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die bank 02 // 2021

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

MANAGEMENT

MANAGEMENT GESCHÄFTSMODELLE: BILLIE Das Factoring aus der Nische geholt Die Corona-Krise hat auch das erfolgsverwöhnte Berliner Factoring-FinTech Billie ausgebremst. Doch schon gegen Ende des vergangenen Jahres liefen die Geschäfte wieder deutlich besser. Mit Geschäftsführer Dr. Christian Grobe sprach unsere Autorin über seine Pläne, über Trends in der Payment-Branche, die Tücken des Homeoffice und die Karriere-Chancen von Ehepartnern mit kleinen Kindern. die bank: Herr Grobe, wie erklären Sie jemandem, der Ihr FinTech nicht kennt, Ihr Geschäftsmodell in wenigen Sätzen? Dr. Christian Grobe: Wir nehmen unseren Kunden alle Sorgen rund um Payments. Wir sorgen dafür, dass jedes kleine Unternehmen zahlen und bezahlt werden kann, wann und wie es will, indem wir seine Forderungen gegenüber den Endkunden mit einem Abschlag abkaufen. Niemand muss sich mehr Sorgen machen, ob man bezahlt wird, wann man bezahlt wird und muss sich auch nicht um Mahnwesen und Inkasso kümmern. So schaffen wir Freiräume für das eigentliche Geschäft. die bank: Das klingt nach einem klassischen Factoring-Unternehmen. Was ist das Innovative an Ihrem Geschäftsmodell? Grobe: Mit meinem heutigen Mit-Geschäftsführer Dr. Matthias Knecht hatte ich vor Billie bereits das FinTech Zencap gegründet, eine Peer-to-Peer-Kreditplattform, mit der private Sparer Geld direkt an kleine und mittlere Unternehmen in Deutschland, Spanien und den Niederlanden verleihen konnten. Damals stellten wir schon fest, dass viele Firmen Bedarf an kurzfristiger Liquidität haben, den Banken, Sparkassen und Volksbanken nicht decken. Zentrale Idee war deshalb, mit einem neuen FinTech kurzfristig Working Capital anzubieten. Zu Factoring hatten kleine und mittlere Unternehmen zu diesem Zeitpunkt praktisch keinen Zugang. Das Angebot kommt an. Als wir 2017 starteten, gab es 30.000 Factoring-Kunden in Deutschland, mittlerweile sind es 60.000. die bank: Da passt es ja gut, dass man bei Billie sofort an Billy denkt, auch wenn man den Namen des Ikea-Klassikers anders schreibt. Grobe: Es gibt zu dem Regal und seinem Hersteller tatsächlich viele Parallelen. Als Ikea damals antrat, hat man auch versucht, eine langweilige, eher behäbige Branche umzukrempeln mit sehr einfachen und dennoch anspruchsvollen Produkten, die schnell verfügbar sind. Diese Kernidee haben wir auf die Payment- Branche übertragen. Man sollte nicht mehr sechs Wochen oder länger benötigen, um eine vernünftige Betriebsmittelfinanzierung auf die Beine zu stellen. Auf unserer Homepage geht das in sieben Minuten. Für die Registrierung braucht man kein PDF, nur Firmenname, Telefonnummer und Bankkonto. Alle Daten für das Risiko-Scoring ziehen unsere Systeme automatisiert. die bank: Bei Ihren Kunden sind Sie mit kleineren und mittleren Unternehmen sowie Freiberuflern gestartet. Im Jahr 2019 kamen dann B2B-Marktplätze und B2B-E-Commerce-Anbieter hinzu. Grobe: Wir arbeiten zum Beispiel mit dem Online-Werkzeughändler Contorion sowie den Elektronikhändlern Tarox und Future-X zusammen. Solchen Online- Händlern, die ausschließlich im B2B-Segment tätig sind, nehmen wir die Forderungsfinanzierung ab. Der Kauf auf Rechnung ist immer noch die vorherrschende Bezahlart im Online-Handel. Der Händler räumt seinen Kunden ein Zahlungsziel ein, weiß aber nicht, ob der Kunde zahlt. Falls nicht, sind Mahnschreiben fällig. Wir nehmen den Händlern dieses Risiko ab. Gleichzeitig bleibt die Vorfinanzierung von Unternehmensrechnungen für kleine und mittlere Firmen unser Standbein, das aktuell noch zwei Drittel zum Geschäft beiträgt. Mittelfristig werden die beiden Kundensegmente je 50 Prozent beisteuern. die bank: Wer sind die typischen Kunden bei den KMU? Grobe: Die Kunden kommen aus allen Branchen, erzielen einen Umsatz zwischen 1 und 10 Mio. € und wachsen sehr stark. Es sind in der Regel Unternehmen, die viel Wert auf Flexibilität in ihrer Finanzierungsstruktur legen und die einen starken Anreiz haben, ihre Infrastruktur zu digitalisieren, etwa Start-ups, oder Firmen, die mit sehr langen Zahlungszielen konfrontiert sind. Wir bieten nicht nur Finanzierung, sondern man kann heute schon die gesamte Debitoren-Buchhaltung und das Debitoren-Management an uns auslagern. Die Kunden können also sowohl Cashflow wie auch Workflow an uns übertragen oder nur ein Produkt nutzen. Mit diesem modularen System unterscheiden wir uns von den traditionellen Anbietern. Der durchschnittliche Factoring Betrag liegt bei uns um die 150.000 €. 18 02 // 2021

MANAGEMENT die bank: Wie viel zahlen die Kunden an Gebühren? Grobe: Die Kunden sind meist wie auch bei der Konkurrenz im Skonto-Bereich unterwegs, also zwischen 1 und 3 Prozent. die bank: Zu den Risiken Ihres Geschäftsmodells zählt, dass die Kunden Rechnungen erstellen für Leistungen, die sie noch nicht vollständig oder mangelhaft erbracht haben könnten. Außerdem könnte der Debitor pleitegehen, bevor die an Billie abgetretene Forderung beglichen wurde. Sind diese Betrugs- und Kreditrisiken während der Corona-Krise gestiegen, und wie sichern Sie sich dagegen ab? Grobe: Das Kreditrisiko ist nicht so groß, denn unsere Kunden, die KMU, haben meist Abnehmer, die sehr groß sind wie BMW oder Google, und zahlungsfähig bleiben. Sollte der Ernstfall eintreten, sind wir dagegen versichert. Um das Betrugsrisiko zu senken, haben wir ein technologisch führendes Risikosystem entwickelt. Auf dem Bankkonto unseres Kunden können wir relativ frühzeitig Signale erkennen, ob er in eine prekäre Situation schlittern könnte. Dann steuern wir sofort gegen. Für uns ist die Analyse des Cashflow relevant, weniger die Bilanz oder die G+V. die bank: Betrugsversuche gibt es aber sicher auch bei Billie? Grobe: Jüngst wurden wir zum Beispiel über LinkedIn gewarnt, dass ein Betrüger schon bei mehreren Factoring-Firmen vorstellig geworden sei. Tatsächlich hatte er es auch bei uns versucht, war aber sofort durch unsere Prüfung gefallen. Die Betrugsquote liegt aktuell bei 0,2 Prozent des Factoring-Volumens. 02 // 2021 19

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