ó BANKING Ein Ausweg aus diesem Dilemma bietet ein hinreichend differenziertes Produktportfolio. Bereits heute haben zahlreiche Regionalbanken in die Weiterentwicklung ihres Produktportfolios investiert und punkten mit echten Mehrwerten wie einem Dispozinsvorteil oder günstigeren, in das Konto integrierten Kreditkarten. Die Kundenbindungsquoten geben diesen Anbietern Recht. Und auf regulatorische Niedrigpreisvorgaben könnte über die Anpassung von gut abgegrenzten Produkten im Portfolio schnell reagiert werden. Überhaupt hat seit dem Wegfall des Rabattgesetzes und der Zugabeverordnung 2001 die Bedeutung von Rabattsystemen und daran anknüpfenden Loyalitätsprogrammen im Bereich von Finanzdienstleistern stetig zugenommen: Regionale Anbieter, wie die Hamburger Sparkasse oder die Volksbank Bonn Rhein- Sieg, haben Punktesysteme oder Kundenkarten eingeführt, mit denen Prämien oder Vorteile bei Anbietern vor Ort locken, und die Deutsche Bank kooperiert mit der Lufthansa, die mehr als neun Mio. Miles & More-Karten in Umlauf hat. Das sind wirksame Beispiele von Preisverteidigung – bezogen auf Loyalitätsprogramme. Was können Banken in Hinblick auf ihr Kernportfolio tun? Erst die Diagnose, dann das Rezept Um sich erfolgreich gegen Niedrigpreis- Anbieter zu behaupten, Preissteigerungen am Markt durchzusetzen und auch Neuprodukte erfolgreich zu bepreisen, brauchen Banken dringend eine höhere Professionalisierung ihrer Produkt- und Preispolitik. Preiserhöhungen oder Preissetzungen für Neuprodukte à la „Pi mal Daumen“ sind im heutigen Umfeld weder erfolgreich noch nachhaltig. Ist der Versuch einer Preiserhöhung einmal unrund verlaufen, kann das die Bank in eine besonders schwierige Situation bringen. Nach außen hin sind Kunden verärgert und nach innen hin weitere Anläufe nur erschwert möglich. Besser ist es, das bestehende Portfolio gleich im ersten Schritt professionell neu zu strukturieren und so die Kundensicht auf den Wert des Angebots zu schärfen. Besondere Vorsicht ist bei Neuprodukteinführungen geboten. Wie in anderen Industrien gibt es keine zweite Chance, den ersten Preis zu setzen. Demnach sollte die Frage nach dem Preis bereits im Innovationsprozess berücksichtigt werden. Dazu ist es erforderlich, zunächst den Wert des Produkts für den Kunden zu verstehen und seine Zahlungsbereitschaft zu ermitteln – und das natürlich bevor das Produkt auf den Markt kommt. Erfolgreiches Produkt- und Preismanagement ist ein Entwicklungsprozess mit dem Ziel, aus scheinbar austauschbaren Produkten auf die individuellen Bedürfnisse des Kunden maßgeschneiderte Güter zu machen. Mit intelligenter Angebots- und Preisdifferenzierung können sich Banken den Spielraum für Preisgestaltung (zurück-)erobern. Die Ergebnisse sprechen für sich. Erfahrungsgemäß sind Ertragssteigerungen von bis zu 30 Prozent möglich. Um solche Resultate zu erzielen, sind drei Phasen zu durchlaufen. 4 Transparenz Wollen Banken ihre Preissetzung und -durchsetzung verbessern, sollten sie zunächst Gewissheit über ihren Standpunkt erlangen. Dies bezieht sich sowohl auf ihre Stellung im Markt als auch auf die interne Faktenlage. Zunächst sollte geklärt werden, welche Positionierung im Markt besteht bzw. angestrebt wird. Höhere Preise werden dann akzeptiert, wenn die Qualität für den Kunden spürbar ist. Neue Preisstrategien scheitern nicht selten, weil ein Wildwuchs aus alten Produkten im System eine Preisanpassung erschwert oder zahlreiche Sonderkonditionen fest eingestellt sind. 2 Zum Teil hausgemachte Ursachen Sehen Sie sich einem erhöhten Preisdruck ausgesetzt? Nein 27 % 73 % Ja Kunden sind besser über Preise informiert Angebotene Produkte sind austauschbar Niedrigpreis-Wettbewerb regulatorischer Druck (Preise von Politik beeinflusst) starke Preisverhandlungsposition von Kunden Erreichen von Marktanteil- und Volumenvorgaben Kunden sind sachkundiger Preissenkungen sind ein industrieller Trend Kostensenkungen müssen an Kunden weitergegeben werden Wettstreit um niedrige Preise Andere 52 % 43 % 33 % 31 % 27 % 20 % 19 % 12 % 7 % 7 % 6 % Banken Studiendurchschnitt 32 diebank 4.2015
BANKING ó 3 Preisdurchsetzung bei Girokonten Italien Spanien Frankreich Österreich Großbritannien Deutschland 89 Polen 73 Schweden 62 Niederlande 46 103 140 154 178 253 Fazit Banken haben im Vergleich zu anderen Branchen enormen Nachholbedarf im Produkt- und Preismanagement. Zunehmende Preistransparenz und regulatorischer Druck lassen die Mehrzahl der Preiserhöhungen scheitern. Die gute Nachricht: Durch eine professionelle Überarbeitung des Produkt- und Preisportfolios lassen sich vor allem im Provisionsgeschäft deutliche Ertragssteigerungen erzielen, wenn man diszipliniert und faktenbasiert vorgeht sowie intensiv und früh den Vertrieb mit in die Umsetzung einbindet. Doch die Aufgabe wird nicht leichter, die Zeit drängt. ó USA 69 Ø EU27: 112 Durchschnittliche Kosten eines privaten Girokontos pro Jahr in € Quelle: EU-Kommission, Studie von 2009; aus: Börsen -Zeitung Nr. 20 vom 30. Januar 2013, S. 1; Studie von Javelin Strategy & Research (2012). Auch in: in Bauer, C.; Wübker, G. (2015): „Power Pricing für Banken – Wege aus der Ertragskrise“, Campus. Autoren: Jens Baumgarten ist Partner im Kompetenzzentrum Banken bei Simon-Kucher & Partners mit Sitz in Frankfurt und New York. Dr. Georg Wübker ist globaler Leiter des Kompetenzzentrums Banken und sitzt in Bonn. Dr. Benjamin Wellstein ist Manager im Bonner Büro von Simon-Kucher & Partners. Wichtig ist daher zunächst umfangreiche Transparenz herzustellen. Konzeption Nachdem der Preisspielraum nach außen und die Baustellen nach innen abgesteckt sind, können die Konzeption der neuen Produkte und die Bewertung von Preisänderungen erfolgen. Dies darf auf keinen Fall am eigenen Vertrieb vorbei geschehen. Der Vertrieb kann meistens sehr gut vorwegnehmen, wie Kunden auf Preisanpassungen reagieren könnten. Grundsätzlich sollten die angestrebten Änderungen immer mit verschiedenen Methoden und aus verschiedenen Perspektiven durchgespielt werden, um blinde Flecken zu verringern. Besondere Bedeutung gewinnt nach unserer Erfahrung immer mehr die kanalbezogene Preisdifferenzierung. Kunden akzeptieren es in der Regel sehr gut, wenn sie für Leistungen, die echten Service bedeuten, mehr bezahlen sollen, eher jedenfalls als bei einer Selbstbedienung. Besonders effektiv ist Preisgestaltung, wenn sie sich neuere Erkenntnisse der Preispsychologie zunutze macht. Preiswahrnehmung ist häufig alles andere als rational. So ist es entscheidend, welchen Preis die Kunden im Kopf haben, wenn sie Angebote beurteilen. Setzt eine Bank mit einem Premiumprodukt einen hohen sog. Preisanker, wirken Basisprodukte viel günstiger. Preissensible Kunden empfinden Preiserhöhungen dann als fair, wenn sie die Chance haben, diesen über angebotene „Notausgänge“ (auch über Verhaltensänderungen) zu entkommen. Umsetzung Ein besonderes Effektivitätsprinzip ist es, schon am Anfang ans Ende, also die Umsetzungsphase, zu denken. Wird der Vertrieb frühzeitig in den Veränderungsprozess eingebunden, geht die Umsetzung wesentlich leichter von der Hand. Das neue Preismodell kann dann starten, wenn die inneren Voraussetzungen Schritt für Schritt geschaffen worden sind. Dazu zählen in erster Line auch Vertriebswerkzeuge für die Wertkommunikation bei Kunden. 1 Global Pricing Study 2014: Etwa 1.600 Teilnehmer aus mehr als 40 Ländern, darunter 39 Prozent Führungskräfte aus Unternehmen aller Branchen, haben sich im Mai/Juni 2014 an der Online-Studie von Simon-Kucher & Partners beteiligt. Durchgeführt wird die Studie alle zwei Jahre in Zusammenarbeit mit der Professional Pricing Society (PPS). 2 Vgl. Bauer, C.; Wübker, G. (2015): Power Pricing für Banken – Wege aus der Ertragskrise, Campus. 3 Vgl. Wübker, G.; Bauer, C.: Die fünf wichtigsten Effekte der Preispsychologie, in: die bank, 03.2013. 4 Detailliert beschrieben in Wübker, G., Janzen, M.; Bauer, C.: Gewinnimpulse durch ausgefeiltes Pricing, in: die bank, 10.2009. Simon-Kucher & Partners führt die weltweite Studie seit 2011 in Zusammenarbeit mit der Professional Pricing Society (PPS), dem weltweit führenden Verband der Pricing-Experten aller Industrien aus über 50 Ländern, durch. Bisher wurde die Studie dreimal durchgeführt (2011, 2012 und 2014), mit insgesamt mehr als achttausend Top-Managern, von denen ca. 15 - 20 Prozent aus der Banken-/Finanzdienstleistungsbranche kommen. Simon, Kucher & Partners setzt seit mehr als 30 Jahren weltweit innovative Preismodelle um. 4.2015 diebank 33
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