MANAGEMENT INTERVIEW Gebildet, gescheitert und etwas größenwahnsinnig Gemeinsam mit dem Bundesverband Deutsche Startups e.V. hat Professor Dr. Julian M. Kawohl von der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin die Top 100 Gründerinnen und Gründer in Deutschland analysiert. In das 2018 veröffentlichte Ranking „Entrepreneur-Stars in Deutschland – was zeichnet die Top 100 Unternehmer aus?“ schafften es die Gründer der Start-ups, die bislang das meiste Kapital eingesammelt haben, darunter auffallend viele FinTechs. Mit Kawohl sprach unsere Autorin über die DNA erfolgreicher Gründer und die Wirkung der Entrepreneur-Stars in der Öffentlichkeit. die bank: Laut Start-up-Verband räumt Ihre Studie mit einigen Mythen auf. Welche neuen Erkenntnisse haben Sie gewonnen mit Blick auf FinTechs? Julian Kawohl: Weit verbreitet ist der Mythos, dass Gründer ihr Studium abbrechen, nur noch für ihre Idee brennen und sich damit Tag und Nacht beschäftigen. Dazu tragen auch Filme wie „The Social Network“ bei oder die Biographie von Mark Zuckerberg. Die große Mehrheit unserer Top-Entrepreneure verfügt jedoch über einen Hochschulabschluss, mehr als die Hälfte hat einen Master in Wirtschaftswissenschaften. Vor der Gründung hat jeder Fünfte bei einer Unternehmensberatung gearbeitet, jeder Zehnte bei (Investment-)Banken wie Goldman Sachs und Deutsche Bank. Und fast jeder Zweite ist bereits mit einem Startup auf die Nase gefallen, weiß also, was es heißt, zu scheitern. die bank: Unter den Top 100 finden sich gerade einmal vier Frauen, bei den FinTechs sogar keine. Wie erklären Sie sich dieses doch sehr krasse Ungleichgewicht? Kawohl: Das fand ich auch erschreckend und kann es mir vor allem mit dem auch in der Start-up-Szene dominanten Old Boys Network erklären. Hans sucht Hänschen, sprich Typen, die für ihre Idee durch die Wand gehen, eine ausgeprägte Ellbogenmentalität haben und stets einen lukrativen Exit im Blick. Das ist Frauen eher fremd. Sicher spielt auch die Familienplanung eine Rolle, die sich oftmals schwer mit einem Job vereinbaren lässt, der gerade in den ersten drei bis fünf Jahren volle Einsatzbereitschaft fordert. die bank: Fast alle großen Konzerne, darunter auch Deutsche Bank und Commerzbank, haben Digitaleinheiten gegründet. Viele von ihnen kooperieren mit Start-ups. Was können diese Unternehmen aus der Studie lernen? Kawohl: Es bedarf sowohl praktischer Erfahrungen als auch eines substanziellen Ausbildungs-Backgrounds, um im digitalen Kontext Spitzenunternehmen zu gründen. Auch und gerade die vielen etablierten Unternehmen in Deutschland sollten sich dies zu Herzen nehmen, wenn sie ihre eigenen Innovationseinheiten und Digitalinitiativen betrachten. Letztendlich brauchen deutsche Konzerne noch mehr von diesen unternehmerischen Ausnahmetalenten, um künftig erfolgreich neue Angebote für die Bedürfnisse der Nutzer in digitalisierten Ökosystemen zu schaffen, so wie es Alibaba, Amazon, Apple und Co immer stärker machen. Große Defizite sehe ich vor allem im Finanzbereich. Ich habe einen Bekannten, der sein Start-up an eine Bank in Deutschland verkauft hat. Nach zwei Jahren hat er sich frustriert zurückgezogen, weil er sich nur ausgebremst gefühlt hat. die bank: N26 ist als erstes deutsches FinTech und binnen nur fünf Jahren zu einem Unicorn aufgestiegen, wird also mit mehr als einer Milliarde US-Dollar bewertet. Die beiden Gründer sind gerade mal Anfang 30 (Valentin Stalf) bzw. Ende 30 (Maximilian Tayenthal). Wie stark schätzen Sie die Gefahr ein, dass der schnelle Erfolg zu leichtsinnigen Entscheidungen führt, etwa bei den Expansionsplänen, oder zu gewagten Prognosen? Kawohl: Viele, wie auch Stalf, haben im Umfeld des Seriengründers Rocket Internet gearbeitet und von dessen Gründern sicher ein Stück Größenwahnsinn mitgenommen. Um erfolgreich 24 04 // 2019
MANAGEMENT zu sein, braucht man natürlich einen unbedingten Glauben an sein Geschäftsmodell. Und namhafte Investoren wie Earlybird werden schon sehr genau hinschauen, in wen sie investieren. Gleichzeitig sehe ich die Gefahr, dass man nach erfolgreicher Aufbauphase scheitert, weil man zum Beispiel den Eintritt in neue, schwierige Märkte wie die USA unterschätzt. Da macht es Sinn, sich erfahrene Manager an Bord zu holen. Natürlich kann das auch zu Konflikten zwischen Alt und Jung führen. die bank: Als Journalist sagt man ja eigentlich „Bad news are good news“. Zurzeit scheinen sich die Medien aber gerade bei den FinTechs viel mit den Aufsteigern zu beschäftigen, während pleite gegangene Start-ups wie Cringle und Lendstar für weniger Schlagzeilen sorgen. Kawohl: Die Banken- und Versicherungsszene produziert seit Jahren so viele schlechte News, dass die Presse und mit ihr die Öffentlichkeit offenbar ganz froh sind, hoffnungsvolle Geschichten über FinTechs schreiben bzw. lesen zu können. Bei E-Commerce-Unternehmen ist das schon anders, da schauen alle mittlerweile viel kritischer hin. die bank: Sie haben in Ihrer Studie auch die Wirkung der Entrepreneur-Stars in der Öffentlichkeit analysiert. Wie haben Sie dies gemessen? Kawohl: Wir haben uns angeschaut, wie häufig die Unternehmer namhafte Konferenzen besucht haben, als Referent aufgetreten sind, wie viele von ihnen ein Mandat in einem Aufsichtsrat oder Beirat übernommen haben, als Business Angel im Einsatz sind und wie stark ihre Internetpräsenz (Erwähnung in Artikeln, explizite Porträts) ist. Jeder Dritte ist zum Beispiel beratend aktiv, vergrößert dadurch sein Netzwerk und seine Bekanntheit. Bekanntheit hilft dann auch beim Einsammeln von Kapital. Besonders deutlich wird dies bei Valentin Stalf von N26. die bank: Herr Kawohl, vielen Dank für das Gespräch. Die Fragen stellte Eli Hamacher. 04 // 2019 25
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