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die bank 03 // 2019

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MARKT SCHLECHTE

MARKT SCHLECHTE KONJUNKTUR Wo bleibt die Zinswende? Die Zinslandschaft gibt Rätsel auf. Schon seit 2014 leben wir mit der Kuriosität negativer Zinsen. Was theoretisch undenkbar schien, ist in der Praxis mittlerweile zur Gewohnheit geworden. Trotzdem ist es zum Jahresauftakt gute Sitte, dass die Prognostiker die bevorstehende Zinswende und damit die Rückkehr zur Normalität in Aussicht stellen. 8 03 // 2019

MARKT 1 | Rendite zehnjähriger Staatsanleihen in % 5 4 3 2 1 0 -1 5 4 3 2 1 0 -1 Deutschland USA Feb 09 Feb 11 Feb 13 Feb 15 Feb 17 Feb 19 in % Quelle: Bloomberg. Im März 2019 war der Blick auf die Zinsen einmal mehr ernüchternd. Nach einem zwischenzeitlichen Anstieg im Jahr 2018 gerieten die Zinsen erneut unter Druck. Zeitweilig waren Bundesanleihen mit Laufzeiten von bis zu neun Jahren negativ. Zehnjährige Bundesanleihen wurden mit mickrigen 0,1 Prozent verzinst, und die Europäische Zentralbank (EZB) hält weiter an ihrem negativen Einlagezins von derzeit -0,4 Prozent fest. Die Frage drängt sich auf: Bleiben die Zinsen dauerhaft niedrig? Der erneute Rückgang der Zinsen zum Jahresbeginn 2019 lässt sich erklären: Ein gefährlicher Risiko-Cocktail hat das Kapital wieder in sichere Anlagehäfen wie US-Staatsanleihen und deutsche Bundesanleihen getrieben – zu den Risiken gehören insbesondere der Handelskonflikt zwischen den USA und China, der Brexit sowie die italienische Politik. Dadurch steigen die Kurse der genannten Staatsanleihen, und im Gegenzug sinken die Zinsen. ÿ 1 Zudem haben sich die Konjunkturaussichten eingetrübt und die Inflationserwartungen sind gesunken. Beides drückt auf die Zinsen. Wenn sich die Risikosituation entspannt und die Konjunktur wieder Fuß fassen kann, wird der markante Zinsrückgang allerdings nur eine vorübergehende Episode sein. Unter diesen etwas positiveren Voraussetzungen dürften die Marktzinsen bis zum Jahresende moderat steigen. US-Staatsanleihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren würden dann wieder auf rund drei Prozent zulegen, also auf das Niveau, auf dem sich der Zins im Herbst 2018 vor dem neuerlichen Rückgang schon befunden hatte. Bei zehnjährigen Bundesanleihen ist Potenzial bis etwa 0,6 Prozent vorhanden, auch weil die EZB inzwischen ihr Anleiheankaufprogramm beendet hat. Zinsen sinken seit Jahrzehnten Nach einer solchen Erholung würde die Luft für weiter steigende Zinsen allerdings dünn. Aus strukturellen Gründen dürfte das Zinsniveau noch mehrere Jahre auf niedrigem Niveau verharren, selbst wenn die EZB und andere Notenbanken ihre Geldpolitik sukzessive weiter normalisieren. Ein Blick auf den langfristigen Trend verdeutlicht, dass die Zinsen unabhängig von der Geldpolitik schon seit Jahrzehnten sinken. Das zeigt, dass es neben der Geldpolitik wichtige andere Einflussfaktoren für das Zinsniveau geben muss, die den Abwärtstrend zu verantworten haben. Nun enthält der Nominalzins immer auch einen Ausgleich für die Geldentwertung. Man könnte deshalb vermuten, dass der Nominalzins über die Jahre gesunken ist, weil mangels Inflation kein Zinsaufschlag mehr für den Kaufkraftverlust zu leisten ist. Wenn das der Fall wäre, müsste dies durch einen im Trend stabilen Realzins – also Nominalzins abzüglich Inflation – sichtbar werden. Der reale Zins ist aber genau wie der nominale Zins über die letzten 25 Jahre im Trend gesunken. ÿ 2 Am Rückgang der Inflation allein liegt der abwärts gerichtete Zinstrend also nicht. Bei den strukturellen Gründen, die für die Erosion des Zinses verantwortlich sind, ist als erstes das hohe Kapitalangebot zu nennen, denn das Zinsniveau wird maßgeblich von der Höhe der Ersparnisse bestimmt. Wenn die Menschen für die Zukunft vorsorgen, also Rücklagen bilden und somit weniger konsumieren, sinkt bei konstanter Kapitalnachfrage der Zins. Wirtschaftsakteure agieren vorsichtig In den Jahren nach der Finanzkrise sind die Wirtschaftsakteure vorsichtiger geworden und haben ihren Konsum entsprechend zurückgefahren. Noch wichtiger sind die Rücklagen, die für die Altersvorsorge gebildet werden. Mit Blick auf die demografische Situation stehen die umlagefinanzierten staatlichen Rentensysteme in vielen Industrienationen vor erheblichen Herausforderungen. Wenn die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand gehen, verschlechtert sich das Verhältnis von Beitragszahlern und Leistungsempfängern rapide. Die sogenannten Baby-Boomer (Jahrgänge 1955 bis 1969) wissen deshalb seit Jahrzehnten, dass sie ihren Lebensstandard im Alter nur werden halten können, wenn sie zusätzlich zur gesetzlichen Rente privat vorsorgen. In Deutschland hat die Finanzwirtschaft ihre Kunden schon früh dafür sensibilisiert. Mit Instrumenten wie der Riester-Rente hat die Politik noch nachgeholfen. Der Druck, für das Alter vorzusorgen, hat in den letzten Jahren weiter zugenommen, weil mit der Erosion der Zinsen für den Sparer auch der Zins- und Zinseszinseffekt verschwunden ist. Um bei den eigenen Sparplänen auf die ursprünglich erwünschte Ablaufleistung zu kommen, muss die Sparleistung somit erhöht werden. Es wirken zwei Effekte gegeneinander: Einerseits entfällt der finanzielle Anreiz zu sparen, weil ohne Zins die Prämie für den Konsumverzicht fehlt. Andererseits steigt der Druck zu sparen, denn ohne Sparanstrengungen droht im Rentenalter eine Versorgungslücke. Der Effekt auf die deutsche Sparquote fällt dementsprechend recht überschaubar aus. In den vergangenen 25 Jahren schwankte sie die meiste Zeit zwischen neun und elf Pro- 03 // 2019 9

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