilität. Dass mit der Deutschen Bank eines der größten Kreditinstitute Europas für viel Unsicherheit gesorgt hat, dürfte zu einer stärkeren Risikoaversion von Anlegern gegenüber dem Bankensektor insgesamt geführt haben“, glaubt Ariel Bezalel vom Londoner Asset Manager Jupiter. Bedenken bezüglich einer grundsätzlichen Zukunftsfähigkeit des Investmentbanking-Modells taten ein Übriges. „Aber gerechtfertigt ist diese Entwicklung trotzdem nicht. Es handelt sich um ein idiosynkratisches, nicht systemisches Risiko. Es entsteht der Eindruck, als würden technische Faktoren in der Bankenbranche stärker bewertet als Fundamentaldaten“, sagt Fondsmanager Bezalel. Eine Reihe von Kreditinstituten, darunter ING, Commerzbank, BBVA und Nationwide, konnten die Analystenprognosen übertreffen und verbesserte Fundamentaldaten vorlegen. Auch die Deutsche Bank verfügt über reichlich Liquidität, auf die sie im Fall eines Stressszenarios zurückgreifen kann. Dies hat sie erst kürzlich unter Beweis gestellt, als sie Anlegern den Rückkauf einiger vorrangiger Anleihen anbot. Im Hinblick auf die Frage nach dem systemischen und dem Ausfallrisiko von Banken gelte es außerdem zu bedenken, so Bezalel, dass europäische Banken insgesamt keineswegs über zu wenig Liquidität verfügten. Sollte eine Bank in Schwierigkeiten geraten, könne auch noch auf umfangreiche Sicherheitsreserven der EZB zurückgegriffen werden, sollten sich die Liquiditätsbedingungen verschlechtern. Funktionierendes Geschäftsmodell als Erfolgsfaktor Seit Anfang 2016 hat sich die Besorgnis der Märkte hinsichtlich einer möglichen globalen Rezession ausgeweitet, wobei der Fokus zunächst noch auf Schwellenländern und dem Energiesektor lag. Dies hat sich aber mittlerweile auch auf Sektoren ausgeweitet, die von Wachstumsschwächen und Deflationsrisiken in Industrieländern betroffen wären. Diese fl Eine zunehmende Verschlankung sollte die Profitabilität steigern. Faktisch sind die Betriebskosten in Relation zu den Risikoaktiva aber gestiegen. Probleme sind für europäische Banken von besonderer Bedeutung. Wie EZB-Präsident Mario Draghi im Februar in einer Rede anmerkte, „gibt es derzeit Mächte in der globalen Wirtschaft, die sich dazu verschworen haben, die Inflation niedrig zu halten“. Die Sorge kommt auf, dass die Märkte allmählich an der Wirksamkeit weiterer Zentralbankinterventionen zweifeln und sie nun über die mittelfristigen Implikationen für die Geschäftsmodelle von Banken grübeln. Die jüngst vorgenommene Einführung negativer Zinsen in Schweden und Japan – welche die Netto-Zinsmargen von Banken weiter unter Druck setzen könnte – hat wenig zur Anlegerberuhigung beigetragen. Die negative Stimmung in der Branche dürfte somit weiter anhalten, bis sich die makroökonomischen Aussichten stabilisieren. Trübsal zu blasen, ist dennoch nicht angezeigt. „Wir setzen weiterhin auf Banken, deren Unternehmensbereiche und Geschäftsmodelle von sehr hoher Qualität sind – denn wir glauben, dass diese Banken in der Lage sind, sich neu aufzustellen und letztendlich den Wert ihrer Aktien wieder zu heben“, sagt Anthony Smouha von der internationalen Vermögensverwaltungsgruppe GAM. Um Banken, die in unsicheren Bereichen agieren oder fragwürdige Geschäftsmodelle haben, macht der Fondsmanager hingegen einen Bogen. 05.2016 diebank 15

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