ó FINANZMARKT Risiken der EU-Einlagensicherung REGULIERUNG Die EU-Kommission hat einen Vorschlag unterbreitet, wonach bis 2024 ein einheitliches Einlagensicherungssystem im Euroraum aufgebaut werden soll. Dieser Vorschlag ist Gegenstand intensiver politischer Debatten und bedarf in einigen Punkten zumindest einer Präzisierung und einer weiteren Auswirkungsanalyse. Kritisch ist insbesondere das genaue Verfahren der Beitragsbemessung, das die Verordnung nur sehr allgemein regelt. Patrik Buchmüller | Eva Vöhringer Keywords: Einlagensicherung, Bankenunion, Europa Die EU-Kommission hat am 24. November 2015 einen Verordnungsentwurf zur Schaffung eines einheitlichen Europäischen Einlagensicherungssystems vorgelegt. Der Entwurf ist Teil der Reformen zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion, welche die Präsidenten der Kommission, des Rats der Staats- und Regierungschefs, der Euro-Gruppe, des Europäischen Parlaments und der EZB im „5 Presidents‘ Report“ im Sommer 2015 vorgeschlagen haben. Der bis dahin vom ECOFIN-Rat überarbeitete Entwurf soll im Juni 2016 dem Rat der Staats- und Regierungschefs vorgelegt werden. Rechtsgrundlage der Verordnung ist Art. 114 AEUV. Demnach erfolgt die Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit im Ministerrat ohne Vetomöglichkeit einzelner Staaten. Kerninhalte des Vorschlags Ziel ist die Vollharmonisierung des Einlagenschutzes im Euroraum durch Aufbau eines Europäischen Einlagensicherungssystems (EDIS, European Deposit Insurance System). Der Schutz von Einlagen bis 100.000 € erfolgt durch Auszahlungen im Sanierungs- bzw. Abwicklungsfall weiterhin analog zur Einlagensicherungsrichtlinie (RL 2014/49). Zukünftig soll dies aber über ein alle Eurostaaten einschließendes System gemein- schaftlich erfolgen. Über das neue europäische Solidarsystem sollen asymmetrische Schocks auf nationale Finanzsysteme zukünftig besser abgefedert werden. Solche Systemkrisen können z. B. aus Zahlungsschwierigkeiten einer Großbank oder eines großen Industrieunternehmens resultieren, das dann lokale Zulieferer und damit auch lokale Banken in Mitleidenschaft zieht. Vor allem soll die Vergemeinschaftlichung der Einlagensicherung gegenseitige Rückkoppelungseffekte zwischen den nationalen Bankensystemen und der Staatsverschuldung der einzelnen Eurostaaten verringern. Laut Verordnungsentwurf werden die bisher rein nationalen Einlagensicherungssysteme in drei Phasen bis 2024 vollständig integriert. In der ersten Phase der „Rückversicherung“ (2017 bis 2020) erfolgt eine Liquiditätsbereitstellung und versicherungsähnliche Übernahme eines Teils der Ausgaben der nationalen Einlagensicherung durch EDIS. Damit könnten schon ab 2017 über den neu eingerichteten Deposit Insurance Fund (DIF) in begrenztem Maße Beiträge aus anderen nationalen Einlagensicherungsfonds zur Unterstützung herangezogen werden, sofern das Finanzvolumen eines nationalen Sicherungssystems im Krisenfall nicht hinreichend ist. In der zweiten Phase der „Mitversicherung“ (2020 bis 2024) werden EDIS-Mittel bereits eingesetzt, bevor die Reserven der nationalen Einlagensicherung vollständig aufgebraucht sind. In der dritten Phase der Vollversicherung ab 2024 erfolgt eine vollständige Mittelbereitstellung durch EDIS. Die Beitragserhebung soll risikoorientiert auf Basis entsprechender EU-Durchführungsverordnungen erfolgen. Bis 2024 soll der DIF Mittel in Höhe von 0,8 Prozent der gesamten durch die Einlagensicherung abgedeckten Bankeinlagen enthalten. Dies waren bereits die Zielvorgaben der RL 2014/49, bezogen auf nationale Sicherungsfonds und nationale Bankeinlagen. Insgesamt sollten demnach keine Zusatzlasten auf die Institute zukommen. Voraussetzung für die EDIS-Teilnahme ist, dass die Mitgliedstaaten die BRRD und die RL 2014/49 umgesetzt haben. Laut Kommissionsangaben haben zum 24. November 2015 elf EU-Staaten die zum 31. Dezember 2014 fällige Umsetzung der BRRD in nationales Recht noch nicht bzw. nicht vollständig vollzogen. Die bis 3. Juli 2015 umzusetzende RL 2014/49 hatten zum 24. November 2015 sogar 15 von 28 EU-Mitgliedstaaten noch nicht hinreichend implementiert. Begleitmaßnahmen zur Stärkung der Bankenstabilität Außerhalb der EDIS-Verordnung hat die Kommission parallele Maßnahmen zur Risikoreduzierung im Bankensektor vorgeschlagen. Wesentliche Neuerung ist ein von der Kommission noch zu erstellender 18 diebank 03.2016
FINANZMARKT ó Vorschlag zur Vermeidung von Kreditkonzentrationen gegenüber einzelnen EU-Staaten. Daneben werden auch weitere laufende Regelungsvorhaben auf EU- Ebene genannt, wie z. B. die Reduzierung nationaler Wahlrechte im Bankenaufsichtsrecht sowie die Verbesserung der Vergleichbarkeit der Berechnung der Risikoaktiva. Darüber hinaus soll eine stärkere Vereinheitlichung der nationalen Insolvenzrechtsordnungen erfolgen, um vergleichbare Bedingungen zum Umgang mit Non-Performing Loans zu schaffen. Wie würde EDIS auf die deutsche Bankenbranche wirken? Zunächst einmal scheinen die kurzfristigen Auswirkungen auf die bewährten Einlagensicherungssysteme in Deutschland gering zu sein. Der Umfang des gesetzlichen Einlagenschutzes bleibt gegenüber der bisherigen Einlagenschutzrichtlinie und deren Umsetzung im Einlagensicherungsgesetz (EinSiG) unverändert. Die Möglichkeiten einer ergänzenden freiwilligen Einlagensicherung bzw. von Institutssicherungseinrichtungen bleiben ebenso bestehen. Wesentliche institutionelle Neuerung ist der Transfer von Einlagensicherungsbeiträgen über die Ländergrenzen hinweg und die Übertragung der Entscheidungskompetenz über den Mitteleinsatz auf eine EU-Behörde. Dies soll zukünftig über das „Einheitliche Abwicklungsgremium“ (Single Resolution Board, SRB) erfolgen. Zu analysieren ist hierbei, wie sich das Beitragsschema im EDIS vom bisherigen deutschen Beitragserhebungsmechanismus unterscheidet und wie die Stabilität und Anreizkompatibilität des neuen Systems beschaffen sind. Art. 74c Abs. 5 des Verordnungsentwurfs regelt, dass risikosensitive Beiträge unter Berücksichtigung folgender Parameter erhoben werden: ó Höhe der Verlustabsorptionskapazität des Instituts, ó Fähigkeit des Instituts, seine langfristigen Verbindlichkeiten zu erfüllen, ó Stabilität und Vielfalt der Finanzierungsquellen des Instituts und Volumen der hochliquiden Aktiva, ó Werthaltigkeit der Aktiva sowie ó Geschäftsmodell und Management des Instituts. Entscheidend ist, welche Institution zukünftig die qualitativen Beurteilungen zum Risiko eines Instituts, insbesondere zum Geschäftsmodell und Management abgibt. Hier ist zu erwarten, dass das Single Resolution Board (SRB) sich – spätestens in der dritten Phase der Vollversicherung – bei der im Euroraum einheitlichen Bewertung der Beitragsbemessungskriterien auf die Einschätzungen der EZB im Rahmen des aufsichtlichen Überprüfungsverfahren als Teil des einheitlichen Aufsichtsmechanismus im Euroraum beziehen wird. Dann würde der Druck zur Vollvereinheitlichung der Aufsichtsprozesse weiter steigen. Die Details des Beitragsbemessungsverfahrens soll die Kommission mit delegierten Rechtsakten beschließen. Während in der Rückversicherungsperiode die Beitragshöhe lediglich relativ zum Risiko der übrigen nationalen Institute festgesetzt wird, erfolgt ab der Mitversicherungsperiode die Beitragsbemessung in Relation zum Risiko aller übrigen EU-Institute. Die Kommission räumt ein, dass dies für einzelne EU-Institute mitunter zu individuell erhöhten Beiträgen führen kann. Die Frage ist allerdings, ob dadurch die Banken in einzelnen Staaten überproportional belastet werden. Dies kann erst auf Basis des konkreten Beitragsverfahrens analysiert werden. Bereits heute enthält Art. 13 der RL 2014/49 Vorgaben zur Beitragsbemessung. Demnach müssen die Beiträge risikoorientiert erhoben werden und in angemessener Form die Risikoprofile und unterschiedlichen Geschäftsmodelle berücksichtigen. Dabei kann die Beitragsbemessungssystematik auch die Aktivseite der Bilanz und Risikoindikatoren fl Rechtlich erscheint es zweifelhaft, mit den Beitragsregeln den zentralen Umverteilungsmechanismus lediglich über nachgelagerte Rechtsakte festzulegen. wie die Kapitaladäquanz sowie die Qualität der Aktiva und der Liquidität berücksichtigen. Die EBA hat im Mai 2015 Leitlinien zur Konkretisierung der Richtlinie erstellt. Hiernach sollen 75 Prozent der Beiträge auf verpflichtenden, harmonisierten Kategorien mit vorgegebenen Kennzahlen basieren, während die restlichen 25 Prozent nach nationalen Kriterien spezifiziert werden können. Der Verordnungsentwurf lässt die Frage der letztlichen Haftung bei einer Unterfinanzierung der Einlagensicherung offen. Wenn die Regelbeiträge nicht reichen, um die Zahlungsansprüche aus gedeckten Einlagen abzudecken, können gemäß Art. 74d des Verordnungsentwurfs außerordentliche Ex-post-Beiträge eingezogen werden. Der Entwurf spezifiziert das Bemessungsverfahren allerdings nicht und verweist auf noch zu erstellende nachgelagerte Rechtsakte der Kommission. Auch bisher geben die RL 2014/49 und die nationale Umsetzung im EinSiG hierzu keine genauen Regeln vor. Grundsätzlich sind staatliche Unterstützungszahlungen auch im Fall von Systemkrisen nicht vorgesehen, stattdessen enthält der Verordnungsentwurf Regelungen, wie im EDIS über Kreditaufnahmen die nachgelagerte Beitragserhebung gestreckt werden kann. In der Mitversicherungsphase dürfte dagegen weiterhin letztlich der jeweilige Staat für die Verpflichtungen seiner gesetzlichen Einlagensicherungssysteme einstehen. Mit EDIS scheint nun die 03.2016 diebank 19
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