DIGITALISIERUNG ben der Weltbank im Schnitt derzeit mehr als 6 Prozent des überwiesenen Betrags. Begünstigen könnte die Verbreitung von Bitcoin, dass ein signifikanter Anteil der Bevölkerung in Entwicklungs- und Schwellenländern nur einen eingeschränkten oder gar keinen Zugang zum traditionellen Finanzsystem hat (Underbanked / Unbanked People). Da jedoch Smartphones mit Internetzugang in diesen Bevölkerungsgruppen oft vorhanden sind, ergibt sich für Kryptogeld eine Marktchance. Denn für die Teilnahme am Bitcoin- Netzwerk wird lediglich eine digitale Geldbörse benötigt. Gesetzliches Zahlungsmittel in El Salvador Die ökonomische Diskussion über die Rolle von Bitcoin in Entwicklungs- und Schwellenländern hat sich zuletzt aus konkretem Anlass erheblich intensiviert. Im Juni 2021 verabschiedete das Parlament des lateinamerikanischen Lands El Salvador ein Gesetz, das Bitcoin weltweit erstmalig zum gesetzlichen Zahlungsmittel erklärt. 3 Ausgenommen vom Annahmezwang sind jedoch Unternehmen, die über keinen technologischen Zugang zum Bitcoin- Netzwerk verfügen. Neben Bitcoin bleibt außerdem der US-Dollar als Landeswährung erhalten, der Wechselkurs soll am freien Markt bestimmt werden. Initiiert wurde das Vorhaben durch Präsident Nayib Bukele. Nach dessen Plänen soll die Einführung von Bitcoin insbesondere die Kosten von Remittances reduzieren und die finanzielle Inklusion der ärmeren Bevölkerungsteile fördern (70 Prozent der Gesamtbevölkerung El Salvadors gelten als unbanked). Rücküberweisungen von im Ausland arbeitenden Salvadorianern sind für das Land volkswirtschaftlich von immenser Bedeutung, sie betragen etwa ein Fünftel des Bruttoinlandsprodukts des Landes. In kaum einem anderen Staat Lateinamerikas ist die Abhängigkeit von den Remittances so hoch. 4 Offizielle Landeswährung El Salvadors ist seit 2001 der US-Dollar. Die bis dahin gültige eigene Währung Colón wurde im Zuge der Dollar-Einführung bedeutungslos. Bereits 2019 wurde ergänzend ein Pilotprojekt zur Erprobung von Bitcoin gestartet. In der Stadt El Zonte, die seitdem als „Bitcoin Beach“ Bekanntheit erlangt hat, erprobte man Bitcoin als lokale Währung. Die Nutzung von Bitcoin durch Bürger und Unternehmen erfolgte dabei auf freiwilliger Basis, wurde aber durch staatliche Unterstützungsmaßnahmen gefördert. 5 Zur Förderung der landesweiten Bitcoin- Nutzung wurde im vergangenen Jahr ein 150 Mio. US-$ umfassender Fonds geschaffen, der unter anderem eine einfache Konvertibilität von Bitcoins in US-Dollar garantieren soll. Zudem hat man mit der Chivo Wallet eine kostenlose staatliche Bitcoin-Geldbörse eingeführt. Die regulatorische Basis des neu geschaffenen Ökosystems bildet eine Reihe verbindlicher technologischer Standards, die seit August 2021 von der Zentralbank veröffentlicht wurden. Die Regelungen richten sich an Finanzinstitute und privatwirtschaftliche Serviceanbieter und sollen neben der grundsätzlichen Funktionsfähigkeit des Systems vor allem einen umfassenden Verbraucherschutz sicherstellen und Missbrauch (Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung) vorbeugen. Der praktische Start der Initiative im Herbst 2021 wurde begleitet von technischen Schwierigkeiten, die insbesondere die digitale Geldbörse betrafen. Aufgrund fehlender Serverkapazitäten musste der Zugang zur offiziellen Wallet zwischenzeitlich sogar vollständig ausgesetzt werden. 6 In der internationalen Finanzwelt ist das Projekt El Salvadors überwiegend kritisch aufgenommen worden. Die Kritik betrifft nicht nur die Startschwierigkeiten der Initiative, sondern ist grundsätzlicher Natur. Der Internationale Währungsfonds und die Weltbank warnten vor den makro-ökonomischen Konsequenzen, die mit der Nutzung privater Krypto-Assets als Landeswährung verbunden sind. An den Finanzmärkten reagierten die Staatsanleihen El Salvadors mit deutlichen Kursrückgängen auf die Ankündigung des Projekts. 64 02 | 2022
DIGITALISIERUNG 2 | Bitcoin und die Geldfunktionen Erfüllung der Geldfunktionen durch Bitcoin Tauschmittel Recheneinheit Wertaufbewahrungsmittel Nicht gegeben wegen beschränkter Verarbeitungskapazitäten und hoher Preisvolatilität Nicht gegeben wegen hoher Preisvolatilität Nicht gegeben wegen hoher Preisvolatilität Quelle: eigene Darstellung. FAZIT Bitcoin wird häufig als Krypto-Geld bezeichnet. Geld kann aber nur sein, was die drei Geldfunktionen (Tauschmittel, Recheneinheit, Wertaufbewahrungsmittel) erfüllt. Das ist im Fall von Bitcoin nicht zu erwarten, denn die inflexible und auf 21 Mio. begrenzte Entwicklung der Bitcoin-Menge sorgt langfristig für strukturelle Deflation und kurzfristig für hohe Volatilität. Sinnvolle Anwendungsmöglichkeiten könnte es höchstens in Entwicklungs- und Schwellenländern geben, wo viele Menschen keinen Zugang zu Bankdienstleistungen, sehr wohl aber ein Smartphone haben. Hier dient El Salvador als Fallstudie. Das Land hat Bitcoin im Herbst 2021 zum gesetzlichen Zahlungsmittel gemacht – neben dem US-Dollar, der bereits 2001 die damalige Landeswährung Colón ersetzt hat. Die Entscheidung El Salvadors, Bitcoin zum gesetzlichen Zahlungsmittel zu machen, ist ein Experiment, dessen Ausgang aktuell nicht abschließend beurteilt werden kann. Ob die Initiative langfristig ein Erfolg – und damit international zum Vorbild – wird, ist offen. In jedem Fall müssten dafür nicht nur die anfänglichen Schwierigkeiten überwunden, sondern darüber hinaus auch die beschriebenen grundsätzlichen Probleme von Bitcoin gelöst werden. [Anm. d. Red.: Der Internationale Währungsfonds hat El Salvador Ende Januar aufgefordert, den Status des Bitcoin als gesetzliches Zahlungsmittel wieder aufzuheben. Zur Begründung führt der IWF-Vorstand Risiken für die Finanzstabilität, die finanzielle Integrität, den Verbraucherschutz und auch steuerliche Schwierigkeiten an. 7 ] Autoren Florian Berg ist Absolvent des Master-Studiengangs Versicherungsund Finanzwirtschaft der Wiesbaden Business School der Hochschule Rhein-Main. Prof. Dr. Stefan Schäfer ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule Rhein-Main in Wiesbaden. Seine bevorzugten Forschungsgebiete sind die europäische Währungsintegration und die Digitalisierung des Geldes. 1 Vgl. Deutsche Bank (2021), Bitcoins: Can the Tinkerbell Effect Become a Self-Fulfilling Prophecy?, The Future of Payments: Series 2, Part III, Deutsche Bank Research. 2 Vgl. Horn, Matthias / Wendt, Stefan (2021), Bitcoin & Co: Kryptowährungen für alle?, in: Kenning, Peter / Oehler, Andreas / Reisch, Lucia (Hrsg.): Verbraucherwissenschaften, Springer Gabler; Bank for International Settlements (2019), Beyond the doomsday economics of „proof-of-work” in cryptocurrencies, BIS Working Papers, No 765. 3 Vgl. Hanke, Steve / Hanlon, Nicholas / Chakravarthi, Mihir (2021), Bukele’s Bitcoin Blunder, Studies in Applied Economics, No.185/June 2021, Johns Hopkins Institute for Applied Economics, Global Health, and the Study of Business Enterprise, und Banco de España (2021), The Role of Cryptoassets as Legal Tender: The Example of El Salvador, Analytical Articles, Economic Bulletin, 4/2021. 4 Vgl. Hanke, Steve / Hanlon, Nicholas / Chakravarthi, Mihir (2021). 5 Vgl. Hanke, Steve / Hanlon, Nicholas / Chakravarthi, Mihir (2021). 6 Vgl. Banco de España (2021). 7 https://www.imf.org/en/News/Articles/2022/01/25/pr2213-el-salvadorimf-executive-board-concludes-2021-article-iv-consultation. 02 | 2022 65
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