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die bank 03 // 2015

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die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

ó BETRIEBSWIRTSCHAFT

ó BETRIEBSWIRTSCHAFT Post Merger Investigations COMPLIANCE Post Merger Investigations sind unter Compliance-Gesichtspunkten unabdingbar geworden, um nach dem Erwerb eines Unternehmens oder einer signifikanten Beteiligung vollen Überblick über die vorhandenen Unterlagen und mögliche rechtliche Altlasten zu erhalten, beim Verkäufer mögliche Schadensersatzansprüche geltend zu machen und den Behörden Kooperation zu signalisieren. Eine vor Übernahme durchgeführte Due Diligence reicht hier nicht aus. Hartwig Laute | Nils Gildhoff Keywords: Kartellrecht, Compliance, Due Diligence Die Integration von Post Merger Investigations in die Compliance-Prozesse einer Organisation ist von wachsender wirtschaftlicher Relevanz. Obwohl verdeckte Wettbewerbsdelikte erworbener Unternehmen für den Käufer ein erhebliches Risiko darstellen – immerhin ziehen Kartellrechtsverstöße die höchsten Bußgelder mit sich – stellt lediglich ein Drittel der Unternehmen in Deutschland im Rahmen eines Compliance-Programms die nötigen Untersuchungen an, solche Delikte rechtzeitig aufzudecken. Kartellrechtliche Risiken im Finanzsektor Dabei erreichen die von den Kartellbehörden verhängten Bußgelder in Kartellverfahren heute Summen, die selbst die Aufmerksamkeit breiter Publikumsmedien auf sich ziehen. Allein das Bundeskartellamt hat im Jahr 2014 Bußgeldern in Höhe von mehr als einer Mrd. € verhängt. Auch die Europäische Kommission erließ im Jahr 2013 gegen mehrere Finanzinstitute wegen der Teilnahme an bilateralen Zinskartellen in der Derivatebranche einige der höchsten bislang verhängten Unternehmensgeldbußen überhaupt. Die Kommission beabsichtigt weiter, insbesondere im Finanzsektor das Kartellrecht mit oberster Priorität durchzusetzen. Dabei stellt der kartellrechtswidrige Informationsaustausch einen Bereich dar, in dem Marktteilnehmer schnell einem erheblichen Risiko ausgesetzt sind. Im Einzelfall kann der Kartellrechtsverstoß schon aus der bloßen Kenntnisnahme vertraulicher Informationen eines Wettbewerbers erfolgen. Banken verfügen hier nicht mehr über einen Risikoschutz, denn der frühere Sonderbereich Kreditwirtschaft – im Sinne einer kartellrechtsfreien Zone – existiert nicht mehr. Beispiel Strafzinsen auf Einlagen: Eine Vereinheitlichung oder der bloße – auch öffentliche – Austausch über die in diesem Bereich für angemessen gehaltene Zinsgestaltung wäre für die Finanzinstitute und deren Verbände mit erheblichen kartellrechtlichen Risiken behaftet. Auch das einheitliche Händlerentgelt im Electronic-cash-Kartenzahlungssystem gilt künftig nicht mehr, sondern muss frei ausgehandelten Entgelten weichen. Haftung des Rechtsnachfolgers für Altverstöße Unternehmen können nicht nur für das eigene Verhalten, sondern auch für kartellrechtliche Altverstöße neu erworbener Unternehmen zumindest mittelbar haftbar gemacht werden. Das gilt nach deutschem wie auch nach EU-Kartellrecht sowohl beim Share Deal als auch, mit gewissen Einschränkungen, beim Asset Deal – und selbst beim Erwerb bloßer kontrollierender Minderheitsbeteiligungen. Deshalb ist es unter Compliance-Gesichtspunkten von entscheidender Bedeutung, das Zielunternehmen auch unmittelbar nach der Übernahme genau in Augenschein zu nehmen. Nur so kann der Erwerber bei Auffinden von belastendem Material rechtzeitig reagieren, um beim Verkäufer mögliche Schadensersatzansprüche geltend zu machen und den Behörden Kooperation zu signalisieren. Post Merger Investigations runden Due Diligence ab Erwerber verlassen sich herkömmlicherweise auf eine kaufvorbereitende Due Diligence, mit der das Zielunternehmen überprüft werden soll. Die Due Diligence bringt aber naturgemäß mehrere Probleme mit sich, die letztlich nur durch eine Post Merger Investigation als quasi fortgesetzte Due Diligence nach dem Erwerb des Zielunternehmens ausgeglichen werden können: Obschon der Erwerber durch umfangreiche Data-Request-Listen nach allen aus seiner Sicht entscheidungserheblichen Informationen über das Zielunternehmen fragt, ist es letztlich der Verkäufer, der die möglicherweise schon vorsortierten und selektierten Unternehmensunterlagen in den Datenraum einstellt. Dies gilt in besonderem Maße im Rahmen von Auktionsverfahren im Bereich von Private- Equity-Transaktionen bzw. Transaktionen, die von Investmentbanken geführt werden. Erst nach dem Erwerb der Zielgesellschaft hat der Käufer die Möglichkeit, vollumfänglich sämtliche Unterlagen des Zielunternehmens durchzusehen und die übernommenen Geschäftsführer 48 diebank 3.2015

BETRIEBSWIRTSCHAFT ó zentriert sich also nicht ausschließlich auf rechtliche Risiken. Im Rahmen der Post Merger Investigation wird hingegen (kartell-)rechtlichen Risiken die notwendige vertiefte Aufmerksamkeit geschenkt. Durch eine Post Merger Investigation kann also noch rechtzeitig erkannt werden, ob ein erheblicher kartellrechtlicher Altverstoß des Zielunternehmens vorliegt, der – dann mit hierfür aufbereiteten relevanten Unterlagen des Zielunternehmens – im Rahmen eines Kronzeugenantrags bußgeldmindernd oder sogar bußgeldausschließend angezeigt werden kann. und Mitarbeiter in eigener Regie im Rahmen einer Post Merger Investigation gründlich zu befragen. Der Zeitraum für die Due Diligence ist zudem oftmals relativ kurz bemessen und erlaubt nicht in jeder Hinsicht eine vertiefte Prüfung. Nach dem Erwerb des Zielunternehmens kann diese Prüfung durch eine Post Merger Investigation fortgesetzt und vertieft werden. Bedingt durch den Zeitdruck, unter dem die Due Diligence oft durchgeführt wird, und aufgrund mangelnder Ressourcen mag es im Einzelfall auch passieren, dass das Untersuchungsteam die Brisanz einzelner Dokumente übersieht, weil ihm hierfür die erforderliche Expertise fehlen kann. Mit Durchführung einer Post Merger Investigation steigen die Chancen, zuvor unerkannte Zusammenhänge und getarnte Kartellabsprachen doch noch zu identifizieren. Grund hierfür ist die dann bestehende bessere Informationsbasis, mehr Zeit, die Möglichkeit, weitere Experten hinzuzuziehen, sowie sich unterstützender Software zur umfassenden Datensichtung zu bedienen. Bei der Planung der Due Diligence steht darüber hinaus im Einzelfall oftmals noch nicht fest, wonach speziell gesucht werden soll. Verstärkt wird dieses Problem dadurch, dass mit standardisierten Checklisten für typisierte Risiken gearbeitet wird, die an den realen Risikobereichen des Zielunternehmens schlicht vorbeigehen können. Auch hier erlaubt eine Post Merger Investigation eine genauere Abschichtung der durchzusehenden Unterlagen nach konkreten Risikobereichen, die etwa durch die Due Diligence sichtbar und im Laufe der Integrationsphase bestätigt wurden. Bei dieser „Hebung des Eisbergs über die Wasserlinie“ können gleichzeitig auch solche Risikobereiche auftauchen, die zu Beginn der Due Diligence nicht ersichtlich waren. Schließlich ist die Due Diligence eine wirtschaftliche, finanzielle und steuerliche Prüfung des Zielunternehmens. Sie konfl Unternehmen können auch für kartellrechtliche Altverstöße neu erworbener Unternehmen zumindest mittelbar haftbar gemacht werden. Gerichtsverfahren zwischen M&A-Parteien sind aufgrund von Post-Merger- Streitigkeiten in den vergangenen Jahren erheblich angestiegen. Seit der Finanzkrise erleben zudem Kaufpreisbestimmungen auf „Cash and debt free“-Basis im M&A-Markt eine Renaissance, wonach der Kaufpreis zu einem definierten Stichtag noch nachträglich korrigiert werden kann. In rund zehn Prozent aller Fälle kommt es tatsächlich zu entsprechenden Nachverhandlungen. Alternativ kann im Anschluss an eine Post Merger Investigation auch eine unternehmensinterne Umstrukturierung mit dem Ziel erfolgen, die eigene Unternehmensgruppe kartellbußgeldrechtlich zu enthaften – soweit und solange denn hier nach deutschem Kartellrecht noch Sanktionslücken bestehen. Zeitgemäße Unterstützung für die Beweissicherung Bei großen Mengen zu sichtender, unternehmensinterner Daten fühlen sich viele Käufer jedoch überfordert, sehen von einer so wichtigen Post Merger Investigation ganz ab oder vernachlässigen sie zumindest. Dazu kommt neben der zeitlichen Komponente oft auch der Mangel an interner Expertise in den verschiedenen Rechtsgebieten. Sie macht es häufig notwendig, sich durch externe Sachverständige unterstützen zu lassen. Diese Experten können einschätzen, inwieweit die Beweislage zu einer rechtlichen Belastung werden kann und welche Ansprüche dem Geschädigten zustehen. Der Prozess der Beweissicherung hat sich zudem auch mit dem Fortschritt der technischen Möglichkeiten weiterentwickelt, was den Prozess der Datensichtung wesentlich vereinfacht. Verdeckte Kartellabsprachen können inzwischen durch automatisierte Verfahren leichter identifiziert werden, die mittels Predictive Coding inhaltliche Zusammehänge erkennen und präziser arbeiten als es eine lineare Durchsicht oder einfache Suchfunktionen ermöglichen. Fazit Basierend auf den derzeit immer strenger werdenden Compliance-Anforderungen, ist davon auszugehen, dass sich Post Merger Investigations als rechtlich geforderter Bestandteil einer jeden Compliance-Organisation etablieren werden. Aus finanzieller Sicht dürfte es hierfür keine Vorbehalte geben, zumal die auszuschließenden kartellrechtlichen Risiken erheblich sind. Interne Prozesse und IT-Strukturen sollten demnach an die Compliance-Anforderungen angepasst werden, um das Schadenpotenzial im Gefolge von M&A-Aktivitäten zu erkennen und zu minimieren. Erst die Post Merger Investigation schafft hierfür die angemessene und zeitnahe Informationsgrundlage. ó Autoren: Dr. Nils Gildhoff ist Leiter der Kartellrechtspraxis von Happ Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Hamburg. Hartwig Laute ist Geschäftsführer der Recommind GmbH, Rheinbach. 3.2015 diebank 49

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