Aufrufe
vor 5 Jahren

die bank 04 // 2018

  • Text
  • Banken
  • Unternehmen
  • Digitalisierung
  • Digitale
  • Anforderungen
  • Deutschen
  • Frauen
  • Institute
  • Insbesondere
  • Banking
die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

MARKT ANLAGEBERATUNG IM

MARKT ANLAGEBERATUNG IM PARADIGMENWECHSEL Passive Investments – Game Changer für Filialbanken Passive Investmentstrategien, Factor Investing, Smart Beta-Solutions und Semi-Active Portfolios, verzeichnen in den USA bereits signifikante Nettomittelzuflüsse und werden auch für deutsche Finanzinstitute zu einem Game Changer im Wertpapiergeschäft. Die Substitution klassischer aktiver Investmentfonds durch kostengünstige passive Investments (Exchance Traded Products, ETP) setzt Bestandsprovisionen unter Druck. Das Wertpapiergeschäft muss konsequent neu gedacht werden, um langfristig erfolgreich zu sein. Passive Investmentstrategien sind klassischen aktiv gemanagten Portfolios strukturell überlegen. Nur den wenigsten Portfoliomanagern gelingt es, durch aktive Aktienselektion nach Kosten langfristig ihre Benchmark zu schlagen. Untersuchungen 1 zeigen immer wieder, dass die meisten aktiv gemanagten Portfolios ihre Vergleichsindizes nach Kosten langfristig underperformen. Die Ursache liegt in der inzwischen wissenschaftlich fundierten 2 Erkenntnis, dass Portfoliorenditen nur zu einem sehr geringen Anteil durch die Qualität von Portfoliomanagern getrieben werden. Die Performance und das Risiko von Wertpapierportfolios erklären sich nach den neuesten Erkenntnissen durch das Marktbeta, die Vergütung des vom Anleger übernommenen systematischen Risikos, auch Marktrisiko genannt, und sogenannte Style-Faktoren für die Vergütung unsystematischer Anlagerisiken. Die bekanntesten Style-Faktoren im modernen Portfoliomanagement sind: Value: Niedrige Aktienbewertung, Cheapness, im Vergleich zu den Fundamentaldaten des Unternehmens, gemessen an Umsatz, Cashflow, Gewinn und Buchwert. Quality: Qualität der Unternehmensgewinne, gemessen an Eigenkapitalrendite, Volatilität der Erträge und Hebel als Indikator für künftige Kursgewinne. Momentum: Historische Preismuster im Kursverlauf von Aktien als Indikator für künftige Wertentwicklungen. Minimum Volatility: Systematische Outperformance durch Portfolios mit niedri- ger Volatilität und niedrigen Kovarianzen der Erträge zwischen den Portfoliobestandteilen. Size: Unternehmensgröße als Indikator für künftige Wertentwicklung. Performanceanalysen von BlackRock zeigen, dass faktorbasierte Wertpapierportfolios, Single-/Multi-Faktor-Modelle, Indizes, wie z. B. MSCI World, bzw. Benchmarks über Zeiträume von 16 Jahren mit bis zu 300 Prozent outperformen. Marktstruktur Der Investmentmarkt lässt sich grob in drei Segmente einteilen. Den größten Marktanteil haben rein indexnachbildende Produkte oder Index Tracker, Traditional Beta. Über Core ETF werden liquide Kernmärkte kostengünstig abgebildet. Die andere Seite des Spektrums bilden mit High Conviction Alpha aktive Investmentstrategien, die durch fundamentale und systematische Aktienselektion versuchen, einen Mehrertrag gegenüber einer Benchmark, dem klassischen Beta, zu erzielen. In der Mitte dieser beiden Ansätze befinden sich passive Investmentstrategien, wie Factor Investing, auch bekannt als Smart Beta, die unter Verwendung von Style Faktoren eine systematische Outperformance der zugrunde liegenden Benchmarks erzielen. Smart-Beta-Strategien lösen sich dabei von dem Paradigma der Gewichtung einzelner Aktien in Indizes nach ihrer Marktkapitalisierung. Stattdessen werden einzelne Style-Faktoren bzw. eine feste oder rollierende Mischung zur Identifikation von Wertpapieren mit überdurchschnittlichen Performanceaussichten herangezogen. Smart Beta ist damit das Beste aus beiden Welten. Vormals nur aktiv verfügbare Strategien werden kostengünstig und transparent über passive Investmentvehikel abgebildet. Werden Smart-Beta-Strategien mit einem aktiven Overlay Management kombiniert, so entstehen semiaktive Anlagelösungen, die individuell strukturierte passive Investments mit aktivem Anlagemanagement kombinieren. ÿ 1 Megatrend Passive Investments Passive Investments sind ein Wachstumsmarkt mit exponentiellen Zuwachsraten. Global waren in 2017 ca. 4,06 Billionen US-$ in ETP 3 angelegt. In Europa waren es 703 Mrd. US-$. Die in ETPs verwalteten Assets sind seit 2010 durchschnittlich um 19,4 Prozent pro Jahr gewachsen. Selbst in aktienbasierten aktiv gemanagten Investmentfonds sind inzwischen im Durchschnitt ca. 25 Prozent passive Investmentvehikel enthalten. In Anleihefonds liegt der Anteil von ETP ebenfalls bereits bei ca. 11,4 Prozent. Strukturelle Wachstumstreiber für ETP sind zum einen eine weiter steigende Gebührentransparenz durch MiFID II in Verbin- 12 04 // 2018

MARKT 1 | Marktstruktur Klassische Indexportfolios Indexing » Indexnachbildende Produkte für liquide Kernmärkte = Tracker. » Einfacher, kostengünstiger Marktzugang mit hoher Diversifizierung. » Sonderform: Alternative Beta (Rohstoffe, Sonderthemen etc.). Smart Smart-Beta-Portfolios » Regelbasierte, transparente „aktive“ Selektion von Aktien nach vordefinierten Kriterien (Faktoren) und relative Übergewichtung zur Erzielung von Outperformance. » In Kombination mit einem aktiven Overlay semiaktive Anlagestrukturen möglich. Aktiv Klassische aktiv gemanagte Portfolios » High Conviction Alpha. Erzielung von Mehrerträgen gegenüber Benchmarks (klassisches Beta) durch fundamentale bzw. systematische Anlagestrategien. » Besonders erfolgreich in ineffizienten, illiquiden Märkten bzw. Nischenmärkten. dung mit der zunehmenden Digitalisierung. Weiterhin wirkt sich die nachhaltig bessere Performance von ETP gegenüber aktiv gemanagten Portfolios insbesondere angesichts der anhaltenden finanziellen Repression wachstumsfördernd aus. Zu guter Letzt unterstützen ETP eine transparente regelbasierte Portfoliosteuerung. Zuwächse verzeichnen vor allem Smart-Beta-Produkte Die nachhaltigen Anlageerfolge der ETP führen in den USA bereits zu einer Spaltung des Markts für Vermögensverwaltung/-management in sog. High-Conviction-Alpha- Portfoliostrategien für Nischenmärkte und ETP, wobei letztere nahezu zehnmal höhere Nettomittelzuflüsse verzeichnen konnten. Klassische benchmarkorientierte Investmentprodukte, die nach Kosten keinen klaren Mehrertrag liefern, werden zwischen diesen beiden Polen zerrieben. In Europa ist diese Entwicklung noch nicht in derselben Vehemenz eingetreten. Da die angelsächsischen Märkte in der Vermögensanlage aber traditionell eine Vorreiterrolle einnehmen, ist damit zu rechnen, dass auch der europäische Markt vor einschneidenden Veränderungen steht. ÿ 2 Herausforderung für Banken und Sparkassen Der sich abzeichnende Megatrend zu Passiven Investments stellt Banken und Sparkassen im Wertpapiergeschäft und der Anlageberatung vor große Herausforderungen. Je nach Institutsgröße und Positionierung im Wertpapiergeschäft machen Ausgabeaufschläge und Bestandsprovisionen zwischen 60 Prozent und 75 Prozent der Gesamterträge im Wertpapiergeschäft aus. Passive Investmentstrategien beinhalten grundsätzlich keine Ausgabeaufschläge oder Bestandsprovisionen. Bei zunehmender Substitution klassischer aktiv gemanagter Investmentprodukte durch passive Strategien bzw. ETF stehen damit für die gesamte Finanzdienstleistungsbranche Provisionserträge in Milliardenhöhe „im Feuer“. Angesichts hoher Kosten für die digitale Transformation, einbrechender Zinserträge und der daraus resultierenden zunehmenden Bedeutung des Provisionsgeschäfts als stabile Ertragsquelle müssen Finanzinstitute auf diese Marktveränderung frühzeitig und angemessen reagieren. Strukturelle Veränderungen im Wertpapiergeschäft Die regulatorischen Anforderungen, z. B. durch MiFID II, setzen Banken und Sparkassen im Wertpapiergeschäft erheblich unter Druck. Das Geschäft wird zunehmend unrentabel. Untersuchungen zeigen, dass eine individuelle Anlageberatung erst ab Anlagebeträgen von ca. 30.000 € kostendeckend möglich ist. Erste kleinere und mittelgroße Banken und Sparkassen ziehen sich deshalb bereits aus dem Wertpapiergeschäft zurück. Die Geschäftsbanken konzentrieren sich auf höhervolumige Beratungsmandate. Kleinere und mittlere Privatkunden und damit ca. 75 Prozent des Markts sind angesichts niedriger Deckungsbeiträge inzwischen de facto von strukturierter Wertpapierberatung ausgeschlossen. Die Beratungsintensität sinkt auf insgesamt niedriges Niveau. Produktabschlüsse finden in vielen Fällen nur noch auf Kundenwunsch statt. Die vom Kunden wahrgenommene Beratungskompetenz der Banken und Sparkassen erodiert. Kunden entwickeln sich dadurch nolens volens zu Selbstentscheidern. Die zunehmende Bedeutung von Direktbanken und digitalen Beratungs- bzw. Vermögensanlageangeboten wie Robo Advisory ist damit nur zum Teil ein Markttrend, teilweise hausgemacht und durch die Filialbanken befördert. Die dargestellten Entwicklungen sind Ausfluss eines säkularen Trends im Wertpapiergeschäft. Marktanalysen und Kundenbefragungen zeigen, dass traditionelle Marktstrukturen zunehmend von verhaltensbasierten Strukturen abgelöst werden. Der Markt im Wertpapiergeschäft spaltet sich in ein Premiumsegment, determiniert durch kundenzentrierte, persönliche Beratung und ein Segment Economy als digitales, beratungsfreies Geschäft. Wertpapierkunden segmentieren sich unabhängig von ihrem verfügbaren Anlagevolumen nach ihren persönlichen Bedürfnissen, Kenntnissen und Präferenzen in ein Marktsegment. Während das Premiumsegment eine natürliche Domäne der Filialban- 04 // 2018 13

die bank