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die bank 03 // 2017

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

MARKT teil der

MARKT teil der Rechenzentren bereits auf Ebene der Dachinstitute angesiedelt. Viele Synergien wurden also bereits gehoben. Fusionen sind demnach kein Allheilmittel. Und mit den anderen vier Hebeln, die Banken und Sparkassen als Antwort auf das Niedrigzinsumfeld in Bewegung setzen können, verhält es sich ganz genauso. Lage (noch) unter Kontrolle Wie schlimm steht es also um den deutschen Bankensektor im Niedrigzinsumfeld? Trotz aller Probleme kann für den Moment vorsichtige Entwarnung gegeben werden, und das vor allem für die kleinen und mittelgroßen Institute. Die Auswirkungen der niedrigen Zinsen auf ihre Ertragslage sind zwar deutlich spürbar, lassen sich von der Mehrheit der Institute jedoch noch tragen. Die Kapitalausstattung und die Liquidität des deutschen Bankensektors stehen außer Frage. Mittelfristig könnte es bei anhaltend niedrigen Zinsen aber eng werden. Um die Entwicklungen im Blick zu behalten, wird die Bundesbank wie bereits 2013 und 2015 auch in diesem Jahr wieder eine Niedrigzinsumfrage durchführen. Dabei werden verschiedene Zinsszenarien durchgespielt, um bei echten Problemen frühzeitig eingreifen zu können. Die Ergebnisse sind auch Grundlage für unseren Dialog mit den Instituten. Die Bankenaufsicht muss aber nicht nur die aktuelle Lage und die Gefahren einer andauernden Niedrigzinsphase für die Institute im Auge haben, sondern auch das Ende einer solchen Periode. Denn auch dort liegen möglicherweise große Risiken. Gerade, wenn nach einer langen Niedrigzinsphase der Zins abrupt steigen sollte, wäre kurzfristig mit einem deutlichen Einbruch der Erträge der Banken zu rechnen. Diese Zinsänderungsrisiken lassen sich mithilfe des Baseler Zinsrisikokoeffizienten abschätzen. Er gibt an, wie viel Prozent des Eigenkapitals bei einer Verschiebung der Zinskurve um zwei Prozentpunkte verloren ginge. Bereits seit 2011 beobachtet die Bankenaufsicht, dass dieses Maß regelmäßig ansteigt. Danach weisen inzwischen mehr als die Hälfte der Sparkassen und etwa zwei Drittel der Kreditgenossenschaften erhöhte Zinsänderungsrisiken aus. Das ist nicht automatisch schlecht, denn solche Risiken zu übernehmen, zählt zu ihren Aufgaben im Wirtschaftskreislauf. Aber es zeigt, wie wichtig eine aufmerksame Risikosteuerung und ausreichend Kapital im Bankensystem sind. Auswirkungen auf Verbraucher: Lohnt sich Sparen noch? Die Gefahren des Niedrigzinsumfelds zeigen auch Auswirkungen auf die Verbraucher. Hier liegt es nahe, zwei Gruppen zu unterscheiden, die sich natürlich überschneiden können: die Kreditnehmer und die Sparer. Für die Kreditnehmer sind die Kreditkonditionen zurzeit ausgesprochen günstig. Auch das ist ein Ergebnis des Niedrigzinsumfelds. Dass diese Situation den Verbrauchern gefällt, zeigen die Statistiken zu Wohnungsbaukrediten. Seit 2009 stieg deren Volumen deutlich an, und in den vergangenen zwei Jahren hat sich der Anstieg noch einmal beschleunigt. Die zurzeit günstigen Kreditkonditionen zu nutzen, liegt nahe, wenn man mittelfristig ohnehin eine größere Investition wie den Hausbau geplant hat. Allerdings müssen Verbraucher dabei – genau wie Banken und Sparkassen – immer das Ende der Niedrigzinsperiode im Auge haben, um auch später die Zins- und Tilgungslasten noch schultern zu können. Für die Sparer ist der nominale Zins, der auf dem Kontoauszug zu sehen ist und der zurzeit sehr niedrig ausfällt, nicht die entscheidende Größe. Dies ist vielmehr die Kaufkraftentwicklung des angesparten Vermögens. Wie viel zum Beispiel die private Altersvorsorge zum Lebensunterhalt im Alter beiträgt, hängt von der Kaufkraftentwicklung der Rente ab. Und die bestimmt sich am Ende nach der Höhe der realen Rendite – also dem, was übrig bleibt, wenn man die Inflation von den nominalen Zinsen abzieht. Wenn es darum geht, wieviel sich die Sparer von ihren Ersparnissen später einmal leisten können, dann sind drei Prozent Zinsen bei drei Prozent Inflation das gleiche wie null Prozent Zinsen bei null Prozent Inflation. Seit kurzer Zeit liegt die Inflation in Deutschland inzwischen wieder deutlich über Null. Es wird damit gerechnet, dass sie in diesem Jahr auf 1,3 Prozent im Euro-Raum steigt. Den Bundesbankvorhersagen zufolge dürfte die Inflationsrate in Deutschland bei 1,4 Prozent liegen, und wenn der Ölpreis auf dem aktuellen Niveau bleibt, könnte der Anstieg sogar noch um rund einen halben Prozentpunkt höher ausfallen. Man muss der Ehrlichkeit halber allerdings auch sagen: Die besonders sicheren Spareinlagen bei Banken und Sparkassen wurden früher zwar höher verzinst, aber damals war die Inflation auch deutlich höher. Im Vergleich zu den vergangenen zwanzig Jahren ist die reale Rendite auf Spareinlagen derzeit nicht außerordentlich niedrig – in den Jahren 2011 bis 2013 gab es für die Sparer unter dem Strich sogar noch weniger. Zudem bewahren die Deutschen ihr Geldvermögen nicht nur unter dem Kopfkissen oder auf dem Bankkonto auf. Mehr als die Hälfte des Geldvermögens besteht aus Ansprüchen gegenüber Versicherungen und aus Wertpapieren, Tendenz steigend. Die reale Rendite darauf ist höher als die reale Rendite von besonders sicheren Bankeinlagen. Und das Geldvermögen der deutschen Privathaushalte ist auch im Niedrigzinsumfeld kontinuierlich gewachsen. Um es zusammenzufassen: Sparen bleibt sinnvoll, auch wenn es wahrlich schon einmal lukrativer war. Und weder bei Sparern noch bei Kreditinstituten sind die Niedrigzinsen besonders beliebt – aus nachvollziehbaren Gründen. Allerdings muss für eine faire Bewertung auch berücksichtigt werden, was die Alternative zur Niedrigzinspolitik gewesen wäre. Und damit sind wir bei den Auswirkungen auf die Wirtschaft. Auswirkungen auf die Wirtschaft: Niedrigzinsen als „notwendiges Übel“ Denn die niedrigen Zinsen haben die Auswirkungen der Krise abgefedert und stützen die allmähliche Wirtschaftserholung, die sich in Deutschland und Europa einstellt. Nach diesen Faktoren richtet die Europäische Zentralbank zwar nicht ihre Geldpolitik aus – ihre Zielgröße ist die Inflation. Aber Konjunktur und Preisentwicklung sind eng verwoben. Denn wenn die Unternehmen ihre Fabriken stärker auslasten, steigen in der Regel auch die Preise. Eine exportorientierte Volkswirtschaft wie die deutsche profitiert sogar beson- 14 03 // 2017

MARKT ders stark von der lockeren Geldpolitik, denn diese führt tendenziell zu einer Abwertung der heimischen Währung und stützt dadurch das Exportgeschäft. Den Unternehmen bietet die Geldpolitik also ein investitionsfreundliches Umfeld. Auch Verbraucher profitieren, denn ihre Arbeitsplätze werden tendenziell sicherer, die Steuereinnahmen sprudeln und die Zinslast des Staats verringert sich. Und natürlich bevorzugen Banken und Sparkassen ebenfalls ein stabiles wirtschaftliches Umfeld. Allerdings ist die ultralockere Geldpolitik der EZB ganz sicher nicht ohne Risiken. Sie hat sogar gravierende Nebenwirkungen. Vor allem gilt: Ihr Nutzen nimmt mit der Zeit ab, und die Kosten nehmen zu. Dauerhaft niedrige Zinsen machen es Unternehmen schwerer, ihre Leistungsversprechen aus der betrieblichen Altersvorsorge zu erfüllen. Denn die Höhe der Rückstellungen richtet sich nach dem Durchschnittszinssatz der vergangenen Jahre. Das bedeutet: Je länger die Niedrigzinsen anhalten, desto höhere Pensionsrückstellungen müssen Unternehmen bilden. Kurzfristig sind die Auswirkungen der Niedrigzinspolitik auf die Wirtschaft positiv. Wie groß die Nebenwirkungen der Nullzinspolitik sind, wird man hingegen erst deutlich später sehen. Der Ausstieg aus den Niedrigzinsen: Wie geht es weiter? Schließlich stellt sich die Frage, wie lange die Niedrigzinsphase noch anhalten wird. Bekanntlich war die Inflation in den letzten drei Jahren sehr niedrig – in einigen Monaten lag die Rate sogar unter null. Das hatte verschiedene Ursachen. Zum einen den starken Rückgang der Energiepreise seit Mitte 2014, zum anderen die nur allmähliche wirtschaftliche Erholung im Euro-Raum, wo manche Länder noch immer mit den Folgen der Finanz- und Staatsschuldenkrise kämpfen. Zuletzt ist die Inflationsrate aber wieder gestiegen. Zum Gutteil lag das an höheren Ölpreisen. Bei unveränderten Ölpreisen könnte die Inflationsrate in den nächsten Monaten sogar einen Wert von knapp zwei Prozent erreichen. Von den Deflationsgefahren sind wir mittlerweile also weit entfernt. Derzeit geht die EZB davon aus, dass es bis 2019 dauern wird, bis die Inflationsrate im gesamten Euro- Raum nachhaltig zu ihrem Zielwert zurückgekehrt ist – also unter, aber nahe zwei Prozent. Was die Inflationsaussichten betrifft, ist eine expansive Geldpolitik also noch immer gerechtfertigt, denn der wirtschaftliche Aufschwung im Euro-Raum hängt weiter am Tropf der Geldpolitik. Aber klar ist auch: Über Umfang und Ausgestaltung der geldpolitischen Maßnahmen kann man durchaus geteilter Meinung sein. Entscheidend ist, dass das Euro-System die geldpolitischen Zügel rechtzeitig wieder anzieht. Wenn das Inflationsziel in greifbare Nähe rückt, darf es kein Zögern geben. Wann genau die Zinsen wieder steigen, lässt sich kaum vorhersagen. Das liegt auch daran, dass die Zentralbank die Zinsen nicht nach Belieben und im Alleingang bestimmen kann. Zwar setzen die Notenbanken die Leitzinsen und steuern damit indirekt die Zinssätze im Wirtschaftskreislauf. Aber gerade die langfristigen Zinsen werden auch noch von anderen Faktoren beeinflusst. Sie hängen nicht nur von der Inflation ab – oder, um genau zu sein, von den Inflationserwartungen – sondern auch vom Realzins. Und dieser wiederum wird vor allem von den Wachstumserwartungen bestimmt. Denn letztendlich sind es ja Unternehmen und Häuslebauer, die die Zinsen bezahlen. Und das können sie nur, wenn es ihnen wirtschaftlich gut geht. Nur dann können die Kapitalgeber – also Banken, Sparkassen, Investmentfonds, oder Privatanleger – auch höhere Zinsen verlangen. Die längerfristigen Wachstumserwartungen sind aber leider nicht mehr so hoch wie noch vor einigen Jahren. Das liegt auch daran, dass das Wachstum vor der Krise in einigen Ländern von einer übertriebenen Kreditvergabe getrieben war. Zu denken wäre hier beispielsweise an die kreditgetriebenen Immobilienblasen in Spanien und Irland oder an die enorm hohe Verschuldung in Ländern wie Portugal und Griechenland, die einen öffentlichen und privaten übermäßigen Konsum ermöglichte. Wachstumsraten wie vor der Finanzkrise wird es wohl auf absehbare Zeit nicht mehr geben. Etwas höher als derzeit könnte das Wachstum aber schon sein. Hier sind die Regierungen gefragt: Sie müssen Reformen beschließen, damit Arbeitsplätze in den produktiven Bereichen der Wirtschaft entstehen können. Der Reformeifer war kurz nach der Krise groß, hat aber leider schnell wieder nachgelassen, als sich die Lage zu beruhigen begann. Insofern hängt es nicht zuletzt von der Politik ab, wann die Zinsen wieder steigen. Dabei ist allerdings Geduld gefordert: Die Ungleichgewichte, die zur Finanz- und Staatsschuldenkrise beigetragen haben und auch jetzt noch das Wachstum hemmen, sind über viele Jahre entstanden. Da kann man nicht erwarten, dass diese Ungleichgewichte in kürzester Zeit überwunden werden. FAZIT Sind die Niedrigzinsen nun also Fluch oder Segen? Die Antwort ist ein eindeutiges „weder noch“. Die Europäische Zentralbank hat aus guten Gründen ein sehr klares Mandat: Die Inflationsrate mittelfristig auf ein Niveau von unter, aber nahe zwei Prozent zu bringen. Mit ihrer Leitzinssetzung verfolgt sie dieses Ziel. Dass die lockere Geldpolitik die Wirtschaft stützt, ist im Sinne von Banken, Sparkassen, Verbrauchern und Unternehmen. Wahr ist aber auch, dass die Maßnahmen erhebliche Nebenwirkungen haben, die mit der Zeit immer stärker werden. Einen nachhaltigen Weg heraus aus den niedrigen Zinsen finden wir in Europa nicht, indem wir nur mit dem Finger auf die Zentralbank zeigen. Wenn wir auf einen nachhaltigen Pfad von stabilem Wachstum und stabilen Preisen zurückkehren wollen, sind auch Andere gefordert, allen voran die Regierungen der Euro-Länder. Sie müssen die notwendigen Reformen durchführen, um solide Staatshaushalte, wettbewerbsfähige Wirtschaftsstrukturen und funktionierende öffentliche Verwaltungen zu erreichen. Autor: Dr. Andreas Dombret ist Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank. Der Beitrag basiert auf einem Vortrag des Autors am 1. Februar 2017 beim Sparkassen-Gesprächsforum Witten. 03 // 2017 15

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