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die bank 03 // 2017

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

BERUF & KARRIERE AT THE

BERUF & KARRIERE AT THE TOP [ ROLAND BOEKHOUT ] Der Zukunftsorientierte Im Gebäude der ING-DiBa gegenüber dem Frankfurter Messegelände herrscht eine ganz besondere Stimmung, eine Art von „Wohlfühl-Flair“, auch unter Kunden und Besuchern. Auf einem Plakat in der Empfangshalle ist stolz vom „besten Arbeitgeber der Welt“ zu lesen, und der offene Umgang der Mitarbeiter untereinander ist auffallend positiv. Das beginnt bei den Mitarbeitern am Empfang und reicht bis in die Management-Etagen hinauf. Der niederländische Vorstandsvorsitzende Roland Boekhout stellt beim lockeren Umgang miteinander keine Ausnahme dar – er pflegt zum Beispiel in der Konversation mit seinen Mitarbeitern das vertraute „Du“. Der Blick aus dem Fenster in der 16. Etage des Hochhauses fällt an diesem Tag auf graue Nebelwände. Von der trüben Stimmung lassen sich die ING-DiBa-Mitarbeiter aber nicht beeinflussen. Auch nicht Roland Boekhout. Der Vorstandsvorsitzende der ING-DiBa in Deutschland ist nicht nur Visionär, sondern auch überzeugter Europäer. Man merkt, dass der Holländer voll hinter den Werten seines Finanzinstituts steht. Er ist überzeugter „ING-Banker“, denn bei jeder Gelegenheit weist er im Gespräch nicht nur auf die inneren Werte der Bank, sondern auch auf das gute Klima hin, das diesen Finanzkonzern in den vergangenen Dekaden nach vorn gebracht hat. Diese Treue überrascht nicht, immerhin ist Boekhout seit 1991 für die „Oranje-Bank“ tätig. Der im Jahr 1963 in Südafrika geborene Finanz-Fachmann ist ein sehr angenehmer Gesprächspartner. Er hört aufmerksam zu und reagiert mit knappen Anworten. Auch bei kritischen Fragen und gegenläufigen Meinungen lässt er sich nicht von seiner Linie abbringen. Digitalisierung und FinTechs sind in seinen Augen nicht nur leere Worthülsen, sondern klar ausgeprägte Trends, denen die Zukunft gehört. Es sprudelt nur so aus Boekhout heraus, wenn er über die Zukunft des Bankings spricht. Einwände will er mit Hinweis auf das in den vergangenen Jahren sehr hohe Innovationstempo nicht gelten lassen: „Die technologischen Veränderungen schreiten mit dem Faktor Zwei voran.“ Auch Boekhout steht hinter den in manchen Ländern vorangetriebenen und z. B. in Deutschland viel diskutierten Plänen zur Abschaffung des Bargelds. „Das hat deutlich mehr Vorteile als es möglicherweise Nachteile hätte“, wird er konkret. Menschen könnten sich an alles gewöhnen, vor allem, wenn sie Vorteile davontrügen. Die Argumente der Kontrollgefahren durch den Staat und andere Instanzen lässt er nicht als „rotes Licht“ für diese Idee gelten: „Hier müssen Wege gefunden werden, Datenmissbrauch zu verhindern“, lautet seine Antwort, und er glaubt nicht, dass die Abschaffung des Bargelds die Freiheit der Menschen einschränken könnte. Seine Erfahrung beruht auf beruflichen Tätigkeiten und Reisen in viele Länder rund um den Globus, deren Zahl er nicht mehr zu nennen vermag. Der Niederländer hat während dieser Trips alle Bereiche des Bankings durchlaufen, und das in vielen Sprachen. An eine nachhaltige Zinswende glaubt Boekhout nicht. Bankkunden würden seiner Voraussicht nach gut daran tun, sich auf eine Fortsetzung der Niedrigszinsphase einzustellen. Die Lust am Sparen werde dies indes kaum ändern. „Die auf Sicherheit bedachten Deutschen sind Sparer und dürften das auch bleiben“, lautet seine Einschätzung. Welche Investmentform derzeit interessant sei, frage ich. Roland Boekhout wiegt den Kopf hin und her und antwortet dann: „Dies sollte eine gute Zeit z. B. für Immobilien-Investments sein.“ Als überzeugter Aktien-Fan erweist sich der Banker allerdings nicht gerade. Er verweist vielmehr auf das Risiko dieser Anlageform. Der Hinweis auf die wichtige volkswirtschafltiche Bedeutung der Aktie als Finanzierungsinstrument leugnet er zwar nicht, doch will er diesen Faktor für die Sparer und Kapitalanleger nicht unbedingt überbewertet wissen: „Aktien-Investments machen wohl erst ab 50.000 € Sinn.“ Mit mehr als acht Millionen Kunden ist die ING-DiBa die drittgrößte Privatkundenbank in Deutschland. Ihre Kerngeschäftsfelder sind Sparanlagen, Baufinanzierungen, Wertpapiergeschäft, Verbraucherkredite und Girokonten für Privatkunden. Um weitere Kunden 78 03 // 2017

BERUF & KARRIERE zu gewinnen – zuletzt waren es zwischen 500.000 und 600.000 pro Jahr – will die Bank weiter den Kundenwünschen folgen. „Wenn der Markt danach rufen sollte, würden wir sogar neue Filialen eröffnen“, sagt Boekhout. Auf die Frage nach der Zahl der künftig notwendigen Bankfilialen beweist sich Boekhout als Futurist: Die Frage sei doch vielmehr, ob in Zukunft überhaupt noch Bankfilialen notwendig seien. Das Tempo des Wandels werde dabei nicht unbedingt von den Banken bestimmt, sondern von den Kunden. „Viele Kunden tun sich derzeit bei der Umstellung in Richtung Digitalisierung noch schwer.“ Die Betonung auf dem Wort „noch“ zeigt indes, dass Boekhout nur das Tempo des Wandels, nicht jedoch diesen selbst infrage stellt. Der Kontakt zwischen Kunde und Bank, da ist sich Boekhout sicher, werde in Zukunft weniger im persönlichen Kontakt innerhalb von Bankfilialen als vielmehr in der Cloud stattfinden. Der persönliche Umgang am vertrauten Bankschalter und das Gespräch zwischen Kunden und Beratern ist laut Boekhout nicht für alle Ewigkeit festgeschrieben. Im Zeitalter von Cloud und Mobile Banking werde die Digitalisierung die Oberhand gewinnen. Dass sich ältere Bankkunden damit allerdings schwertun dürften, steht auch für den ING-Banker fest. Hier sei Anpassungsfähigkei gefragt – und zwar von beiden Seiten. Deutschland sieht er für sein Finanzinstitut als wichtigen Zielmarkt, hier wolle die Bank kräftig expandieren – „Auch ohne die Errichtung neuer Filialen“, schwenkt er wieder auf den „Weg der Moderne“ ein, mit einer Zukunft, die in der Digitalisierung, in FinTechs und im Mobile Banking liege. Auch sein Institut sei gezwungen, mehr Effizienz an den Tag zu legen. Das bedeute konkret, dass die Zahl der Mitarbeiter weniger stark steigen solle als die Zahl der Kunden. Boekhout ist ein Globetrotter. Die ersten drei Jahre seines Lebens hat er in Südafrika verbracht, danach ging die Familie zurück in die Niederlande. Persönlich ist der Sohn einer deutschen Mutter und eines niederländischen Vaters mittlerweile gut am Main angekommen, wenngleich er für die Anfangsphase in Frankfurt Eingewöhnungsschwierigkeiten gesteht. Heute lässt er nichts mehr auf seine Wahlheimat kommen. Hier finde er alles, was er von einer Stadt mit Weltniveau erwarte, Oper, Schauspiel, modernen Tanz, Kultur und Ausstellungen. Während andere Top-Banker ihre Liebe zum heimatlichen Fußballklub gern offen zu Markte tragen, ist Boekhout in diesem Punkt zurückhaltend. Zwar treibe er in seiner Freizeit gern Sport und bewege sich an der frischen Luft, aber der Fußball stehe nicht weit vorne. „Früher, während meiner Zeit bei Unilever, war ich mal ein Fan von Feyenord Rotterdam, doch dann trieb mich der Beruf in die große weite Welt hinaus.“ Autor: Jonas Dowen Roland Boekhout Roland Boekhout wurde 1963 in Südafrika geboren, drei Jahre später zog seine Familie in die Niederlande. In Rotterdam studierte er Betriebswirtschaft an der Erasmus-Universität und absolvierte im Anschluss daran das General Management-Programm CEDEP an der INSEAD in Fontainebleau, Frankreich. Seine berufliche Karriere startete Boekhout 1988 bei Unilever. Seit 1991 ist er der ING-Group treu, zunächst als Senior Credit Analyst in den Niederlanden, danach als Vizepräsident Account Management in New York. Über diverse Stationen in Polen und Mexiko brachte er es 2008 zum CEO für elf Länder Mittel- und Osteuropas und ist seit 2010 Vorstandsvorsitzender der ING-DiBa. Er ist Vorstandsmitglied im Bundesverband deutscher Banken e. V., bei der Deutsch-Niederländischen Handelskammer sowie bei der American Chamber of Commerce in Germany. Zudem engagiert sich Boekhout im Leadership Council, einem Gremium aus Top-Managern der ING Group. Er ist Aufsichtsratsmitglied der ING Bank Slaski. Zudem ist er Mitglied im Kuratorium des House of Finance der Goethe-Universität Frankfurt und des Präsidiums von Frankfurt Main Finance e.V. 03 // 2017 79

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