DIGITALISIERUNG PRIVATE BANKING UND WEALTH MANAGEMENT Zeit des Wandels Der Markt für Private Banking und Wealth Management wächst weltweit rasant. Allerdings verschieben sich die Wachstumsraten in Richtung Fernost. Während die Zahl der Vermögenden auf den Kontinenten unterschiedlich stark wächst, stagnieren die Erträge europäischer Private-Banking-Anbieter. Verantwortlich hierfür ist der starke Trend zur Digitalisierung. Der Private Banking-Markt setzt auf den ersten Blick seine positive Entwicklung weiter fort. Er ist aufgrund seines Wachstums und Attraktivität hart umkämpft. Allerdings kämpft die Branche mit den Folgen der Regulierung und mit Sparprogrammen, die für das Private Banking gleichfalls schmerzliche Standortschließungen beinhalten. Eine Vielzahl bewährter, aber auch neuer Marktteilnehmer versucht, mit teils stark abweichenden und sich verändernden Geschäftsmodellen dem zunehmendem Marktdruck gerecht zu werden, um so seine Position zu verteidigen bzw. neue Kunden gewinnen zu können. So erfährt das Private Banking derzeit einen nie da gewesenen Umbruch. Die Veränderungen werden stark getrieben durch: neue Technologien und den Fortschritt in der Digitalisierung, Veränderungen der Kundenpräferenzen begleitet von einem Generationenwechsel, das anhaltende Niedrigzinsumfeld und eine immer strengere nationale und internationale Regulierung. Bei Durchsicht der wichtigsten Schlüsselgrößen für die anstehenden tiefgreifenden Veränderungen fällt ins Auge, dass sie überwiegend einen technischen Bezug haben. So überrascht es nicht, dass gerade im Private-Banking-Segment die Kunden große Sorgen im Hinblick auf Daten- und Cybersicherheitsfragen reklamieren. Der agile und primär kundenorientierte Markteintritt von FinTechs bewirkt bei den Anlegern die Aufgabe passiven Verhaltens. Sie setzen entsprechend auf jederzeit verfügbare digitale Angebote. Kunden wollen die Steuerung ihres Vermögensaufbaus und die Abstimmung mit ihrer Lebensplanung nach Möglichkeit gemeinsam mit ihrem Kundenberater abstimmen, oder dies sogar komplett autonom in die Hand nehmen. Neue Technologien und die Rolle von FinTechs Für Konsumenten ist es nahezu Alltag geworden, die Vorteile moderner Technologien und der Digitalisierung zu nutzen. Dies wirkt sich unmittelbar auf die Geschäftsfelder des Private Bankings aus. So informieren sich fast drei Viertel der Bundesbürger im Internet vor einem persönlichen Beratungsgespräch. Die Nutzung von Vergleichsportalen und Finanz-Apps weisen steigende Downloads und Nutzerzahlen auf. In naher Zukunft wird jeder zweite Verbraucher in entwickelten Märkten zum mobilen Bezahlen ausschließlich Smartphones verwenden, und bereits jetzt bekennt jeder zweite Bankkunde weltweit, dass er die Angebote von FinTechs nutzt. Richtungsweisend ist das veränderte Kundenverhalten gerade der technikaffinen und vermögenden Kunden in aufstrebenden Märkten. So nutzen in China und Indien bereits über drei Viertel der Kunden Dienstleistungen von Fin- Tech-Start-ups. Nach Segmenten aufgeteilt erzielen FinTechs weltweit die größte Steigerung bei der Vermögensverwaltung mit 17,4 Prozent (Europa 16,5 Prozent) Zuwachs, während weitere 27,4 Prozent (Europa 19,5 Prozent) zu ihren bisherigen Betreuern die Angebotspalette von FinTechs parallel nutzen. Da FinTechs überwiegend Nischen-Angebote mit hohem Digitalisierungsgrad abdecken, nimmt bereits nahezu jeder zweite Kunde Dienstleistungen von mehr als drei FinTech- Anbietern in Anspruch. Dieser „Stock-Picking- Trend“, indem Kunden eigenständig mehrere für sie als lukrativ erscheinende FinTech-Bausteine zusammensetzen, bricht den klassischen ganzheitlichen Ansatz einer Vermögensberatung auf. Bei einer hohen Aufspaltung in einzelne Segmente ergeben sich Koordinations- und Abstimmungsprobleme mit der Gefahr, dass konkurrierende Unterziele das Erreichen des Hauptziels gefährden. Auch Multiplikatoreffekte, beispielsweise in der Risikogewichtung 1 , können nicht ausreichend und einheitlich berücksichtigt werden. Neue Chancen und Möglichkeiten Die aktuelle Entwicklung öffnet aber auch Chancen für das Private Banking in etablierten Bankhäusern, da bei den Kunden erhebliche Vertrauensdefizite gegenüber FinTechs bestehen. Mehrere Marktuntersuchungen kommen – wenngleich mit unterschiedlicher Gewichtung – übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass zwar im Hinblick auf Technologie, Kundennähe und Applikationsvielfalt FinTechs echte Alternativen darstellen, aber auch internetaffine Kunden dennoch nur geringes Vertrauen in die neuen Wettbewerber haben. Über 70 Prozent der Kunden wünschen sich, trotz digitaler Möglichkeiten, einen persönlichen Ansprechpartner bei ihrer Bank kontaktieren zu können. Kunden legen Wert auf Beratung in ihrer Nähe und einige Beobacher melden, dass der Trend zur Beratung in der Bank insgesamt steigt. Dies überrascht insofern, als der Bankenwelt einerseits ein hoher Vertrauensverlust bescheinigt wird. Andererseits scheinen die Kunden die Vorzüge eines hohen Schutzes durch das Sicherheitsnetz aus Regulierung und Aufsicht hoch zu schätzen, das sie vor Betrug und Missbrauch persönlicher und finanzieller Daten bewahrt. Weiter werden im Rahmen der Leistungserstellung auch die gesetzlich verankerten Verbraucherschutznormen, die Mindeststandards in der Kundenberatung 76 04 // 2017
DIGITALISIERUNG wie Service-Qualität und Transparenz beinhalten, positiv wahrgenommen. Auch die Vertraulichkeit durch die persönliche Kundenanbindung wird geschätzt. FinTechs wiederum unterschätzen häufig die Bedeutung der Regulatorik, aber auch die Empfindlichkeit der Verbraucher. Um bestehende Vertrauensdefizite gegenüber FinTechs zu nutzen, ist für den Kundenberater Voraussetzung, dass er in der Lage ist, organisatorisch und inhaltlich die Dienstleistungen fremder FinTechs gleichermaßen in eigener Regie oder partnerschaftlich mit FinTechs in einem ganzheitlichen Beratungsansatz anbieten zu können. Dies hat die Bankenwelt erkannt und favorisiert deshalb verschiedene Formen einer Zusammenarbeit mit FinTechs. Aber auch die unabhängige Entwicklung eigener Tools wird als Strategie verfolgt. In der Digitalisierung der Bankprozesse spielen demgegenüber Investments und der Kauf von FinTechs neben Partnerschaften mit Hochschulen und die Schaffung sogenannter Accelerators eher eine untergeordnete Rolle. Derzeit offen bleibt allerdings, inwieweit es bei Kooperationen mit Fin- Techs tatsächlich eine Beurteilung der Win- Win-Situationen der Beteiligten gibt. Die Risikoscheu, die bei vielen traditionell geprägten Bankinstituten immer noch vorherrscht, erweist sich nach wie vor als schwer überwindbare Hemmschwelle. Sie ist Haupthindernis, wenn es darum geht, die erforderlichen grundlegenden Veränderungen in den Unternehmenskulturen und Geschäftsmodellen zügig vorantreiben zu können. Veränderte Kundenpräferenzen Das Private Banking hat auf die Kundenveränderungen bereits auf unterschiedliche Weise reagiert. Es wird versucht, den durch die Digitalisierung angetriebenen Veränderungen im Kundenverhalten mit einem allumfassenden Multikanalangebot zu begegnen. Angesichts der Kostenschere, den eingeleiteten Sparprogrammen im Bankensektor, verbunden mit Filial- und Personalreduzierungen, scheint dieser Weg aber nicht für alle Institute ein erfolgreich begehbarer Weg zu sein. Dass Banken dennoch den richtigen Weg eingeschlagen haben, die Bedürfnisse der Kunden mittels digitaler Hilfe abzufangen, zeigt sich am Erfolg und einer hohen Zufriedenheit in der Nutzung von Banken-Apps. So sind mehr als drei Viertel der Bankkunden im Alter von 18 bis 69 Jahren sehr zufrieden mit dem benötigten Umfang der Funktionen und dem einfachen und übersichtlichen Bedienungskomfort. Eine erfolgreiche Integrierung von Banken-Apps kann aber nur ein erster Schritt auf dem Weg einer Festigung der Kundenbeziehung sein. Sie sind durchaus dazu in der Lage, Wettbewerbspositionen zu festigen und einen wichtigen Beitrag zur Abwehr noch kleiner FinTechs und anderen neuen Marktteilnehmern zu leisten. Sie werden aber mit Sicherheit nicht ausreichen, um gegen kommende Angriffe großer Technologie-, E-Commerce- und Telekommunikationskonzerne bestehen zu können. Nach dem bereits erfolgreichen Einstieg in den Payment-Bereich droht nun Gefahr, dass sie das Geschäftsfeld Vermögensbildung entdecken und in diesem Segment europaweite Marktauftritte starten. Den „Noch- Non-Bank-Giganten“, die auf gewaltige Infrastrukturen und starke Kundenanbindungen zurückgreifen können, kann nur mittels hoher Fachkompetenz, neuem Vertrauensaufbau und weiter deutlichen Steigerungsraten in der Nutzerfrequenz der angebotenen digitalen Produkte erfolgreich begegnet werden. Es ist offensichtlich, dass dies ein Umdenken erfordert und zu einer umfassenden Arbeitsteilung mit Kooperationen führt, die über bestehende klassische Bankengrenzen künftig zur Pflicht werden. So werden beispielsweise die Banken 04 // 2017 77
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