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die bank 03 // 2017

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

REGULIERUNG

REGULIERUNG DOPPEL-INTERVIEW MIT BAFIN UND DNB „Kultur muss ein Thema der Aufsicht sein“ Interview mit Ira Steinbrecher von der deutschen Finanzaufsicht BaFin und Moritz Römer von der niederländischen Bankenaufsicht DNB über die Anforderungen, Notwendigkeiten und Grenzen einer Risikokultur in Banken. die bank: Frau Steinbrecher, Herr Römer, nehmen wir die Kernfrage gleich vorweg: Warum benötigen Banken überhaupt eine Risikokultur? Steinbrecher: Jedes Unternehmen, jede Gruppe und jedes Team hat ja eine eigene Kultur. Selbst wenn man sie nicht bewusst wahrnimmt oder so bezeichnet, richten Mitarbeiter ihr Verhalten – oft unbewusst und intuitiv – nach dem aus, was ihnen von ihren Kollegen und Vorgesetzten vorgelebt wird, also nicht nur nach den geschriebenen, sondern auch den ungeschriebenen Regeln, die sie vorfinden. Das wiederum ist Kultur. Wichtig ist, dass die Kultur in einer Bank im Einklang mit dem Risikoappetit der Bank, deren ethischen Grundsätzen und natürlich dem Gesetz steht. Das ist nicht immer der Fall. Oftmals ist vielen Geschäftsleitern bzw. Vorgesetzten auch gar nicht bewusst, wie sehr vor allem ihr eigenes Handeln das Verhalten ihrer Mitarbeiter beeinflusst, somit also auch zu Fehlverhalten führen kann. Dieses Bewusstsein wollen wir schärfen. Die bereits bestehenden Vorgaben der MaRisk an ein angemessenes Risikomanagement stoßen hier aber an Grenzen. Deshalb hat sich die BaFin entschieden, die Anforderung an eine angemessene Risikokultur in der MaRisk zu verankern. Römer: Es ist eigentlich nicht die Frage, ob eine Bank eine Risikokultur benötigt, jede Bank hat eine eigene Risikokultur. Die Frage ist, wie die Bank die Risikokultur im Sinne ihrer eigenen Strategie und Zielsetzung beeinflussen kann. Die Risikokultur eines Finanzinstituts spielt eine wichtige Rolle bei der Einflussnahme auf Handlungen und Entscheidungen der Personen innerhalb des Finanzinstituts und bei der Gestaltung der Einstellung des Instituts gegenüber seinen Stakeholdern, einschließlich der Aufsichtsbehörden. Betroffen sind letztlich alle Normen, die Gruppendynamik, Verhaltensmuster und ihre kulturellen Grundlagen, die das Risikomanagement, Risikobewusstsein sowie die Risikoübernahme beeinflussen. die bank: Dies klingt etwas technisch, oder? Römer: Lassen Sie es mich so erklären: Mit Verhaltensmustern sind beispielsweise die Art und Weise gemeint, wie die der Vorstand und andere Führungskräfte im Unternehmen ihre Führungsrolle interpretieren und ausfüllen, wie Beschlussfassung entsteht und was Kommunikationsformen sind. Die kulturellen Grundlagen beziehen sich u. a. auf die Gruppendynamik im Unternehmen, die negative Auswirkungen auf vernünftige und vertretbare Risikobeschlussfassungen haben kann. Risikokultur ist eine Mischung von formellen und informellen Prozessen. die bank: Dass die Unternehmenskultur das Risiko-Verhalten und dadurch die betrieblichen Ergebnisse beeinflusst, gilt nicht nur für Kreditinstitute. Wie verhält es sich beispielsweise mit Versicherungsunternehmen oder auch Branchen außerhalb der Finanzindustrie? Steinbrecher: Fehlverhalten und mangelndes Risikoverständnis ist sicherlich kein exklusives Phänomen der Kreditwirtschaft – und übrigens auch nicht national begrenzt. Welche Auswirkungen das Fehlverhalten Einzelner oder einer Gruppe von Mitarbeitern auf das ganze Unternehmen haben können, war ja leider in jüngster Vergangenheit bei Unternehmen zu sehen, die nicht aus der Kreditwirtschaft kommen. Der Bankensektor ist aber nun einmal relevant für das gesamte wirtschaftliche Gefüge, also systemrelevant. Fehlverhalten kann hier nicht nur Auswirkungen auf eine einzelne Bank haben, sondern im schlimmsten Fall auf die Gesamtwirtschaft. Deshalb stehen Banken unter besonderer Aufsicht. Außerdem wurden Schwächen in der Kultur von Banken immer wieder als (Mit-)Verursacher der Finanzkrise genannt. Aktuelle Fälle zeigen auch hier, dass kulturelle Mängel immer noch bestehen. Deshalb haben sich die internationalen Regulatoren verstärkt diesem Aspekt zugewandt, nicht zuletzt um das Vertrauen in die Banken wieder herzustellen. Das gilt für den Finanzstabilitätsrat (Financial Stability Board, FSB), den Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (BCBS), die Europäische Bankenaufsicht EBA und für die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). 42 03 // 2017

REGULIERUNG Ira Steinbrecher ist als Referentin in der Grundsatzabteilung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in Bonn tätig. In dieser Funktion ist sie für die Auslegung und Weiterentwicklung der Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) und in diesem Zusammenhang für Themen rund um die Unternehmensführung von Instituten zuständig. Zuvor war sie Referentin in der Fachaufsicht über signifikante Banken (Großbanken) und Auslandsbanken. Zu Beginn ihrer beruflichen Tätigkeit arbeitete sie als Rechtsanwältin in einer wirtschaftsrechtlich ausgerichteten Sozietät. die bank: Gut, bleiben wir bei den Banken. Es ist leicht nachvollziehbar, dass tiefere Einblicke in die Risikokultur der Institute der Aufsicht die Möglichkeit bieten, negatives Risikoverhalten früher zu erkennen und möglichst zu verhindern. Wie ist hier Ihre Vorgehensweise, und welche Indikatoren für eine angemessene Risikokultur wären zu nennen? Steinbrecher: Das übergeordnete Ziel ist die Stärkung der Unternehmens- und Risikokultur durch Schaffung eines Wertesystems, das das Risikomanagement und Risikobewusstsein fest in der Unternehmenskultur verankert. Indikatoren für eine angemessene Risikokultur ist vor allem die Leitungskultur, bei der es aber nicht nur um den sogenannten „tone from the top“ geht, sondern auch um den „tone frome the middle“, also grundsätzlich um Mitarbeiter in allen leitenden Funktionen. Hinzu kommen eine offene Kommunikation und die Möglichkeit, einen kritischen Dialog führen zu können. Maßgeblich sind darüber hinaus angemessene Anreizstrukturen, wobei wir hier natürlich nicht nur von Boni reden! Römer: Der Schwerpunkt der Beurteilung liegt dabei auf jenen Arbeitsgruppen, in denen risikorelevante Entscheidungen getroffen werden und die Risikoübernahme am größten ist. Dies sind in der Regel Vorstandsmitglieder, die für Risiko verantwortlich sind (CEO, CFO, CRO), Aufsichtsratsmitglieder (im Risikoausschuss), Marktabteilungen (wie z. B. Trading Desks), Menschen im Risikomanagement, in der Compliance, Revision, Rechts- oder der Personalabteilung (HR). die bank: Für manche ist Risikokultur ein sehr schwer greifbares Thema. Sie entsteht aus der inneren Haltung der handelnden Personen. Ist Kultur überhaupt bankaufsichtlich verordenbar? Steinbrecher: Es muss ganz eindeutig zu einem bankaufsichtlichen Thema gemacht werden, ja. Dies ist übrigens überhaupt nicht Neues, denn die MaRisk zielen ja schon heute auf gute Unternehmensführung und eine angemessene Risikokultur ab. Mit der expliziten Verantwortung der Geschäftsleitung für die Entwicklung, Förderung und Integration einer angemessenen Risikokultur sowie der Entwicklung eines Verhaltenskodexes für die Mitarbeiter kommen nun Ergänzungen in die Regulierungspraxis, die den Fokus auf das Verhalten der Mitarbeiter besonders betonen. Richtig ist natürlich, dass Risikokultur gelebt werden muss. Da können Regularien durchaus an Grenzen stoßen. Hinzu kommt, dass Risikokultur keine statische Angelegenheit ist, sondern ein kontinuierlicher Prozess, der sich wiederholt und selbst erneuert, aber auch Erschütterungen unterliegen kann. Römer: Einerseits finden manche die Kultur in der Tat schwierig greifbar, gleichzeitig wird jeder Mitarbeiter im Unternehmen täglich mit der Kultur konfrontiert, und wir handeln oftmals nach kulturellen Grundsätzen. Wir sind also auch Experten der eigenen Kultur. Die Aufgabe besteht darin, diese bestehenden, aber oft nicht bewussten Prozesse zu benennen, auf Risiken zu beurteilen und ggf. zu ändern. Die Unternehmenskultur sowie die Risikokultur unterliegen der Verantwortung des Instituts, als Aufsicht schreiben wir keine ideale Kultur vor, sondern zeigen die Risiken der bestehenden Kultur auf. Auch schauen wir, inwieweit die selbst formulierten Ziele durch das Unternehmen erreicht werden. die bank: Lässt sich Risikokultur quantifizieren. Wenn ja, mit welchen Modellen arbeiten Sie? Steinbrecher: Kultur ist kein Thema der quantitativen Aufsicht, sie lässt sich meines Erachtens kaum messen. Was die Aufsicht allerdings sehr wohl kann, ist das Verhalten der Mitarbeiter zu beurteilen und zu prüfen, ob die Struktur der Bank geeignet ist, eine angemessene Risikokultur zu fördern. Hierzu gehört beispielsweise, ob klar erkennbar ist, wer für einen Prozess oder ein Projekt verantwortlich ist, welche Konsequenzen bei bestimmten Handlungen zu erwarten sind, ob Eskalationsprozesse installiert sind usw. Ein Verhaltenskodex spielt hier meiner Ansicht nach eine wichtige Rolle, um den Mitarbeitern klar zu kommunizie- 03 // 2017 43

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