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die bank 03 // 2016

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

ó IT & KOMMUNIKATION

ó IT & KOMMUNIKATION Techs per se digital sind. Allerdings haben FinTechs bislang noch nicht annähernd das Markenkapital der etablierten Finanzdienstleister aufgebaut. FinTechs haben den Vorteil, dass sie ihre Kundenbetreuungsmodelle von Beginn der Kundenbeziehung an datenorientiert digital aufsetzen können. Der datenorientierte Ansatz ermöglicht nicht nur eine bessere Kundenbetreuung, sondern verschafft den FinTechs auch Wettbewerbsvorteile in der Risikobeurteilung und -bepreisung. So können zum Beispiel Kreditmarktplätze mit entsprechender Scoring-Technologie auch Kundengruppen bedienen, die keine Kredite in Banken erhalten oder in Regionen leben, in denen es nur wenige Bankfilialen gibt. Zudem sind die Geschäftsmodelle der FinTechs in der Regel durchgängig digital aufgesetzt. Die etablierten Wettbewerber kämpfen hingegen häufig mit Strukturbrüchen in einer zerklüfteten IT-Landschaft. Schlussendlich gibt es auch erhebliche Unterschiede in puncto Mitarbeiterfähigkeiten und Unternehmenskultur. In den FinTechs sind die Digital Natives zuhause, während die etablierten Anbieter häufig vor der Herausforderung stehen, nicht nur die Kundenbeziehung und die unterstützenden Geschäftsprozesse zu digitalisieren, sondern auch die eigene Belegschaft entsprechend zu schulen. Die aufgezeigten Unterschiede zwischen FinTechs und etablierten Anbietern sind idealtypisch. In der Praxis gibt es zahlreiche Konvergenzen: Die etablierten Anbieter versuchen die Erfolgsmodelle ihrer jungen Wettbewerber zu adaptieren, während die FinTechs sich zunehmend mit den Herausforderungen wachsender Organisationen konfrontiert sehen. Verdrängungswettbewerb: Verdrängen FinTechs die etablierten Anbieter oder generieren sie zusätzliche Ertragspotenziale? Konventionelle Finanzdienstleister stehen vor der Frage, ob FinTechs Wettbewerber im eigenen Markt oder vielmehr Pioniere in neuen Märkten mit zusätzlichen Ertragspotenzialen sind. Mit anderen Worten: Wird es zu einer Koexistenz kommen oder werden die FinTechs die etablierten Finanzdienstleister ersetzen? werbern unzureichend bedient werden, beispielsweise die Selbstständigen. Mittelfristig geht es für beide Gruppen darum, die Kundenneugewinnung zu optimieren, die Kundenbindung zu intensivieren und die Herausforderungen des Datenschutzes, der IT-Sicherheit und der regulatorischen Unsicherheit zu bewältigen. Mit anderen Worten, das Disruptive- Innovation-Szenario von Clayton Christensen erscheint mit Bezug auf FinTechs unwahrscheinlich. Denn erstens sind diese Start-ups auf Kooperationen mit den etablierten und regulierten Anbietern angewiesen und zweitens haben insbesonfl Die Geschäftsmodelle der FinTechs sind in der Regel durchgängig digital aufgesetzt. Die etablierten Wettbewerber kämpfen hingegen häufig mit Strukturbrüchen in einer zerklüfteten IT-Landschaft. Vieles spricht dafür, dass die längerfristig erfolgreichen FinTechs mit den überlebenden etablierten Anbietern kooperieren werden. Dadurch wird die Finanzarchitektur wieder kleinteiliger und komplexer. Für ein solches Kooperationsszenario spricht zudem die Tatsache, dass FinTechs besonders in den Kundensegmenten wachsen, die von den etablierten Wettbe- 60 diebank 03.2016

IT & KOMMUNIKATION ó dere Banken aufgrund ihres über Jahrzehnte aufgebauten und trotz Finanzkrise immer noch hohen Vertrauenskapitals eine einzigartige Marktstellung. Das Basisszenario ist also nicht eine FinTech-Revolution, sondern eine digitale Evolution. Um die Geschäftsprozesse und Kostenstrukturen zu optimieren, sind die etablierten Finanzdienstleister auf die Digitalisierung angewiesen. Sie müssen Anreize für Kunden und Mitarbeiter setzen, um den Online-Anteil zu erhöhen und damit verbundene Effizienzreserven zu realisieren. Für jeden etablierten Finanzdienstleister hängen der Erfolg und das Überleben an der Umsetzung seiner Digitalisierungsstrategie. Expertenschätzungen gehen davon aus, dass FinTechs mittelfristig, je nach Dienstleistung, Marktanteile von fünf bis zehn Prozent gewinnen können. Die wahre Bedrohung könnte aber letztlich nicht von Fin- Techs ausgehen, sondern von Internet-Giganten wie Amazon, Google und Apple, die über starke Marken, große und schnell wachsende Kundenstämme und erhebliche interne Technologieressourcen verfügen. Aus technologischer Sicht sind insbesondere die Bereiche Zahlungsverkehr und Wertpapierabwicklung momentan vor dem Hintergrund der Weiterentwicklung der Block-Chain-Technologie am stärksten betroffen. Investitionskriterien: Welche Kriterien sollte man bei einer Investition in FinTechs berücksichtigen? „If you cannot beat them join them“ lautet eine bekannte Wettbewerbsphilosophie. Es stellt sich also nicht nur für Business Angels und Risikokapitalgeber die Frage, nach welchen grundsätzlichen Kriterien man Beteiligungen an FinTechs eingehen kann. Entscheidend ist sicherlich die Persönlichkeit der Gründer. Beim Aufbau eines Unternehmens ist charismatische Führungsstärke gefragt. fl Aktuell stehen die Bewertungen der FinTechs erheblich unter Druck – manche sprechen gar von einem Entweichen der Luft aus der FinTech- Blase. Ein weiteres entscheidendes Kriterium ist die Größe des Zielmarkts, auf den das FinTech-Unternehmen mit seinen Dienstleistungen abzielt. Denn ein großer Zielmarkt bedeutet, dass man als FinTech lange Zeit schnell wachsen kann, ohne von den etablierten Anbietern als ernsthafter Wettbewerber wahrgenommen zu werden. Nicht zuletzt aus diesem Grund ist beispielsweise das Segment Konsumentenkreditfinanzierung mit einem Gesamtmarktvolumen von 200 Mrd. € allein in Deutschland ein attraktives Betätigungsfeld. Selbstverständlich spielt auch die Gewinnmarge der Anbieter eine Rolle, denn sie bestimmt letztlich den Spielraum für Umverteilungen vom Anbieter zum Kunden. Sie ist damit ein entscheidender Wachstumshebel für FinTechs. Erfolgsentscheidend ist auch, ob es Fin- Techs gelingt, ein skalierbares Geschäftsmodell zu entwickeln. Hier ist viel Geduld und grundlegende Änderungsbereitschaft gefragt. Aufgrund der hohen Bedeutung von Aktien- bzw. Options-basierten Vergütungsbestandteilen sind FinTechs nicht nur zum Wachstum am Markt, sondern auch zur Steigerung ihrer Bewertung je Aktie verdammt. Letztendlich bleibt eine Beteiligung an einem FinTech eine Wagniskapitalinvestition, mit allen Chancen und Risiken dieser Asset-Klasse. Fazit FinTechs haben sich in den vergangenen Jahren nicht nur zu ernsthaften Herausforderern der etablierten Banken entwickelt, sondern diese auch zu erheblichen Innovationsleistungen im digitalen Bereich angetrieben. Während für die etablierten Banken die Digitalisierung die zentrale Herausforderung der kommenden Jahre sein wird, müssen sich die meisten FinTechs vor allem in den Bereichen Profitabilität und Organisationsstrukturen deutlich verbessern – ansonsten werden viele dieser Start-ups so schnell von der Bühne verschwinden, wie sie aufgetaucht sind. Aktuell stehen die Bewertungen der FinTechs erheblich unter Druck – manche sprechen gar von einem Entweichen der Luft aus der Fin- Tech-Blase. Vieles spricht dafür, dass sich die Geschäftsmodelle und Bewertungen fl Entscheidend ist die Persönlichkeit der Gründer. Beim Aufbau eines Unternehmens ist charismatische Führungsstärke gefragt. von etablierten Anbietern und FinTechs weiter angleichen. Die etablierten Wettbewerber sollten die sich bietenden Chancen zu Beteiligungen an und Kooperationen mit FinTechs nutzen. ó Autor: Professor Dr. Axel Wieandt ist u. a. Mitglied des Beirats der auxmoney GmbH sowie Honorarprofessor der WHU Otto-Beisheim- School of Management sowie Lehrbeauftragter an der Goethe Universität Frankfurt. 1 Dieser Beitrag basiert auf den vorbereiteten Ausführungen des Autors für eine Panel-Diskussion im Rahmen der 3. Frankfurt Conference on Financial Market Policy des House of Finance / SAFE zum Thema „Digitizing Finance“ am 6. November 2015 in der Goethe-Universität in Frankfurt. Der Autor dankt Herrn Felix Morlock für die redaktionelle Bearbeitung des Manuskripts. 03.2016 diebank 61

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