DIGITALISIERUNG DIGITALISIERUNG DES GELDWESENS WARUM BITCOIN EHER NICHT DAS GELD DER ZUKUNFT IST 60 02 | 2022
DIGITALISIERUNG Der Bitcoin-Hype scheint kein Ende nehmen zu wollen. Gleichzeitig ist das Krypto-Geld weit davon entfernt, dass Kunden und Händler es an der Ladenkasse als Alternative zu Scheinen, Münzen und Karten akzeptieren würden. Zwar hat El Salvador Bitcoin im vergangenen Jahr (neben dem US-Dollar) zum gesetzlichen Zahlungsmittel gemacht. Die grundlegenden Merkmale dieses „digitalen Geldes“ machen seine Verwendung als Zahlungsmittel der Zukunft aber sehr unwahrscheinlich. Denn eins ist Bitcoin eher nicht: Geld. Das sogenannte Krypto-Geld Bitcoin soll in vielerlei Hinsicht ein Gegenentwurf zum klassischen Geld- und Finanzsystem sein. Einen zentralen Unterschied bilden der geografische Geltungsbereich und die staatliche Zuständigkeit. Während traditionelle Geldsysteme grundsätzlich das Gebiet eines Staats oder einer Staatengemeinschaft umfassen, ist Bitcoin global ausgerichtet. Sein Design als Peer-to-Peer-Netzwerk sieht entsprechend auch keine staatlichen (Finanz-)Institutionen wie Zentralbanken vor. Die Geldschöpfung im Bitcoin-System folgt den restriktiven Regelungen eines Algorithmus und ist damit sowohl staatlichem als auch privatem Einfluss entzogen. Das hat ökonomische Konsequenzen. Zunächst stellt sich die Frage, wie Vertrauen in das Krypto-Geld entstehen kann. Klassischem Geld vergleichbar sind Bitcoins ohne intrinsischen Wert – allerdings existiert keine Zentralbank, die mit der Sicherung von Stabilität und Werthaltigkeit der Bitcoins betraut ist. Kryptographische Verfahren und die Architektur des Systems sollen die Währungshüter aus der Zentralbank ersetzen. Langfristig deflationär, kurzfristig volatil In der Bitcoin-Welt gibt es folglich weder so etwas wie Geldpolitik noch ein entsprechendes Instrumentarium wie Leitzinsen, Mindestreserve etc. Das System kann geldpolitisch nicht auf ökonomische Entwicklungen reagieren. Es besteht keine Möglichkeit, das Bitcoin-Angebot an eine sich ändernde Nachfrage – z. B. langfristig in Folge des Wirtschaftswachstums oder kurzfristig infolge steigender Nutzerzahlen – anzupassen. Vielmehr ist die Gesamtmenge an Bitcoins algorithmisch auf 21 Mio. begrenzt. Das Wachstum verlangsamt sich und kommt circa im Jahr 2140 zum Abschluss. Daraus ergibt sich langfristig ein deflationäres Szenario. Die Gütermenge auf der Welt steigt und steigt, aber die Bitcoin-Menge hält immer weniger – und ab 2140 überhaupt nicht mehr – Schritt: Die Anzahl der Bitcoins je produzierter Gütereinheit sinkt beständig und damit auch der Güterpreis ausgedrückt in Bitcoin. Es kommt zu einer Deflation. In der kurzfristigen Perspektive weist Bitcoin zudem immer noch sehr stark den Charakter eines Hype-Produkts auf. Die Nachfrage nach Bitcoin hat oft erratische Züge. So lösten im Jahr 2021 diverse Tweets des Tesla-Gründers Elon Musk erhebliche Nachfrageschwankungen aus, die auf ein inflexibles Angebot stießen, was sich in erheblichen Kursbewegungen niederschlug, wie der Informationsdienst Reuters aufzeigte. Am 28. Januar 2021 beispielsweise fügte Musk einfach nur das Hashtag #bitcoin zu seiner Twitter-Bio (der Kurzbeschreibung seiner Person) hinzu, und löste damit einen Preisanstieg um 14 Prozent aus. Im Juni 2021 setzte er den Kurs erheblich unter Druck, indem er Bitcoin zusammen mit einem gebrochenes-Herz-Emoji twitterte. Die Liste ließe sich fortsetzen. Die Abbildung ÿ 1 zeigt, wie sich der Bitcoin-Kurs von Anfang des Jahres 2021 bis zum Frühling verdoppelt hat, um sich dann bis zum Sommer zu halbieren und in den Herbst hinein schließlich ein weiteres Mal zu verdoppeln. Die vergleichsweise geringe Liquidität am Bitcoin-Markt verstärkt die Volatilität noch. Im Verhältnis zu den insgesamt umlaufenden Bitcoins sind die Handelsvolumina gering, sodass schon kleinere Veränderungen des Angebots oder der Nachfrage deutliche Kursausschläge verursachen. In Anbetracht der festgelegten Obergrenze von 21 Mio. Bitcoins könnte sich das Problem in Zukunft noch verschärfen. Einerseits deflationär, andererseits volatil – das sind nicht unbedingt Adjektive, die gut zum „Geld der Zukunft“ passen. Hinsichtlich der diesbezüglichen Perspektiven von Bitcoin ist die Erfüllung der drei Grundfunktionen des Geldes entscheidend. Diese sind: Geld ist Transaktionsmedium, also Tauschmittel. Es wird zum Bezahlen eingesetzt. Geld ist Recheneinheit. Es dient der Bewertung von Gütern und Vermögensgegenständen. 02 | 2022 61
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