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die bank 02 // 2021

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

DIGITALISIERUNG

DIGITALISIERUNG Digitales Collateral Management Nicht nur bei Krediten, sondern auch bei vielen Arten von Kapitalmarkttransaktionen spielen Sicherheiten oder Collaterals zur Absicherung von Kreditrisiken eine wichtige Rolle. Cash oder Wertpapiere eignen sich dafür am ehesten, weil sie sich im Ernstfall schnell liquidieren lassen. Vermögensgegenstände schwanken jedoch meist laufend im Wert, sodass sich die notwendige Besicherung stetig verändert. Nicht selten finden erforderliche Reallokationen täglich oder sogar untertägig statt, was aber auch mit entsprechenden Kosten verbunden ist. Tokenisierte Vermögensgegenstände lassen sich nicht nur kostengünstig in Echtzeit übertragen, sondern sie könnten auch beliebig aufgespalten werden, um dadurch den Grad an Überdeckung so gering wie möglich zu halten. Unter Mitwirkung der Deutschen Börse wurde ein DLT-basiertes Betriebsmodell entwickelt und unter der Firmierung HQLAx in 2019 gestartet. Großbanken aus der Schweiz und Deutschland haben auf der Plattform bereits erste Transaktionen über das Eurex Repo F7-Handelssystem ausgeführt. Trends vollständig erschließen Insgesamt zeigt sich, dass sich Tokenisierung auf die Abwicklungslandschaft einer Bank im Kapitalmarktgeschäft auswirkt und sich notwendige Investitionen vermutlich erst dann bezahlt machen, wenn möglichst viele Anwendungsfälle identifiziert und letztlich umgesetzt sind. 2019 hat die DZ Bank im Rahmen ihres Innovationsprozesses (Innovation LAB) mit Senacor ein neues Format eingerichtet, um Trends wie diese zu untersuchen und zu prüfen, ob und inwieweit sie sich auf das eigene Geschäft auswirken. Über Tokenisierung hinaus zählen etwa auch Künstliche Intelligenz oder das neue Bezahlverfahren Request to Pay dazu. Zu diesen und anderen Trends finden jeweils eigene Workshops statt. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse belegen, dass Tokenisierung an sich kaum zu einem Alleinstellungsmerkmal für eine Bank führen wird. Der Grund: Wer dezentrale Netzwerke wie die DLT nutzen möchte, kann allein wenig gewinnen. Erst wenn sich die verschiedenen Kapitalmarktteilnehmer auf möglichst einheitliche Standards und Protokolle in einem möglichst umfangreichen Netzwerk einigen, lassen sich die avisierten Effekte erzielen. Bedeutende Infrastrukturanbieter wie etwa die Deutsche Börse könnten hier als Katalysatoren für die Meinungsbildung dienen. Tokenisierung birgt das Potenzial, die heute bekannten Infrastrukturen im Wertpapierbereich signifikant zu verändern. Überdies könnten die bestehenden divergierenden Prozesse für Wertpapiere und OTC-Produkte zusammenwachsen und sich die Finanzprodukte zukünftig auf einer einheitlichen Produktionsstraße abwickeln lassen. Das verbessert nicht nur die Abläufe, auch Besicherungen und Liquidität ließen sich deutlich effizienter einsetzen. Eine Blockchain für alle? Der Weg hin zu einer gemeinsam genutzten dezentralen Plattform erfordert aber zusätzlich ein grundsätzliches Umdenken in den Instituten. Jeder große Emittent betreibt beispielsweise eine recht umfangreiche Emissionsplattform für strukturierte Privatkundenprodukte. Neben der Ausgestaltung der Produkte gilt es dabei auch, die umfangreichen aufsichts- und verbraucherschutzrechtlichen Anforderungen zu erfüllen. Da sich die Produkte von unterschiedlichen Emittenten im Aufbau letztlich kaum unterscheiden und sich eher in der Ausgestaltung differenzieren, scheint der Betrieb einer eigenen Plattform kein wettbewerbsdifferenzierendes Element zu sein. Ein dezentrales Netzwerk könnte hier für eine standardisierende Abbildung der Finanzprodukte sorgen, sodass die Nutzung einer für den Markt einheitlichen Emissionsplattform für alle Teilnehmer nur ein konsequenter Schritt zur Effizienzsteigerung wäre. Da die Settlement-Prozesse durch das Netzwerk vorgegeben werden, hätte man auch hier systemimmanent schon ein großes Maß an Standardisierung, verbunden mit einem entsprechenden Synergiepotenzial. Schöpft man noch die Möglichkeiten des sofortigen Settlements, der Reduktion von Fehlbelieferung und Ausfallrisiken aus, dann lässt sich das Potenzial einer gesamthaften Umstellung der Infrastruktur- und Prozesslandschaft erahnen. Über die Kapitalmarktabwicklung hinaus lohnt sich auch ein Blick auf den immer mehr digitalisierten Zahlungsverkehr. Weltweit beschäftigen sich die Zentralbanken immer konkreter damit, digitale Währungen (Central Bank Digital Currency) zu entwickeln. Verbunden mit weitgehend frei programmierbaren Skripten und unveränderlichen Datensätzen in der Blockchain können sich daraus viele interessante Anwendungsmöglichkeiten für die Realwirtschaft ergeben. Das geht über die ursprünglichen Anwendungszwecke des einstigen Geburtshelfers dieser Technologie, den Bitcoin, deutlich hinaus. Weil Technologie und Abläufe, insbesondere was die zu verwahrenden Schlüssel an- 62 02 // 2021

DIGITALISIERUNG FAZIT Die Einführung digitaler Finanzprodukte auf Basis von DLT- und Blockchain-Technologie kann die Finanzmärkte – und hier vor allem die Marktfolgeprozesse – weitreichend verändern. Durch die sich ergebenden Vorteile für Teilnehmer und Kunden sollten die sich in diesem Kontext bildenden Marktplätze immer mehr an Bedeutung gewinnen und zu einer grundlegenden Verschiebung der Liquidität weg von den klassischen Produkten hin zu den vollständig digital abgebildeten Vermögenswerten führen. Hinter der Tokenisierung steckt die Chance, eine neue Infrastruktur für die Kapitalmärkte zu schaffen, in der sich gängige Abläufe und Prozesse effizienter abbilden und über die beteiligten Institute hinweg standardisieren lassen. geht, sowohl auf den Kapitalmärkten als auch im Zahlungsverkehr die gleichen sind, dürften sich beide Anwendungsfelder künftig gegenseitig befruchten. Banken sollten sich auch deshalb bemühen, sich ein möglichst vollständiges Bild über die DLT und Tokenisierung zu verschaffen und vermeiden, sich bloß ausschnittsweise zu beteiligen. Dann besteht auch die Chance, dass sich die Zeit verkürzt, bis sich die Technologie für einen größeren, übergreifenden industriellen Einsatz eignet. Autoren Dr. Holger Meffert ist stellvertretender Direktor und Leiter Wertpapiermanagement bei der DZ Bank, dem Zentralinstitut der genossenschaftlichen Finanzgruppe. Dirk Elsner ist Senior Manager in der Abteilung Strategie Konzern und Innovation und Projektleiter für das Innovation LAB der DZ Bank Gruppe. 02 // 2021 63

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