REGULIERUNG DIE AUFGABEN DES SINGLE OFFICERS (TEIL 2) DEN SCHUTZ DER KUNDENGELDER IM BLICK Nachdem unser Autor in der letzten Ausgabe einen allgemeinen Überblick über die Organisation, die Methoden, die Aufgaben und die persönlichen Risiken der Single-Officer-Funktion gegeben hat, skizziert er in diesem Beitrag die aufsichtsrechtlichen Strukturen zum Schutz der Gelder von Kunden. Welche grundlegenden Pflichten sind zu beachten, was sind Kundengelder überhaupt, und wie sind sie von Einlagen abzugrenzen, welche regulatorischen Grundlagen und Ziele bestehen? Die Antworten werden nach den Europäischen Verordnungen und Richtlinien und ihrer Umsetzung in das deutsche Recht zusammengefasst. 38 03 // 2021
REGULIERUNG Der Schutz der Finanzinstrumente und Gelder von Kunden (Client Assets) bekam mit der Abwicklung der komplexen globalen Insolvenzen von Lehman Brothers und MF Global eine neue Dynamik. Die IOSCO (International Organisation of Securities Commissions), der auch die BaFin angehört, nahm diese Zusammenbrüche zum Anlass, am 29. Januar 2014 ihren „Final Report: Recommendations Regarding the Protection of Cient Assets FR01/14” vorzulegen. Im Glossar dieses Reports definiert sie erstmals den hier relevanten Begriff: „client assets – assets (or an analogous term) in respect of which the intermediary has an obligation (either contractual or regulatory) to safeguard for its securities or derivatives clients, including, to the extent appropriate, client positions, client securities and money (including margin money) held by an intermediary for or on behalf of a client.“ [Herv. d. Verf.] Diese Dualität des Schutzes von Finanzinstrumenten und Geldern von Kunden im Wertpapiergeschäft setzt sich in ihrer nachfolgenden Rezeption in den Rechtsakten zu MiFID II fort. Selbst die BaFin nimmt noch heute in Abschnitt 1.1 der MaDepot 07/2019 (WA) auf diese IOSCO Empfehlungen sachlich Bezug. Die Basis für die Integration dieser IOSCO-Empfehlungen in die Delegierten Rechtsakte zu MiFID II bildet Art. 16 Abs. 9 der Richtlinie 2014/65/EU: „9. An investment firm shall, when holding funds belonging to clients, make adequate arrangements to safeguard the rights of clients and, except in the case of credit institutions, prevent the use of client funds for its own account.” Die weitere Umsetzung dieser Vorgabe oblag der Kommission der EU, die wiederum die ESMA mit der Entwicklung von Textentwürfen beauftragte. Der „Technical Advice“ der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde an die Kommission 1 wurde grundlegend für die finale Fassung der Delegierten Richtlinie (EU) 2017/593 vom 7. April 2016. Abschnitt 2.8 dieses Rats ist noch heute wesentlich für das Verständnis der Delegierten Richtlinie und ihrer Transformation in das deutsche Aufsichtsrecht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur richtlinienkonformen Auslegung und Anwendung nationalen Rechts darf das umzusetzende europäische Recht nicht nach dem singulären Verständnis und der Tradition des jeweiligen nationalen Rechts transformiert werden. Seine Umsetzung in nationales Recht muss originär nach den Definitionen, den Inhalten, den Erwägungsgründen und den Zielen, insbesondere dem der Rechtsharmonisierung, des europäischen Normgebers erfolgen. Andere Ansätze und Interessen sind einem angestrebten Level Playing Field diametral. Einlagen versus Kundengelder Die ESMA führt in ihren Vorschlägen an die Kommission die Dualität des Schutzes der Client Assets fort. Sie umfasst auch Client Funds, die auch Client Money oder Kundengelder genannt werden. Ihre Vorschläge wurden 2 von der Kommission im Wesentlichen übernommen. Die dem zugrunde liegende Erkenntnis ist: Im Wertpapiergeschäft wechselt das dafür vom Kunden zweckbestimmte Vermögen laufend die Form: Cash wird durch seine Anlageentscheidung in Finanzinstrumente transformiert, die selbst wieder Cash für ihn generieren können, und die von ihm im Zeitablauf zu neuen Anlagezwecken wieder in Cash re-transformiert werden. Nur eine dieser materiellen Formen (Finanzinstrumente) zu schützen, insbesondere gegen Insolvenzgefahren, und die andere zweckentfremdet in das Vermögen der Institute übergehen und potenziell in seinen Insolvenzmassen diffundieren zu lassen, wäre eine rechtswidrige entschädigungslose Enteignung des Kunden, die auch in der Form eines deutschen Gesetzes ohne gleichzeitige angemessene Entschädigung rechtswidrig wäre und dem Eigentumsschutz nach Art. 14 des Grundgesetzes widerspräche – unabhängig davon, dass der Kunde für eine solche Enteignung absolut kein Verständnis hätte. Das Konzept der IOSCO und der ESMA ist daher folgerichtig, sinnvoll und verfassungsrechtlich geboten: Im Wertpapiergeschäft sind die Rechte des Kunden an seinen dafür zweckbestimmten und daraus ihm zufließenden Geldern in gleicher Weise zu schützen, wie seine mit seinem Geld erworbenen Finanzinstrumente. Der in diesem Kontext entscheidende Aspekt ist die Zweckbestimmung: Kundengelder sind strikt abzugrenzen von nur durch die sehr begrenzten Einlagensicherungen gedeckten Einlagen nach Annex 1 Nr. 1 der Richtlinie 2013/36/EU und § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 KWG. Einlagengeschäft ist „die Annahme fremder Gelder als Einlagen oder anderer unbedingt rückzahlbarer Gelder des Publikums, sofern der Rückzahlungsanspruch nicht in Inhaber- oder Orderschuldverschreibungen verbrieft wird, ohne Rücksicht darauf, ob Zinsen vergütet werden.“ Einlagen gehen in das Vermögen des Einlageninstituts über und gewähren dem Kunden nur einen vertraglichen Rückzahlungsanspruch, der in der Insolvenz des Einlageninstituts zur wirtschaftlich unsicheren Insolvenzquote mutiert (§§ 35 Abs. 1, 174, 181, 188, 196 InsO). Für Kundengelder dagegen gilt entsprechend § 84 Abs. 2 WpHG: Ein Institut „… hat Kundengelder, die es im Zusammenhang mit einer Wertpapierdienstleistung oder einer Wertpapiernebendienstleistung entgegennimmt, unverzüglich getrennt von den Geldern des Unternehmens und von anderen Kundengeldern auf Treuhandkonten bei [einem 03 // 2021 39
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