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die bank 03 // 2019

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BERUF & KARRIERE

BERUF & KARRIERE Definition des Begriffs Risikoträger Der Begriff des Risikoträgers wird in einem neuen § 1 Abs. 21 KWG ebenfalls legal definiert, und zwar im Sinne von Mitarbeitern, deren berufliche Tätigkeit sich wesentlich auf das Risikoprofil des Instituts auswirkt. Dies entspricht dem Wortlaut des § 2 Abs. 8 S. 1 InstitutsVergV und inhaltlich Art. 92 Abs. 2 CRD IV (Eigenkapitalrichtlinie). Zur näheren Konkretisierung des Begriffs sind gemäß einem neuen § 25a Abs. 5b KWG immer mindestens die Kriterien der technischen Regulierungsstandards der EU aus der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 604/2014 (geändert durch die Delegierte Verordnung (EU) 2016/861) heranzuziehen. Allerdings sind die technischen Regulierungsstandards nicht abschließend. Wenn die darin statuierten quantitativen und qualitativen Identifizierungskriterien nicht ausreichen, um sämtliche Risikoträger zu erfassen, sind die Institute nach der Auslegungshilfe zur Institutsvergütungsverordnung verpflichtet, zusätzliche – institutsspezifische – geeignete Kriterien für die Identifizierung von Risikoträgern aufzustellen und heranzuziehen. Entsprechendes dürfte auch für die Neuregelung gelten, was sich aus dem Zweck des neuen § 25a Abs. 5a KWG ergibt, die Trennung von Mitarbeitern zu erleichtern, deren Tätigkeit das Risikoprofil des Instituts beeinflussen kann. Gemäß dem neuen § 25a Abs. 5b S. 3 KWG hat das Institut den betroffenen Mitarbeitern ihre Einstufung als Risikoträger mitzuteilen. Bereits jetzt ist absehbar, dass die Frage, ob ein Mitarbeiter zu Recht als Risikoträger eingestuft wurde, sich vor den Arbeitsgerichten zum Streitpunkt entwickeln kann. Ob ein Mitarbeiter tatsächlich Risikoträger ist, gehört nämlich zu den Tatbestandsvoraussetzungen des neuen § 25a Abs. 5a KWG und ist deshalb durch die Arbeitsgerichte voll überprüfbar. übersteigen. Dies sind, wie bereits erwähnt, derzeit € 241.200 West bzw. € 221.400 Ost. Was jedoch genau unter dem Begriff der „fixen Vergütung“ zu verstehen ist, sagt der Gesetzesentwurf nicht. Es liegt nahe, hierfür die Abgrenzungsregeln aus § 2 Abs. 6 Instituts- VergV heranzuziehen. Gesichert ist dies aber nicht. Eine Klarstellung im Gesetzgebungsverfahren wäre insoweit wünschenswert gewesen. Unwirksamkeit aus anderen Gründen Hinzuweisen ist auf eine potenzielle Fußangel der Neuregelung: Der Auflösungsantrag des Arbeitgebers ersetzt nur das Fehlen ausreichender Kündigungsgründe. Ist eine Kündigung aus anderen Gründen unwirksam, etwa wegen Fehlern bei der Betriebsratsanhörung 3 oder weil die Kündigung unter Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften (z. B. Diskriminierungsverbot) ausgesprochen wurde, muss das Arbeitsgericht den Auflösungsantrag abweisen. 4 In diesem Fall besteht das Arbeitsverhältnis fort, und das Institut muss den Risikoträger weiter beschäftigen. Personeller Anwendungsbereich Die Neuregelung gilt nach dem Regierungsentwurf für alle Risikoträger, also auch für Be- Mindestvergütung Die fixe jährliche Vergütung des Risikoträgers muss das Dreifache der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung 66 03 // 2019

BERUF & KARRIERE standsarbeitnehmer. Bislang voll kündigungsgeschützte Risikoträger verlieren damit ihren Kündigungsschutz, wenn ihre Fixvergütung über dem vorgenannten Schwellenwert liegt. Das trifft auch zu, wenn die Vergütung eines Risikoträgers über den Schwellenwert ansteigt oder ein Mitarbeiter, dessen Vergütung bereits über dem Schwellenwert liegt, erstmalig als Risikoträger eingestuft wird. Auf der Mitarbeiterseite wird dies künftig zu einer Präferenz für die Erhöhung der variablen Vergütung und zu einer gewissen Zurückhaltung bei der Übernahme von Tätigkeiten führen, die zur Einstufung als Risikoträger führen. Institute, die der Zurückhaltung eines Mitarbeiters bei der Übernahme entsprechender Positionen entgegenwirken wollen, können allerdings die volle Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes mit den betroffenen Mitarbeitern im Arbeitsvertrag vereinbaren. Dies ist zulässig. In umgekehrter Blickrichtung gilt, dass Mitarbeiter, die unter die Regelung des neuen § 25a Abs. 5a KWG fallen, vollen Kündigungsschutz (wieder-)erlangen, wenn sie nicht mehr als Risikoträger eingestuft sind oder ihre fixe Vergütung (z. B. durch die Umschichtung von fixen in variable Vergütungsbestandteile) unter den maßgeblichen Schwellenwert sinkt. Zeitlicher Anwendungsbereich Der neue § 25a Abs. 5a KWG soll nach dem Regierungsentwurf erstmals auf Kündigungen Anwendung finden, die nach Ablauf von acht Monaten nach dem Inkrafttreten des Brexit- Steuerbegleitgesetzes am 29. März 2019 zugehen. Das sind nach den Fristenregelungen des BGB (§§ 187 Abs. 2 S. 1, 188 Abs. 2, 2. Halbsatz BGB) Kündigungen, die ab dem 29. November 2019 zugehen. Im Ergebnis gilt also nach dem Brexit noch eine kurze Übergangsfrist, innerhalb derer die derzeitige Rechtslage fortbesteht. Institute werden möglicherweise überlegen, ob sie mit dem Ausspruch einer bereits in Betracht gezogenen Kündigung warten, bis die Übergangsfrist abgelaufen ist. Einordnung der Abfindung Mit den kündigungsschutzrechtlichen Erleichterungen des neuen § 25a Abs. 5a KWG einher geht eine vergütungsregulatorische Erleichterung der Trennung von hochvergüteten Risikoträgern. Das Arbeitsgericht setzt nämlich die Abfindung durch Urteil fest. Sie gilt deshalb nach § 5 Abs. 6 S. 5 Nr. 1c InstitutsVergV als privilegierte variable Vergütung, die für die Berechnung des Verhältnisses der variablen zur fixen Vergütung gemäß der Obergrenzenregelung in § 25a Abs. 5 S. 2-5 KWG nicht berücksichtigt werden muss und auch nicht der Zurückbehaltung und Auszahlung in Instrumenten unterliegt. Sie ist noch nicht einmal in die Affordability-Prüfung nach § 7 InstitutsVergV einzubeziehen. Gesetzgebungsverfahren Der Bundestag hat am 21. Februar 2019 für den Gesetzentwurf gestimmt (in der Fassung des Finanzausschusses mit den hier behandelten Neuregelungen). Das Brexit-Steuerbegleitgesetz ist ein sogenanntes Zustimmungsgesetz, das der Zustimmung des Bundesrats bedarf; dort stand die Abstimmung aber erst nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe an. Verfassungskonformität Vereinzelt sind bereits Bedenken gegen die Verfassungskonformität der Neuregelung vorgebracht worden, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) mit hochvergüteten Mitarbeitern in anderen Branchen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat inzwischen eine Stellungnahme veröffentlicht, wonach er den Regierungsentwurf aus verfassungsrechtlichen Bedenken ablehnt. Diese Bedenken sind jedoch unbegründet. Der Gesetzgeber hat im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG einen weiten Beurteilungsspielraum in Bezug auf die tatsächlichen Grundlagen seiner Regelung und damit bei der Auswahl der (un-)gleich zu behandelnden Sachverhalte; die Förderung des Finanzstandorts Deutschland im Zuge des Brexit stellt ein legitimes gesetzgeberisches Anliegen dar, das mit einer ungleichen Behandlung von Risikoträgern bedeutender Finanzinstitute verfolgt werden soll. Die Neuregelung liegt darüber hinaus im Interesse eines stabilen Finanzsystems, weil sie es bedeutenden Instituten erleichtert, sich von Mitarbeitern, die wesentlichen Einfluss auf ihr Risikoprofil und damit zumindest potenziell auf das Finanzsystem insgesamt haben, zu trennen. Auch dies stellt einen sachlichen Grund zur Differenzierung dar. FAZIT Die geplante Neuregelung bringt bedeutenden Instituten eine wichtige kündigungsschutzrechtliche Erleichterung. Für die betroffenen Arbeitnehmer bedeutet sie allerdings einen Paradigmenwechsel weg von einem kündigungsschutzrechtlichen Bestandsschutzsystem hin zu einem Abfindungssystem. Immerhin müssen aber hohe Abfindungen, die über einen Auflösungsantrag zugesprochen werden, nicht zurückbehalten und in Instrumenten ausgezahlt werden. Autoren Dr. Thomas Müller-Bonanni, LL.M., ist Partner der Anwaltssozietät Freshfields Bruckhaus Deringer. Er berät nationale und internationale Mandanten in allen Fragen des Arbeitsrechts mit einem besonderen Schwerpunkt auf dem Finanzsektor. Dr. Alice Jenner, LL.M., ist Counsel der Anwaltssozietät Freshfields Bruckhaus Deringer. Sie berät in der gesamten Bandbreite des Arbeitsrechts mit einem Beratungsschwerpunkt auf der Gestaltung von Vergütungssystemen. 1 Zu den Ausnahmetatbeständen vgl. z. B. Freihube/Christoffer, DB 2018, 827 (829 f.). 2 ErfK/Kiel, 19. Auflage 2019, § 10 RN. 2. 3 Auch Risikoträger mit einer hohen Fixvergütung können in die Zuständigkeit des Betriebsrats fallen. 4 BAG, Urteil vom 28. 8. 2008 - 2 AZR 63/07, NZA 2009, 275; ErfK/Kiel, 19. Aufl. 2019, § 9 Rn. 10. 03 // 2019 67

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